… es ist das system!

hier der bericht (erschienen auf indymedia linksunten. hier findet ihr auch die fotos dazu.)) zur demonstration „es ist keine krise –  es ist das system“ des anarchistischen netzwerkes südwest* in karlsruhe:

Karlsruhe: Erfolgreiche antikapitalistische Demo am 15. Oktober

Rund 250 Menschen demonstrierten am 15.10.2011 unter dem Motto “Es ist keine Krise – Es ist das System” durch Karlsruhe und forderten stattdessen “Grenzenlose Solidarität statt kapitalistischem Überlebenskampf”.

Am Werderplatz fanden sich bereits zur Anfangskundgebung rund 150 Personen zusammen. Aufgrund technischer Schwierigkeiten musste der erste Redebeitrag verschoben werden, worauf sich der Demonstrationszug zügig und geschlossen in Bewegung setzte. Sehr zur Freude der Demonstrationsteilnehmer_innen beschränkte sich die Polizei lediglich auf die Verkehrsregelung, anders als bei zahlreichen antikapitalistischen und antifaschistischen Demonstrationen in der näheren Vergangenheit.

Die auftretenden technischen Schwierigkeiten taten der Stimmung der Demonstration keinen Abbruch, es ging Lautstark durch die Werderstraße, Rüppurrerstraße, Fritz-Erler-Straße, Markgrafenstraße über die Adlerstraße zum Lidellplatz, auf dem die erste Zwischenkundgebung abgehalten wurde.

Hier schlossen sich erfreulicherweise rund 50 Personen aus verschiedensten Spektren spontan der Demonstration an. Ein Vertreter des Libertären Bündnis Ludwigsburg hielt einen Redebeitrag über den Zusammenhang von Krise und Nationalismus und forderte “planetare Solidarität statt nationaler Borniertheit”.

Im Anschluss setzten sich die Demonstrant_innen weiter in Richtung Marktplatz in Bewegung. Aufgrund von parallel stattfindenden Veranstaltungen und überall in der Innenstadt verteilten Baustellen wurde die ursprüngliche Route leider nicht genehmigt. Statt über die Haupteinkaufsmeile von Karlsruhe ging es über die Hebelstraße Richtung Abschlusskundgebung am Friedrichsplatz.

Dort angekommen hielt zunächst ein Vertreter des Anarchistischen Netzwerks Südwest* den Redebeitrag, der ursprünglich für die Startkundgebung geplant war. Im Beitrag wurde die Rolle Griechenlands in der aktuellen Krise beschrieben und erläutert, wieso die Rettungspolitik der EU sowohl die Krise nicht verhindert, als auch soziale Konflikte verschärft. Den letzten Redebeitrag hielt wieder ein Vertreter vom Libertären Bündnis Ludwigsburg. Er stellte heraus, wieso die anwachsende, globale Protestbewegung inhaltlich noch in den Kinderschuhen steckt, sie aber viele Anknüpfungspunkte für radikale, anarchistische Kritik an den bestehenden Verhältnissen bietet.

Petra Schwarz vom Anarchistischen Netzwerk Südwest* wertete die Demonstration als vollen Erfolg. „Dass 250 Menschen die Schuld für die aktuelle Krise nicht “raffgierigen Managern” oder “faulen Griechen” geben, sondern sie als Symptom eines tieferliegenden Problems sehen, macht deutlich, dass ein Ausweg aus der derzeitigen Krise nicht in der Reformation des Kapitalismus bestehen kann, sondern nur in dessen Abschaffung“ so Schwarz.

Die Demonstration bildete den Auftakt für weitere Veranstaltungen in denen die angerissenen Themen weiter ausgeführt werden. Alle Informationen hierzu werden in Kürze auf der Homepage des Anarchistischen Netzwerks Südwest* veröffentlicht.

Weitere Bilder findet ihr hier.

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es ist keine krise – es ist das system

das anarchistische netzwerk südwest* ruft für samstag, den 15. oktober zu einer demonstration in karlsruhe unter dem motto „es ist keine krise – es ist das system“ auf.

los geht das ganze um 16 h am werderplatz.

den aufruf, die zugtreffpunkte und anderes findet ihr auf dem speziell für die demo eingericheteten blog

hier könnt ihr euch den mobi-jingle anhören.

der 15. oktober ist der europaweite aktionstag zur euro-krise.

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antifaschistischer aktionstag am 8. oktober in offenburg

am 8. oktober findet in offenburg ein antifaschistischer aktionstag statt. hier der aufruf des antifaschistischen bündnisses ortenau:

Heraus zum Antifaschistischen Aktionstag am 8. Oktober in Offenburg!

Am Samstag, den 22.10.2011, wollen Nazis unter dem Motto „Ohne Bauernstand stirbt unser Vaterland! Nur regional ist national.“ in Offenburg aufmarschieren. Wie schon im letzten Jahr, als sie für die nachträgliche Sicherheitsverwahrung von „Schwerststraftätern“ warben, schieben sie auch diesmal ein populäres Thema vor, um ihre menschenverachtende Ideologie in die Stadt zu tragen.

In den vergangenen zwölf Monaten haben faschistische Propaganda und Übergriffe auf vermeintlich politisch Andersdenkende stark zugenommen.

Wir werden ihnen Offenburg nicht so einfach überlassen, sondern wollen bereits im Vorfeld eigene antifaschistische Akzente setzen: Agieren statt nur zu reagieren!

Darum veranstalten wir am Samstag, den 8.10.2011, einen antifaschistischen Aktionstag in Offenburg, an dem wir offensiv im Rahmen verschiedener Aktionen zeigen wollen, dass Faschismus keine Meinung ist, sondern ein Verbrechen.

Der Tag beginnt um 15 Uhr mit der Demonstration „Nazis no way! Den antifaschistischen Widerstand stärken!“ am Offenburger Bahnhof. Kommt alle – kommt bunt – bringt Transparente – seid kreativ!

Die Demo endet um 17 Uhr an dem von verschiedenen Naziübergriffen betroffenen Jugendzentrum Kessel und geht dort in ein antifaschistisches Straßenfest über.

Dort gibt es neben politischen Infoständen auch Essen gegen Spende (Vokü/Küfa), Getränke, gemeinsames Transparente-Malen für den 22.10., Musik sowie Zeit und Platz, sich auszutauschen.

Ab 20 Uhr spielen im Kessel verschiedene Live-Bands und die Theke ist geöffnet.

Lasst uns an diesem Tag den Nazis zeigen, dass für sie und ihre Bauernfängerei in Offenburg kein Platz ist!

Antifaschistisches Bündnis Ortenau

Mehr Infos: www.antifa-ortenau.tk

Zugtreffpunkte:

Achern, 14:15 Uhr BHF, Gleis 3 (Abfahrt: 14:42 Uhr)
Bühl, 14:15 Uhr BHF, Gleis 2 (Abfahrt: 14:36 Uhr)
Freiburg, 13:45 Uhr HBF, Gleis 2 (Abfahrt: 14:03 Uhr)
Karlsruhe, 13:45 Uhr HBF, Gleis 6 (Abfahrt: 14:09 Uhr)
Rastatt, 14:15 Uhr BHF, Gleis 3 (Abfahrt: 14:23 Uhr)
Villingen (Schwarzwald), 13:30 Uhr BHF, Gleis 2 (Abfahrt: 13:49 Uhr)

 

 

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was zum teufel…? 400 blasphemiker_innen in freiburg gegen ratzinger und seine seltsame welt

am gestrigen freitag demonstrierten über 400 menschen in freiburg gegen den anstehenden papstbesuch, ihn selbst, die kirche, den staat und die ganze andere scheiße. in der gesamten innenstadt waren polizeitrupps verteilt und unterwegs. sie belästigten die, die ihrer meinung nach an der nicht angemeldeten demonstration „antisemitismus – patriarchat – kapitalismus – what the fuck?“ teilnehmen wollten.

das siegesdenkmal war belagert von polizist_innen. einige davon gehörten offensichtlich nicht zu einer der deutschen polizeien: sie waren von der kantonspolizei basel/schweiz und der französischen gendarmerie und police nationale. neben der uniform gehörte an diesem abend auch die schusswaffe zu ihrer ausrüstung. zweck ihrer anwesenheit? beobachtung der crowdcontrol in deutschland. grundlage? der vertrag von prüm.

gegen 18:30 h füllten sich die straßen um das siegesdenkmal zusehends mit menschen, die keine uniform trugen.

nach einigen verhandlungen mit der einsatzleitung und rumgeheule der polizei darüber, dass die transparente als vermummung missbraucht würden, ging es dann eng eskortiert von polizeibeamt_innen gegen 19:30 h endlich los.

in redebeiträgen, flyern, auf transparenten und mit (nicht immer gelungenen oder passenden) parolen zeigte die menge ihre ablehnung nicht nur gegen die person des papstes, sondern gegen die welt, die er repräsentiert und mit seiner institution der katholischen kirche zementiert. so steht er sinnbildlich u.a. für kapitalismus, patriarchat, organisierte religion, homophobie und antisemitismus. diese radikale kritik an den verhältnissen wirkte auf der einen seite manchmal beliebig, auf der anderen drückt sie aus, wie verfahren die zustände sind und wie viel wir verändern wollen und müssen. eben die ganze scheiße.

vor dem bahnhof wurde die situation dann ein wenig brenzlig und die polizei nervöser: zur bahnhofsseite hin versuchte sie ihre kette dicht zu halten und niemanden mehr in die demo oder raus zu lassen. hatte sie angst vor einer bahnhofsbesetzung? gerüchte über zwei festnahmen machten die runde (weiß da jemand mehr?).

schließlich ging es dann aber entspannt weiter bis in die belfortstraße, wo die demo aufgelöst wurde.

die gesamte zeit über wurden die demoteilnehmer_innen von mehreren videokameras und einem kamerawagen, der vor der demo fuhr, abgefilmt. es wurden gezielt einzelpersonen gefilmt.

im allgemeinen freudentaumel und der partystimmung zum papstbesuch konnte ein kleiner, aber deutlicher und radikaler akzent dagegen gesetzt werden.

am heutigen samstag wird freiburg doppelt belagert sein: von mehreren tausend polizist_innen und unsicherheitskräften. und von noch viel mehr gläubischen, pilger_innen, schaulustigen und „wir sind papst“-deutschen. morgen ist der himmlische besuch dann wieder vorbei und wir fragen uns immer noch: what the fuck?

so lange bis wir die ganze scheiße umgekrempelt haben.
paradise now!

 

 

[wenn du ein foto anklickst, wird es größer. mehr fotos findest du in der indymedia-linksunten-version des artikels]

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neues zum gesundheitszustand von luciano („schildkröte“)

am 1. juni 2011 versuchte der junge anarchist luciano schuffenegger mit einer feuerlöscher-bombe, eine bankfiliale in santiago de chile zu sprengen. die bombe explodierte in seinen händen (siehe feuerlöscher zu sprengsätzen?).

nun gibt es informationen zu seinem gesundheitszustand. der unten stehende text ist eine übersetzung aus dem englischen, was eine übersetzung aus dem original spanischen war. sicher haben sich ein paar fehler eingeschlichen: den originaltext findet ihr hier.)

„die ärzte führten von beginn an zahlreiche operationen in bezug auf seine verbrennungen durch, die in den bereichen der beine, der schenkel und des gesäßes besonders gravierend waren. sie transplantierten haut vom rücken und bauch an diese stellen. zuerst infizierten sich die transplantierten stellen, aber nun sind sie im begriff zu heilen. ebenso erhielt er transplantationen an den augenlidern. die verbrennungen vom typ c im gesicht (außer den augenlidern), von seinen augen bis zur stirn benötigten keine transplantationen.

heute gibt es in diesem bereich keine komplikationen und luciano gesundet sehr gut. ein schwarzer fleck im gesicht , verursacht durch die schwarzpulverbombe, wird nicht mehr verschwinden.

kommen wir nun zu den händen lucianos (dem großen körperlichen verlust). die rechte hand wurde am gelenk amputiert. an der linken hand wurden alle finger amputiert bis auf den zeigefinger, den kleinen finger und den halben ringfinger. auch ist es unklar wie es scheint, ob schildkröte diese woche in ein anderes krankenhaus (das derzeitige hat nicht die nötige technik) verlegt wird, um zu testen, wie es um seine augen steht.

vor einigen wochen begann er aufzustehen und umherzugehen. es war ihm sogar möglich, grundlegende dinge zu tun (mit voller unterstüzung) und ins badezimmer zu gehen.

unser bruder, genosse, freund, partner und geliebter steckt in der scheiße, weil sich jedEr nach selbstbestimmung sehnt. darum dürfen wir seine situation nicht vergessen und müssen die verschiedenen (aktions-) formen unterstützen, für die sich verschiedene individuen entscheiden.

wir bedanken uns für alle zeichen der liebe und gesten der solidarität aus aller welt. wir rufen weiter zur verbreitung und vermehrung von solidaritätsaktionen auf.

genoss_innen und liebende von schildkröte“

alles gute für dich, luciano!

nachtrag: auf der seite von abc findet ihr einen ausführlicheren bericht vom 21. juli.


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solidarität mit dem geräumten wagenplatzkollektiv kommando rhino

ein text des anarchistischen netzwerks südwest* zur räumung von kommando rhino:

Eine Ant­wort auf den am 05.08. in der Ba­di­schen Zei­tung ver­öf­fent­lichten Ar­tikel „Wie viele Frei­räume braucht die Ge­sell­schaft?“ von Thomas Hauser.

„Wie viel Ego­ismus muss sich eine Ge­sell­schaft ge­fallen lassen?“ schrieb Herr Hauser zu Be­ginn seines Ar­ti­kels. Ja, das fragen wir uns auch… nur stellt sich uns die Frage, ob Sie, Herr Hauser, den Be­griff Ego­ismus richtig ver­standen haben.

Falls Sie sich einmal mit dem Wa­gen­platz­kol­lektiv Kom­mando Rhino ernst­haft aus­ein­an­der­ge­setzt hätten, würden Sie merken, dass die Le­bens­weisen, die Ziele und die Ak­ti­vi­täten der Wa­gen­burg­be­wohner_Innen kei­nes­wegs egois­tisch waren. Neben be­zahl­barem Le­bens­raum und al­ter­na­tiver Kultur ab­seits ka­pi­ta­lis­ti­scher Ver­wer­tungs­logik konnte im Kom­mando Rhino ein al­ter­na­tives Mi­tein­ander und eine po­li­ti­sche Ent­schei­dungs­fin­dung, die mög­lichst alle (Be­wohner_Innen und Be­su­cher_Innen) mit ihren Stärken, Schwä­chen und Be­dürf­nissen wahr­nahm, er­probt werden. Davon hätte die Stadt Frei­burg pro­fi­tieren können… wollte sie aber nicht. Wieso auch? Es wi­der­spricht einer Ge­sell­schaft, die durch Kon­kur­renz, Leis­tungs- und Stei­ge­rungs­zwang ge­kenn­zeichnet ist, ernst ge­meinte Ex­pe­ri­mente, die Al­ter­na­tiven auf­zu­zeigen ver­su­chen, ein Be­wusst­sein für ein mög­li­cher­weise bes­seres Leben schaffen wollen und nicht auf ein Her­um­dok­tern am fal­schen Ganzen warten, zu ak­zep­tieren. Ja wieso nicht? Es lässt sich nicht öko­no­misch ver­werten.

Zu­rück zum Ego­ismus. Sie würden jetzt wahr­schein­lich sagen, dass an un­serer heu­tigen Ge­sell­schaft nichts egois­ti­sches zu finden ist außer viel­leicht ei­niger we­niger (die be­son­ders Böse sind). Wir müssten Ihnen hier wi­der­spre­chen. Leider leben wir im Ka­pi­ta­lismus. D.h. wir leben auf allen Ebenen in stän­diger Kon­kur­renz. Eu­ropa muss seine Wirt­schaft vor China wappnen, Deutsch­land will wieder Ex­port­welt­meister werden und muss seine In­ter­essen nach Außen und Innen ver­treten, H&M gegen C&A, Dö­ner­laden gegen Mc­Do­nald’s, Ar­beit­geber_In gegen Ar­beit­geber_In, Ar­beit­nehmer_In gegen Ar­beit­nehmer_In, Schüler_In gegen Schüler_In usw. usf.. Wie wir sehen gibt es auf den oberen Ebenen (Eu­ropa und Na­tio­nal­staaten) ein Wir. Aber je weiter ins De­tail ge­gangen wird, müsste klar werden wie jeder ein­zelne Mensch mit an­deren kon­kur­rieren muss. Wie das funk­tio­niert müsste ei­gent­lich klar sein… aber trotzdem: Kann ich mich aus Gründen des Feh­lens kul­tu­rellen und/oder fi­nan­zi­ellen Ka­pi­tals nicht ver­wertbar ma­chen, kann ich nicht am ge­sell­schaft­li­chen Leben, also am Konsum und po­li­ti­schen Ent­schei­dungen, teil­haben. Also muss ich diese er­werben und später, um eine Lohn­ar­beit zu be­kommen, gegen an­dere aus­spielen. Das dabei die El­len­bogen aus­ge­fahren werden und ein ge­wisser Ego­ismus an den Tag tritt ist selbst­er­klä­rend.

Wenn Sie jetzt damit kommen wollten, das wir ja in einem So­zi­al­staat leben, in dem die Ge­mein­schaft für die Schwä­cheren auf­kommt und fragten, wo da der Ego­ismus sei, könnten wir nur schmun­zeln. Viele würden Ihnen hier aber recht geben und sagen: „Ja zum Glück gibt es noch den Staat. Der ver­sucht we­nigs­tens Re­ge­lungen zu schaffen, die die Wirt­schaft für uns nutzbar macht. Er wird uns auf­fangen, wenn wir es nicht mehr schaffen.“ Dies ist ein weit ver­brei­teter Irr­glaube (ähn­lich wie dieser: „Geht es der Wirt­schaft gut, geht es allen gut.“). Die Auf­gabe des Staats ist es, Re­ge­lungen zu schaffen, die die Wirt­schaft am Laufen halten. Er be­findet sich in wech­sel­sei­tiger Ab­hän­gig­keit zum Ka­pi­ta­lismus. Der Ka­pi­ta­lismus braucht den Staat, da dieser dafür sorgt, dass die wirt­schaft­li­chen Pro­zesse rei­bungslos ab­laufen, das pri­vate Ei­gentum ge­schützt ist und immer ge­nü­gend bil­lige Ar­beits­kräfte vor­handen sind. Es wäre, ka­pi­ta­lis­tisch ge­dacht, ein Fehler, der Be­völ­ke­rung zu viele Frei­heiten oder zu viel Grund­ver­sor­gung zu­kommen zu lassen. Er, der Staat, steht ja in Kon­kur­renz mit an­deren Staaten oder Wirt­schafts­räumen. Also muss er, be­son­ders in „Kri­sen­zei­ten“, die so­zialen Er­run­gen­schaften ein­schränken und Maß­nahmen, wie Hartz IV, Stu­dien­ge­bühren, Pri­va­ti­sie­rung usw., er­greifen. Diese wie­derum stei­gern die Kon­kur­renz in der Ge­sell­schaft und somit den Ego­ismus der Be­völ­ke­rung.

Aber lassen wir das mit dem Ego­ismus. Gehen wir noch auf ein paar an­dere Punkte von Ihnen ein, die be­legen sollen wie dreist und ge­fähr­lich die Rhinos seien.

Sie schreiben, dass die Dis­kus­sion um Frei­räume von ver­mummten Ran­da­lie­rern be­endet worden sei. Viel­leicht liegen uns an­dere In­for­ma­tionen vor oder wir lesen an­dere Zei­tungen und In­ter­netseiten, aber un­seres Wis­sens war es doch die Stadt, die ge­sagt hat, es gäbe ge­nü­gend Frei­räume in Frei­burg und die den Wa­gen­platz, ohne ernst­haft Al­ter­na­tiven zu su­chen, räumen ließ. Es gebe ge­nü­gend Frei­räume in Frei­burg, scheint auch nicht so recht zu stimmen. Wieso gibt es denn sonst eine so starke und he­te­ro­gene Frei­raum-Be­we­gung in Frei­burg? Wenn Sie die Mel­dungen in den Nach­richten der letzten Jahre auf­merksam ver­folgt haben, müssten Sie wissen, dass immer wieder Ak­tionen zum Thema statt­finden, an denen sich Men­schen aus allen mög­li­chen Schichten der Ge­sell­schaft be­tei­ligen.

Diese Frei­räume dienen Ihrer Mei­nung nach nur einer Min­der­heit und un­sere „De­mo­kra­tie“ ist dafür da, die Mei­nung der Mehr­heit zu ver­treten. Es gibt sogar ein Recht, das Min­der­heiten Frei­räume zu­ge­steht, wes­halb die, die gegen bes­seren Wis­sens (wohl das Wissen der Mehr­heit?!) noch mehr Frei­räume for­dern, auf­hören sollen. Die, die immer noch mehr Frei­räume wollen oder die schon in einem leben, sind ja elitär und un­de­mo­kra­tisch, sie stellen das Ge­walt­mo­nopol des Staats in Frage und sogar den Staat an sich. Es be­nö­tige aber nun mal den Staat damit kein „Mord und Tot­schlag“ auf der Welt herr­sche. Hier müssen wir Ihnen wieder wi­der­spre­chen. Wieso? Wir denken, dass wir die Ant­wort oben schon aus­rei­chend aus­ge­führt haben. Aber gehen wir doch noch auf dieses „Mord und Tot­schlag“ ein. Diese Welt voller Staaten ist ge­prägt von “Mord und Tot­schlag”. Dem könnten sie viel­leicht zu­stimmen. Was Sie aber be­streiten werden, ist die Tat­sache, dass die meisten „Morde und Tot­schläge“, sowie Raub, Dieb­stahl und an­dere zi­vil­ge­sell­schaft­liche „Straf­ta­ten“ nicht aus reiner Bos­haf­tig­keit be­gangen werden, son­dern meist des­wegen, da es in un­serer Ge­sell­schaft be­stimmte Vor­stel­lungen von Be­sitz gibt, der, lo­gi­scher­weise, da Ka­pi­ta­lismus, un­gleich ver­teilt ist. D.h., dass Men­schen, aus Mangel oder da es Ihnen ein­ge­redet wurde, mehr be­sitzen zu müssen (Stich­wörter: An­sehen, Wer­bung usw.), dazu ge­trieben werden, sich über die „Be­sitz­rechte“ an­derer hinweg zu setzen. Und was macht der Staat? Er rea­giert mit Re­pres­sion gegen die, die von ihm und vom Ka­pi­ta­lismus in die „Il­le­ga­li­tät“ ge­trieben werden. An­statt die Pro­bleme, die durch das ka­pi­ta­lis­ti­sche Wirt­schaften ent­stehen, an­zu­gehen, be­straft er die, die als Ver­lierer_Innen aus diesem her­vor­gehen und na­tür­lich die, die ver­su­chen, die Ur­sa­chen kri­tisch zu hin­ter­fragen und zu über­winden. Wie wir oben be­schrieben haben, ist auch nichts an­deres von ihm zu er­warten.

Wir möchten auch noch einmal über Ihre so­ge­nannte Mehr­heit reden, die ja not­wendig sei, um Ver­än­de­rungen zu le­gi­ti­mieren. Mal davon ab­ge­sehen, dass, wie wir aus der Ver­gan­gen­heit ge­lernt haben müssten, die Mehr­heit nicht un­be­dingt Recht hat, möchten wir darauf ein­gehen, was die Mehr­heit in un­serer schönen De­mo­kratie zu sagen hat. Das geht recht schnell: die Bürger_Innen dürfen alle paar Jahre wählen, welche Partei das Sagen hat. Also die Partei oder Par­teien, die die Mehr­heit an Stimmen be­kommen, darf bzw. dürfen sagen, wie es zu laufen hat. Nur leider ver­treten diese Par­teien die In­ter­essen der Wähler_Innen nur be­dingt. Sie sind, als Ver­treter_Innen des Staates, von der Wirt­schaft be­ein­flusst. Die Wirt­schaft hat näm­lich die stärkste Lobby (In­ter­es­sen­ver­tre­tung). Lobbys sind aber auch nichts Böses. Jede_r die/der sich mit un­serem po­li­ti­schen System aus­ein­an­der­ge­setzt hat, wird wissen, dass diese zur po­li­ti­schen Ge­stal­tung dazu ge­hören und jede Grup­pie­rung das Recht hat, sich durch eine Lobby ver­treten zu lassen. Nur tritt hier das Pro­blem auf, dass nicht jede In­ter­es­sen­gruppe die glei­chen Res­sourcen hat, ihre An­liegen zu ver­treten. Die Pro­ble­matik und was dies alles mit dem Kon­flikt um Kom­mando Rhino zu tun hat, müsste klar sein.

Es müsste nun klar ge­worden sein, wieso es wichtig ist, die be­ste­henden Re­geln und Ver­hält­nisse zu hin­ter­fragen und wieso es ei­nige Men­schen für an­ge­bracht halten, dies auch ohne die Mehr­heit im Rücken zu tun.
Wir hoffen auch, dass klar ge­worden ist, dass wenn von ge­walt­samem Wi­der­stand ge­redet wird, auch die sys­te­ma­ti­sche Ge­walt des Staates, des Ka­pi­ta­lismus und der Po­lizei be­rück­sich­tigt werden muss… egal wie die/der Ein­zelne zu „ge­walt­sa­men“ Pro­test­formen steht, sollte dies bei der Be­ur­tei­lung der Ge­scheh­nisse immer be­rück­sich­tigt werden, um die Heu­chelei der Of­fi­zi­ellen und Me­dien zu durch­schauen.

Zum Ab­schluss möchten wir noch auf ei­nige Feh­ler­mel­dungen auf­merksam ma­chen, die zum größten Teil, wenn über­haupt, nur spär­lich richtig ge­stellt wurden: Der an­geb­lich ver­prü­gelte Pors­che­fahrer, die an­geb­lich mit Mo­lo­tov­cock­tail an­ge­grif­fene Feu­er­wehr und Po­lizei usw.. Ei­niges dazu zb. hier: links­unten.in­dy­media.org/de/node/44926

In diesem Sinne:
So­li­da­rität mit Kom­mando Rhino und allen au­to­nomen Plätzen welt­weit!
Für ein schönes, so­li­da­ri­sches und freies Leben aller, ohne Hier­ar­chie und Leis­tungs­zwang!
Gegen staat­liche und me­diale Hetze!
Gegen Staat und Ka­pi­ta­lismus!
Für die An­ar­chie!

Eure freund­li­chen An­ar­chisten_Innen des An­ar­chis­ti­schen Netz­werk Süd­west*

Ps.: Auf die Ver­lin­kung des am 05.08. in der Ba­di­schen Zei­tung ver­öf­fent­lichten Ar­tikel „Wie viele Frei­räume braucht die Ge­sell­schaft?“ von Thomas Hauser haben wir be­wusst ver­zichtet.

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die ortenauer kameraden und die krematorien des dritten reichs

oder wie der lokale obernazi aus einem graffiti und einem aufkleber einen „feigen Antifa-Übergriff“ konstruiert und sich damit einmal mehr der lächerlichkeit preisgibt.

anfang august wurde, wie auf dem nazi-blog „Freie Kräfte Ortenau“ zu lesen ist, die haustür eines bekannten nazis in offenburg mit dem spruch „wir kriegen euch alle – antifa“ und einem gegen-nazis-aufkleber verziert. dies ist sicher im zusammenhang mit der angekündigten nazi-veranstaltung am 22.10.2011 in offenburg zu sehen, aber auch mit den in letzter zeit zunehmenden nazi-vorfällen.

aus dieser richtigen, aber harmlosen aktion bastelt der autor nun einen „feigen Antifa-Übergriff auf Offenburger Kameraden“. ein filzstift und ein sticker „beschwören einen offenen Krieg herauf“. ist ihm vielleicht jetzt erst klar geworden, dass die wohnorte der lokalen nazis den antifaschist_innen bekannt sein dürften? wundert er sich, dass es auf die unzähligen provokationen auch antworten gibt? hat er die hosen voll?

jedenfalls hätten „die Zecken mal wieder gezeigt, welch geistes Kind sie eigentlich sind“. was das denn nun für ein geist sein soll, bleibt sein gut gehütetes geheimnis. aber wie jedEr im aufruf zur nazi-demo lesen kann, sind weiterführende und erhellende formulierungen nicht seine sache.

„Tja “liebe” Antifa! Eure Aktion ging wohl gehörig nach hinten los und war ein voller Schuss in den Ofen (da kommt ihr übrigends alle rein, wenn wir am Drücker sind)“.
genau wie seine geistigen väter im deutschen faschismus will er emanzipatorische menschen und politische gegner_innen umbringen und vernichten. genau wie seine geistigen väter würde er dafür gaskammern und krematorien benutzen. auch wenn er das in einem vermeintlich geistreichen und lustigen wortspiel versteckt, ist klar, was er mit „in den Ofen“ meint.

und genau darum müssen und werden wir  sie alle kriegen. weil die weltanschauung von faschisten und faschistinnen die existenz aller anderen menschen gefährdet. nichts anderes bedeutet diese ideologie.

und wenn wir sagen und schreiben „wir kriegen euch alle!“, dann meinen wir damit nicht, dass wir die nazis alle physisch vernichten wollen, sondern, dass wir sie im auge behalten, sie outen, sozial ächten und auf allen politischen und gesellschaftlichen ebenen bekämpfen werden, wo immer sie ihre braunen fressen zeigen werden.

genau so wird es auch am 22.10.2011 in offenburg geschehen: wir werden sie in die schranken verweisen.

nazis aufhalten.

(wer den nazi-artikel in seiner ganzen pracht lesen will: http://logr.org/freiekraefteortenau/?p=74. anonymisiertes surfen ist hier ratsam. oder ihr klickt das bild des screenshots an.)

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rhino rulz…

 

freiburg braucht mehr wagenplätze. die schattenparker sind voll, rhino quillt aus allen nähten und über 80 wägen stehen vereinzelt am straßenrand verteilt über ganz freiburg.

ein leben im wagen ist in deutschen städten oft eines auf dem präsentierteller. das gilt um so mehr für den akut räumungsbedrohten wagenplatz kommando rhino: umgeben von der vauban-allee zeigen die bewohner_innen des kunst-, kultur– und wagenkollektivs sich und ihre lebensweise der freiburger öffentlichkeit. das ist nicht nur eine not, sondern auch ein politisches statement, das das recht auf diese lebensweise einfordert.

dieses recht ist in deutschland nicht wirklich einheitlich geregelt: es gibt einen relativ großen ermessensspielraum. in vielen städten, wie z.b. tübingen oder karlsruhe, gibt es wagenplätze, deren existenz seit jahren gesichert ist u.a. weil die stadt ihren spielraum wohlwollend nutzt und nicht wie oberbürgermeister dieter salomon und seine büttel alles daran setzen, selbstverwaltete plätze zu illegalisieren.

als nicht-freiburger stößt es mich immer wieder vor den kopf, wie menschenverachtend der erste grüne ob deutschlands und seine fraktion mit anderen lebensentwürfen umgehen und es zeigt mir , wie wenig die farbe grün noch irgendeine bedeutung hat. als beispiel dafür seien folgende aussagen zitiert: so hatte salomon den schattenparker_innen vor einigen jahren geraten, doch nach spanien auszuwandern. seine fraktionskolleg_innen maria viethen, gerhard frey und tim simms schrieben in einem offenen brief an die unabhängige liste zum thema „rhino“: „wer versucht, lebensverhältnisse gegen den mainstream zu gestalten, muss immer damit rechnen, vom mainstream überrollt zu werden“. viethen und frey verraten damit nicht nur ihre eigene hausbesetzer_innenvergangenheit im freiburger dreisameck der 1980er jahre, sondern zeigen mit diesem satz auch deutlich wohin einen der gang durch die institutionen führt: in die fetten ärsche der machthaber_innen, in diesem fall in den fetten arsch salomons. und der satz zeigt uns mal wieder, dass die grünen schon lang zu dem geworden sind, was sie eigentlich mal verändern wollten. viethen, frey und simms sind korrumpiert, infiziert und sediert von dem bischen macht, das sie als stadträt_innen haben und merken dabei nicht einmal, dass sie eine gleichschaltung der lebensentwürfe befürworten und eine bestrafung von abweichler_innen durch die mehrheit für legitim halten: democrazy at it’s best!

die wagenszene in freiburg gibt aber nicht auf: viele aktionen laufen seit tagen, um das thema rhino und wagenplätze in die öffentlichkeit zu tragen. demos, paraden, hausbesetzungen und andere veranstaltungen. solidarisch mit ihr sind unzählige gruppen, projekte und menschen (nicht nur) aus freiburg.

der kampf um rhino ist auch ein symbol für den zustand unserer gesellschaft. der mainstream will meist nichts wissen von alternativen (die es ja nicht zu geben hat…). alternativen verängstigen. sie sind fremd, neu und bedeuten das eigene leben reflektieren zu müssen. oder zumindest die andersartigkeit ertragen zu müssen. das ist unzumutbar für familie mustermann. eine alternative, die sich auch noch dem konsumwahn zu entziehen versucht und somit wenig bis nichts zum wachstum beiträgt, muss erst recht verhindert werden.

„wir wollen zwar öko-strom, aber der größte flachbildfernseher muss es schon sein, um die wm genießen zu können.“

in diesem sinne: solidarität mit dem wagenplatz rhino! …dead or alive!

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sich fügen heißt lügen…

 

heute vor 77 jahren wurde der anarchist und schriftsteller erich mühsam von ss-schergen im konzentrationslager oranienburg ermordet.

mühsam wird 1878 in berlin als sohn jüdischer eltern geboren. seine kindheit und jugend verbringt er in lübeck, wo er schon früh erste geschichten verfasst und im alter von 18 jahren wegen „sozialdemokratischer umtriebe“ vom gymnasium verwiesen wird.

anfang des neuen jahrhunderts flieht er vor der bürgerlichen enge seines elternhauses nach berlin, schreibt und veröffentlicht erste texte und lernt dort den anarchisten gustav landauer kennen, der für ihn eine art mentor werden sollte. er kommt in kontakt zu anarchistischen gruppen und schreibt für die anarchistische zeitschrift „der arme teufel“. schon bald steht er unter polizeilicher bewachung: seine politische agitation ist den behörden ein dorn im auge.

ein bewegtes leben nimmt seinen lauf: auf der einen seite ist er ein hedonistischer bohemien, auf der anderen ein entschlossener anarchist und revolutionär, der ständig in konflikt mit den gesetzen der jeweiligen regierung gerät: vor und während dem ersten weltkrieg mit dem kaiserreich wilhelm des zweiten und danach mit der bürgerlichen regierung der weimarer republik. parallel dazu schreibt er theaterstücke und gedichte.

im juli 1919 wird er zu 15 jahren festungshaft wegen hochverrat verurteilt: mühsam war rege beteiligt an der ausrufung und gründung der ersten münchner räterepublik. in haft schreibt er weiter theaterstücke und andere texte.

1924 wird er auf bewährung entlassen und zieht abermals nach berlin, wo er ungebrochen seine agitation wieder aufnimmt, für die rote hilfe deutschland vorträge hält, für politische zeitschriften texte verfasst und den kampf gegen den immer stärker aufkommenden faschismus vorantreibt.

am 28. februar 1933, vier wochen nach der machtübernahme durch die nsdap unter adolf hitler, wird er von der sa verhaftet.

erich mühsam ist in verschiedenen kz’s inhaftiert und wird schließlich in der nacht auf den 10. juli 1934 von einem ss-kommando im kz oranienburg brutal ermordet.

er hat sich nie gefügt…

[erich mühsams texte sind auch heute noch lesenswert, sowohl seine politischen wie auch seine unpolitischen. sehr hörenswert sind auch die vertonungen von mühsam-gedichten durch gregor hause. gerade hat der berliner verbrecher verlag die herausgabe mühsams taschenbücher gestartet. die reihe ist auf 15 bände angelegt.
linx: mühsam.de, erich-mühsam.de, wikipedia, anarchopedia ]

erich mühsam 1878 - 1934

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the pope is coming home…

joseph ratzinger auf tour durch deutschland … dazu eine kleine reiselektüre

als der deutsche kardinal joseph ratzinger im april 2005 zum oberhaupt aller katholik_innen bestimmt wurde, titelte die bild-zeitung siegestrunken „wir sind papst!“.

fortan war und ist er, nach lesart der katholischen kirche papst benedikt XVI, bischof von rom, stellvertreter jesu christi, nachfolger des apostelfürsten, oberhaupt der universalen kirche, primas von italien, erzbischof und metropolit der kirchenprovinz rom, souverän des staates der vatikanstadt und diener der diener gottes.

ratzinger wird 1927 in den mief einer bayerischen kleinstadt, als sohn eines polizisten und einer köchin, hineingeboren. mit 14 jahren, im jahr 1941, ereilt ihn wie alle anderen jungen diesen alters die (zwangs-) mitgliedschaft in die hitlerjugend. der erzkonservative naziversteher kardinal michael von faulhaber, ein freund der familie und leiter des priesterseminars sankt michael, ist bis zum abitur sein mentor und übt großen einfluss auf ihn aus. in den letzten monaten des zweiten weltkrieges wird ratzinger als 18jähriger in der flugabwehr an der heimatfront im kampf für’s vaterland eingesetzt. nazigreuel, besonders die der ss, die in seiner unmittelbaren umgebung stattfanden, blendet er in den kommenden jahrzehnten in seinen schriftlichen erinnerungen aus. er sieht sich von einem engel vor den gefahren des krieges beschützt. 1951 wird ratzinger von faulhaber zum priester geweiht.

einerseits reformorientiert, andererseits an konservativen grundhaltungen der katholischen kirche festhaltend, machte er im klerus karriere: 1976 päpstlicher ehrenprälat, 1977 erzbischof von münchen und freising und kardinalprister, 1981 präfekt der kongregation für die glaubenslehre (nachfolgeinstitution der heiligen inquisition), 1993 kardinalbischof der suburbikarischen diozöse velletri-segni, 1998 subdekan des kardinalskollegiums, 2002 kardinaldekan und kardinalbischof von ostia und schließlich 2005 papst.

in der strikten hierarchie der römisch-katholischen kirche steht der papst an oberster stelle: er ist der nachfolger von apostel petrus und der irdische stellvertreter von jesus christus. er ist das oberhaupt von ca 1,2 milliarden katholik_innen und hat damit einen bedeutenden einfluss auf das leben und denken dieser menschen. auch wenn hier in deutschland sein einfluss aufgrund der eher pluralistischen gesellschaft wahrscheinlich weniger groß ist, darf nicht vergessen werden, dass in den meisten teilen der welt religion im allgemeinen einen weit größeren stellenwert im leben der menschen hat. in deutschland halten sich die nichtreligiösen menschen mit jeweils den römisch-katholischen und evangelischen ungefähr die waage, während zb in portugal und griechenland ca 90 % an den christengott glauben. ähnlich sieht es in vielen afrikanischen und amerikanischen ländern aus. so ist es kein wunder, dass sich gerade in den ländern des trikont im zusammenspiel mit der armut der hi-virus stark ausbreiten konnte und dies ungebremst noch immer tut: der einzig wirksame schutz gegen ihn und die von ihm ausgelöste immunschwächekrankheit aids ist die benutzung von kondomen beim geschlechtsverkehr, welche aber vom jetzigen papst und seinen vorgängern strikt abgelehnt werden und das so auch propagiert wird. schuld daran ist die menschenfeindliche und verklemmte sexualmoral der römisch-katholischen kirche, die sex nur in einer von gott gesegneten ehe und zum zweck der kinderzeugung vorsieht. keuschheit ist angesagt. eine weltfremde moral, die millionen leben auf dem gewissen hat.

überhaupt ist die einmischung in die sexualität der menschen eines der liebsten steckenpferde ratzingers. er sieht die lebenslange ehe zwischen mann und frau als sakrament der schöpfung. die geschlechterdiskussion sieht er als emanzipation des menschen von gottes schöpfung, wobei das wort „emanzipation“ hier keinen positiven klang hat, sondern für ihn als abwendung von gott negativ belegt ist. nur gott dürfe festlegen, wer mann und wer frau sei. in gleichgeschlechtlichen gemeinschaften und transgender-menschen sieht er die „selbstzerstörung des menschen“ und die „zerstörung von gottes werk selbst“. ganz konsequent hat ratzinger den an den vatikan entsandten französischen botschafter jean-loup kuhn-delforge abgelehnt, da dieser offen seine homosexualität lebt. auch den argentinischen botschafter lehnte er ab, weil dieser sich von seiner frau scheiden ließ.

es gibt viele texte zum thema sexualität, in denen ratzinger und andere vertreter des klerus, den menschen genaue richtlinien und regeln vorgeben: vom vorehelichen leben, über die ehe bis hin zur sexualerziehung der kinder. ein mann und seine kirchenfunktionäre, die der zwischenmenschlichen sexualität abgeschworen haben und den zölibat leben, sind sexual- und erziehungsexperten.

experten sind viele von ratzingers unterhirten zumindest was sexuellen missbrauch von kindern und jugendlichen angeht. immer wieder kommt es zur aufdeckung von fällen, in denen priester und andere kirchenangestellte schwerer sexueller missbrauch vorgeworfen und nachgewiesen wird. der umgang der betroffenen gemeinden damit reicht von offen und ehrlich bis hin zum verschweigen-wollen. ratzinger spricht das problem immerhin an und trifft sich auch regelmäßig mit missbrauchsopfern. zu den fällen in deutschland schweigt er sich meist aus. ansonsten befürchtet er in den vorfällen einen imageschaden für seine kirche.

sexueller missbrauch ist kein spezifisches problem der katholischen kirche. die meisten kinder werden in der eigenen familie missbraucht. aber eine institution, die offiziell so viel wert auf moral, nächstenliebe und gerechtigkeit legt und dies mit der universellen liebe eines gottes begründet, muss sich auch an ihren ansprüchen messen lassen: hier versagt sie auf ganzer linie.

ganz nebenbei liegt das schutzalter von kindern im vatikan bei 12 jahren. das heißt konkret, dass es dort erwachsenen erlaubt ist, mit kindern ab 12 jahren sex zu haben.

nicht nur von menschen außerhalb der katholischen kirche, sondern auch von immer mehr kirchenmitgliedern und theologen wird eine abschaffung des zölibats gefordert. ein kausaler zusammenhang zwischen dem leben im zölibat und der neigung zu sexuellem missbrauch von kindern und jugendlichen ist nicht nachgewiesen. zu einem erfüllten leben gehört aber das offene ausleben der eigenen sexualität.

stark in die kritik geriet ratzinger anfang 2009, als er die exkommunikation von bischof richard williamson aus england und drei weiteren bischöfen der homophoben, ultrakonservativen pius-bruderschaft aufhob. williamson wurde bekannt für seine leugnung des holocausts. der vatikan behauptete, erst später von williamsons äußerungen erfahren zu haben. die katholische kirche schwedens musste aber zugeben, dass sie den vatikan schon zwei monate vorher über die wirren geschichtsauslegungen des irren bischofs informiert hatte. ratzingers vatikan strebt nach wie vor eine wiederannäherung mit der bruderschaft an.

ratzinger ist als papst auch staatsmann, nämlich das auf lebenszeit gewählte staatsoberhaupt der vatikanstadt in rom. ein staat im staat italien mitten in der eu, aber kein mitglied derselben. er herrscht als könig über sein kleines reich, in dem es , wen wundert es, ganz profan auch ums geld geht. das hauseigene institut für die religiösen werke ( istituto per le opere di religione, kurz ior ), auch vatikanbank genannt, kümmert sich um die allzu weltlichen dinge wie aktien, immobilien und geldwäsche. der letzteren will ratzinger mit neuen, strengeren richtlinien beikommen. ob er da, auch wenn er stellvetreter christi sein mag, erfolg haben wird (oder will)? es darf gezweifelt werden: it’s capitalism, baby. erst kürzlich machte folgendes dem hirten und seinen schäfchen die wunderbare welt der freien marktwirtschaft deutlich: die zwei ältesten deutschen katholischen banken hatten aktien gekauft von rüstungsfirmen und pharmaherstellern, zu deren repertoire auch die pille gehört.

ratzinger steht auch für eine kirche, die sich nach wie vor als einzig wahre versteht, auch wenn sie vordergründig den dialog mit anderen religionen sucht. dieser alleinanspruch war in den vergangenen jahrhunderten der grund für viele greueltaten und menschenfeindliche ansichten, wie zb die inquisition, die kreuzzüge, die hexenverfolgung, den mittelalterlichen anti-judaismus, die missionierung „neu entdeckter“ länder und kontinente, die unterdrückung der frau und eine bis heute anhaltende homophobie.

die caritas, der wohlfahrtsverband der katholischen kirche in deutschland, betreibt tausende von sozialen einrichtungen und beschäftigt dort ca 500 000 menschen. die katholische kirche ist dadurch eine der größten arbeitgeberinnen in deutschland und hat zusammen mit der evangelischen diakonie ein eigenes arbeitsrecht, den sogenannten „dritten weg“. auf diesem weg finden sich kein streikrecht, keine aussperrungen oder andere formen des arbeitskampfes. auf der einen seite steht die caritas als wirtschaftende institution mitten im kapitalismus, auf der anderen verweigert sie den lohnabhängigen menschen wirkungsvollere mittel zum erkämpfen besserer arbeitsbedingungen. und diese verschlechtern sich auch in der rosa wohlfühlwelt der knuffigen kirchen: immer weniger mitarbeiter_innen auf immer mehr zu betreuende menschen, real sinkende löhne, kaum unbefristete verträge, leiharbeit, längere arbeitszeiten, mehr überstunden, einsatz von ein-euro-jobber_innen. zwar betont und unterstreicht ratzinger die bedeutung und wichtigkeit von gewerkschaften ( er beruft sich dabei auf die enzyklika ‚laborem exercens‘ seines vorgängers wojtyla. ), aber getan hat er nichts dafür. die würde der arbeit ist eine hohle phrase, die vor der eigenen tür halt macht. dass diese tür eine im kapitalismus ist, entschuldigt nicht das nichthandeln.

organisierte religion, kombiniert mit einem ausgeprägten missionseifer ist gefährlich. in ihrer wesensart gleicht sie einem dikatorischen regime, das keine opposition zulassen kann, da in ihr immer der keim der revolte steckt. auch wenn die katholische kirche sich heute offiziell nicht in politik einmischt, tut sie das natürlich im hintergrund immer wieder. ganz konkret bei entscheidungen zu abtreibungsgesetzen und in der sozialpolitik und unterschwellig, im hintergrund durch gesellschaftliche verflechtungen zwischen parteien, arbeitgeber_innen und kirchen.

für einen nichtreligiösen menschen und anarchisten ist es schwer zu verstehen, was menschen an glaubensgemeinschaften bindet. das vage versprechen einer belohnung nach dem tod, der unbedingte gehorsam und die strikte hierarchie stoßen ab und machen misstrauisch. begriffe der katholischen kirche wie demut, leiden, schuld, sühne, keuschheit, beichte, gebote, himmel, hölle und teufel zeichnen ein bild von ständiger dienerschaft, kontrolle und aufgabe der eigenen person. das wort nächstenliebe steht allein da. aber dafür braucht es keine kirche oder einen gott.

ein mensch, der für sich in anspruch nimmt, der oberste fürsprecher dieser dinge zu sein, weckt widerstandsgefühle und den willen diese zu äußern.

parallel dazu steht eine radikale religionskritik: das infragestellen und das bestreiten der existenz eines höheren wesens, eines weltenschöpfers. das sich-vertrösten-lassen auf ein leben nach dem tod als belohnung für die irdischen mühen steht der emanzipation der menschheit von herrschaft und unterdrückung im weg. die kirche und der kaiser gehen hand in hand. das war schon immmer so. und ob die kirche ein tempel, eine synagoge oder eine moschee ist, spielt dabei keine rolle.

moral und ethik dürfen nicht zentral von sich auf alte schriften und gebote berufenden institutionen verwaltet werden mit dem anspruch der immerwährenden gültigkeit, sondern müssen dem wandel der zeit unterliegen und von uns menschen ständig hinterfragt und neu diskutiert werden.

wenn im september 2011 ratzinger, aka benedikt xvi, zu seinen schäfchen kommt, kommen wir auch. und wir werden nicht beten.

protest- und widerstandslinx:
freiburg ohne papst
what the fuck
der papst kommt

 


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