anarchismus! eine einleitung: zweite auflage erschienen

Anarchismus - eine Einleitung Cover der zweiten Auflagedie 10.000 stück der ersten auflage von „Anarchismus! Eine Einleitung“ des anarchistischen netzwerks südwest* gingen weg wie warme semmeln und in den letzten monaten war es echt schwer an restposten ranzukommen.

„Wir haben uns viele Gedanken darüber gemacht, wie wir das Thema Anarchismus treffend, aber nicht zu trocken und vor allem für jede*n verständlich behandeln können. Und aus diesen Gedanken ist die Broschüre “Anarchismus! Eine Einleitung.” entstanden. Sicher wäre das alles noch sehr viel ausführlicher gegangen, aber wir wollten einen ersten Einblick in den Anarchismus bieten und auch mal mit alten Vorurteilen aufräumen.“ – anarchistisches netzwerk südwest*

endlich gibt es eine aktualisierte zweitauflage, wieder in einer 10.000er-auflage. zu bekommen ist die broschüre kostenlos (gegen porto) bei black mosquito oder bei der anarchistischen gruppe in deiner nachbarschaft und in jedem gut sortierten infoladen.

als pdf könnt ihr sie hier herunterladen und online könnt ihr sie hier lesen.

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protest gegen offenburger weihnachtszirkus

am sonntag, den 04.01.2015, protestierten 50 tierrechtler*innen gegen die haltung, zurschaustellung und ausbeutung von tieren im offenburger weihnachtszirkus.

animal human liberationseit jahren gastiert um die weihnachtszeit in offenburg ein sogenannter weihnachtscircus und bietet ein umfangreiches unterhaltungsprogramm. leider auch immer mit tieren im programm. in diesem jahr lief das ganze unter der regie des bekannten zirkusunternehmens charles knie und bot neben akrobatik, clownerie, jonglage, ballett und musik eben auch nummern mit tigern, trampeltieren, zebras, nandus, lamas, känguruhs, rindern und pferden. grund genug für lokale aktivist*innen an zwei tagen jeweils vor der vormittags- und nachmittagsvorstellung gegen die tierausbeutung in zirkussen zu demonstrieren. initiiert wurde die aktion von der ortenauer ariwa-gruppe .

mit flyern, transparenten und plakaten machten sie auf die quälerische haltung der tiere aufmerksam. viele zirkusbesucher*innen nahmen das informationsmaterial an, ließen sich aber nicht davon abhalten, die vorstellung dennoch zu besuchen. manche leute reagierten aggressiv, laut und beleidigend auf das engagement der aktivist*innen. zu körperlichen übergriffen kam es nicht. einige passant*innen spendeten uns beifall, hupten oder zeigten daumen nach oben.

immer mehr städte ringen sich zu einem auftrittsverbot von zirkussen mit (wild-)tieren auf ihren flächen durch, so auch baden-baden. in offenburg scheinen die grünen einen entsprechenden antrag im gemeinderat gestellt zu haben.

die rechte der tiere werden weder durch verbote noch von den grünen (ich sag nur „veggie day“…) erkämpft. überall, wo tiere gequält, ausgebeutet und ermordet werden müssen wir als veganer*innen und tierrechtler*innen immer wieder präsent sein und uns für ein ende dieser zustände einsetzen. das ist ein langer weg, der oft genug noch zu jedem tierausbeutenden zirkus und zoo führen wird und zu jeder widerlichen jagd- und angelmesse (demnächst in dieser stadt…).

gegen die ausbeutung der tiere.

bis jeder käfig leer ist.

 

 

 

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„…vollidiotisierte Kniebiesler…“

alle rassistenich hab ja schon ein paar mal darüber nachgedacht, etwas über das phänomen „pegida“ zu schreiben. genug hass dazu hätte ich. aber irgendwie war mir dann immer meine zeit dafür zu schade.

nun lese ich ja ab und an (naja, täglich…) die taz, denn manchmal steht da ja doch was schlaues drin. und in der heutigen ausgabe hat josef winkler mir die arbeit abgenommen und eine exzellente, tiefschürfende und ausgewogene kolumne über pedida geschrieben. die will ich euch nicht vorenthalten, habe sie auf taz.de einfach geklaut und faul hier reinkopiert. winkler spricht mir aus dem herzen. danke. [„kniebiesler“ ist übrigens ein bayrisches schimpfwort und bedeutet so viel wie „halbstarker oder unreifer bursche“]

Das Letzte

von Josef Winkler

Heute ist Ängsteernstnehmen modern. Darf man über Pegida trotzdem noch Witze machen? Nur, wenn einem noch welche einfallen.

Ich weiß nicht: Darf man jetzt Witze über Pegida machen, oder fühlen die sich dann verunglimpft und verdoppeln sich aus lauter Trotz gleich wieder? Es heißt ja, dass man die Sorgen und Ängste dieser Bürger ernst nehmen muss. Oder war’s wahrnehmen? Annehmen? Jedenfalls irgend so was Sozpäd-„reden wir darüber“-Mäßiges, wie bei einem pubertierenden Teenager, bei dem man Angst hat, ihm allzu entschieden mit Vernunft zu kommen, weil er sonst noch komplett austickt und die Bude anzündet, in den Briefkasten scheißt oder sich was antut. Weil Pubertierende ja kein Gehirn im landläufigen Sinn haben.

Ach, Pegida. Mich regt da ja der Name schon auf. Aber was erwartet man von einer „Bewegung“ aus einem Land, in dem 60 Prozent der Bevölkerung Ronny, Peggy oder Mandy heißen. Die „Pegida-Bewegung“ – das klingt so ostig-medizinisch und, natürlich denkt man sofort an Darmbewegung und mit unschönem Geräusch verbundene Ausscheidungen, und so falsch liegt man da ja auch nicht. Dresden, Hauptstadt der Peristaltik.

Klar, früher hätte man gesagt: Jammer-Ossis, macht mal halblang! Grad mal aus der Glotze wissen, wie eine Moschee aussieht, und zwar schon mal läuten hören, dass es im Islam kein Christkind gibt und die Nase abgeschnitten wird, wenn man die Burka falschrum anzieht, aber freilich nicht in unserem Viertel, weil da gibt’s ja gar keine Muslime – aber pompös auf Bürgerrechtler machen gegen die „Islamisierung des Abendlandes“, als könnte der Islam was dafür, dass ihr zu doof wart, irgendwas aus den ca. 536 Fantastilliarden Aufbaukohle zu machen, die wir seit 25 Jahren zu euch rüberbuttern. Hätte man früher gesagt. Kann man heute nicht mehr so sagen. Heute ist Ängsteernstnehmen modern. Das sind nicht alles Nazis, werden wir ermahnt.

Wobei klar ist: Die Nazis waren ja auch nicht alle Nazis. Viele von denen waren zum Beispiel nur kackblöde Idioten. Oder verdummte Saudeppen. Auch vollidiotisierte Kniebiesler, gefühlskalte Wixer, empathiefreie Drecksäcke, frustrierte armselige Würstchen, gewalttätige Arschlöcher, selbstgerecht-zynische Brunzkacheln waren dabei, damals, und einem ähnlich breiten Spektrum menschlicher Dummbratzigkeit bietet jetzt eben Pegida ein Dach.

Man würde am liebsten…

Und da kann es dann schon reichen, ein deppertes Arschloch zu sein, und wenn man dann auf der Pegida-Demo rumsteht und vielleicht gar noch seine moosdoofe Fresse aufreißt, um einen kretinoiden Slogan zu plärren, den man sich von dem rechten Dreckspack, das die Party hier organisiert, ins Hirn hat scheißen lassen, dann könnt’s schon passieren, dass man für einen Nazi gehalten wird. Und wenn dann einer sagt, schau mal, Nazis!, dann tun sie verunglimpft und singen Weihnachtslieder, dass man am liebsten …

Ach, wenn ich überlege, mir fallen eh keine Witze über Pegida ein. Ich weiß auch, dass es unfair ist, die ganze Scheiße als ostdeutsches Phänomen darzustellen, aber hey … Es muss jetzt auch wirklich mal eine Ruhe sein. Dies war meine letzte Wortklauberei-Kolumne. Ich bedanke mir sehr fürs Lesen all die Zeit und wünsche das Beste fürs neue Jahr und weit darüber hinaus. Servus.

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im heimatmuseum: „Auf Leben und Tod – Kehl und der Erste Weltkrieg“

der erste weltkrieg feiert seinen hundertsten geburtstag und alle feiern mit. so auch das städtische hanauer museum in kehl. zuletzt hatte ich dieses als grundschüler auf einem ausflug besucht. der provinzmief hielt mich seither von einem erneuten besuch ab. aber da auch ich gerne geburtstag feiere lies ich es mir nicht nehmen, den mief zu ignorieren und einen zweiten versuch zu starten. ich wurde positiv überrascht.

die ausstellung ist in zwei bereiche und räume unterteilt: „heimat“ und „front“. sehe ich mal von der eher enttäuschenden installation der künstlerin ilse teipelke zum thema „front“ ab, ist die ausstellung, die seit dem 26.06.2014 zu sehen ist, gelungen, auch weil sie für mich zwischen den zeilen, eher hintergründig einen hauch von antimilitarismus atmet und eine kritik am patriotismus übt. vielleicht interpretiere ich auch zuviel hinein: vielleicht würde ein*e gestandene*r nazi oder vaterlandsgesell*in das genau anders herum deuten. aber tafeln mit überschriften wie „die langen leben der generäle“, die aufzeigen, dass die generäle durch die bank sehr alt wurden, die normalen soldaten aber allesamt jung und brutal an den fronten zu tode kamen, scheinen mir doch eine kritik am militarismus auszustrahlen. ein anderes schild würdigt erich maria remarque und seinen roman „im westen nichts neues“, der jahre später von den nationalsozialist*innen zu hauf verbrannt wurde.

interessant für mich war an der ausstellung natürlich ihr bezug auf kehl und die umliegenden gemeinden. viele der auftauchenden familiennamen sind mir geläufig und mit den urenkeln der damaligen protagonist*innen ging ich wohl teilweise zur schule.

der „heimat“-raum ist ganz stark den völlig absurden und skurilen „patriotika“ gewidmet. das sind gegenstände die ein patriotisches „branding“ tragen. hier findet sich wirklich so ziemlich jeder alltagsgegenstand, von der schnupftabakdose mit eisernem kreuz und „gott mit uns“ über essteller mit soldatenromantik bis hin zu weihnachtsbaumschmuck in form von 42-mm-granaten der „dicken bertha„. nahezu jedes unternehmen beteiligte sich am patriotischen irrsinn und das sicher nicht nur, weil es sich davon mehr profit erhoffte. parallel dazu fand eine säuberung der deutschen sprache statt: unzählige nichtdeutschsprachige markennamen wurden patriotisiert. das wurde dann im stil von „aus raider wird twix“ beworben. diese lustigen sprachpurist*innen gab es also schon damals. die patriotisierung war allumfassend.

sehr spannend und informativ sind die auszüge aus dem tagebuch des kehlers matthias nückles, der aus der sicht eines einfachen menschen beschreibt, wie sich der alltag verändert und der krieg immer näher rückt. schließlich kommt sogar gegen ende des krieges die revolution nach kehl. nückles beschreibt dies in drei akten (siehe fotos 8., 9. und 10.). dass es in kehl einen arbeiter- und soldatenrat gab, war mir echt neu.

auf einem großformatigen bild ist der damalige kaiser wilhem II (der verkackte kriegstreiber) mit gesenktem kopf vor einem grab eines gefallenen soldaten zu sehen. er wird mit den worten „Ich habe es nicht gewollt.“ zitiert. jahre später sollte der glühende antisemit in einem brief an seinen amerikanischen freund pouitney bigelow, der ein großer verehrer hitlers und mussolinis war, folgenden satz schreiben: „Die Presse, die Juden und Mücken sind eine Pest, von der sich die Menschheit so oder so befreien muß – I believe the best would be gas [„ich glaube, gas wäre die beste lösung“; nigra].“

die ausstellung ist noch bis zum 11.01.2015 zu sehen. hingehen, lachen und weinen.

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neuer öffentlicher schlüssel

hier findet ihr meinen neuen öffentlichen schlüssel.

der fingerabdruck lautet E1D4 35A0 AE63 C52E 7079 DD7C 4238 4A07 C1AD FC10

auf emailselfdefense findet ihr aktuelle anleitungen zur verschlüsselten e-mail-kommunikation für gnu/linux, windows und mac.

gnupg-infographic

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[zum vergrößern, anklicken]

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bücher lesen: die große entwertung – warum spekulation und staatsverschuldung nicht die ursache der krise ist

endlich! nach ca. sechs monaten habe ich das buch von ernst lohoff und norbert trenkle durch. ich war mehrmals kurz davor, es für immer zur seite zu legen. nicht weil es scheiße wäre, sondern weil es für mich sehr anstrengend zu lesen war, da ich in dieser materie nicht so bewandert bin und oft lange nachdenken muss, bis ich einen sachverhalt verstanden habe und ihn einordnen kann. aber mein durchhaltevermögen hat sich gelohnt und mein verständis von der dynamik des kapitalismus und seiner krisen hat sich vertieft.

seit 2008 die große weltwirtschaftskrise ungebändigt durch die länder tobt, ist kapitalismuskritik schwer angesagt und quer durch die gesellschaft machen sich viele leute gedanken darüber, was hier falsch läuft und wie wir das ändern können. viele landen schnell dabei, gierige manager*innen, die banken und die konzerne für alles übel dieser welt verantwortlich zu machen. für mich sind bankenchef*innen und konzernbosse auch keine sympathieträger*innen. oftmals sind sie moralisch und ethisch völlig am boden und klar lösen sie mit ihren geschäften viel leid in der welt aus. aber eben nur, weil sie nach den regeln des kapitalismus spielen. der fehler liegt im system, und nicht in seinen teilchen.

die beiden autoren lohoff und trenkle breiten diese erkenntnis in 300 seiten aus, gehen dabei ins detail und setzen die derzeitigen krisen in einen historischen und theoretischen zusammenhang. sie zeigen minutiös, wie es zum crash kommen musste und bereiten die leser*innenschaft darauf vor, dass die nächste sich schon anbahnt.

besonders interessant und erhellend fand ich die beschreibung der transformation von der fordistischen ära zum derzeitigen finanzindustriellen kapitalismus. zwar ist der kapitalismus schon um einiges älter (ulrike herrmann siedelt seine entstehung in ihrem buch „der sieg des kapitals“ im jahre 1760 in england an), aber erst im fordistischen nachkriegsboom setzte das ein, was wir heute die „durchkapitalisierung“ der (welt-)gesellschaft nennen: alles wurde dem wachstumszwang und somit der kapitalistischen reichtumsform unterworfen. die durchkapitalisierung bescherte den industrieländern einen nie erahnten wachstum, der bis in die 1970er jahre anhielt. hier kam es dann zur nächsten strukturkrise, die aber durch die reaganomics, die privatisierungswelle, staatliche eingriffe in die wirtschaft (wir nennen das heute neoliberalismus) abgefedert wurde und in eine völlig durchgeknallte entfesselung von spekulation und kredit mündete. das verhältnis von fungierendem (also produktivem) und fiktivem (also auf in der zukunft erwarteten gewinn gerichtetes) kapital kehrte sich um, die finanzindustrie blähte sich ins unermessliche auf und konnte und kann nur durch immer mehr kredite am platzen gehindert werden. dieser inverse (also vertauschte) kapitalismus ist der heutige, fragile zustand unserer wirtschaft.

im epilog stellt das buch die these „diese gesellschaft ist zu reich für den kapitalismus“ in den raum und macht aber auch klar, dass das wirtschaften im real existierenden sozialismus, also die planwirtschaft, keine alternative war, da es, wie der westliche kapitalismus auch, sich immer auf ware, wert und abstrakte arbeit bezogen hat. dieser gescheiterte versuch zeigte zumindest eins deutlich, nämlich dass der kapitalismus und die marktwirtschaft untrennbar miteinander verbunden sind. lohoff und trenkle forden von einer zukünftigen wirtschaftsform „neue Formen und Verfahren der gesellschaftlichen Selbstorganisation und -verwaltung“, „die sich direkt auf die stoffliche Reichtumsproduktion beziehen“, abseits von profit und wachstum.

das buch endet mit den worten

Der liberale Urmythos, die kapitalistische Produktionsweise würde „das größte Glück der größten Zahl“ (Jeremy Bentham) garantieren, war immer schon eine grausame Verhöhnung der unermesslichen Opfer, die diese gefordert hat; […] Ein gutes Leben für alle kann es nur jenseits der abstarkten Reichtumsform geben. Es gibt nur eine Alternative zur katastrophischen Entwertung des Kapitals: die emanzipative Ent-Wertung der gesellschaftlichen Reichtumsproduktion.

vielleicht bin ich ja bald soweit, mich an die mutter aller bücher über den kapitalismus zu wagen, das kapital von karl marx und friedrich engels…es steht verstaubt im bücherregal.

die große entwertungdie große entwertung – warum spekulation und staatsverschuldung nicht die ursache der krise ist
von ernst lohoff und norbert trenkle (gruppe kisis)
unrast verlag
18 €
isbn: 978-3-89771-495-3

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aktion gegen pelzverkauf in offenburg

eine kleine gruppe tierrechtsaktivist*innen und veganer*innen führte heute eine erste aktion gegen den verkauf von jacken und mänteln mit pelzbesatz in der offenburger innenstadt durch.

hand undpfotedie sich in der fußgänger*innenzone  gegenüberliegenden modehäuser zinser und mara heckmann bieten ein breites sortiment von kleidungsstücken mit pelzbesatz an. die modehaus zinser gmbh & co kg ist nicht zum ersten mal ziel solcher aktionen. schon 2013 und 2012 führten tierrechtsaktivist*innen z.b. in tübingen aktionen gegen die mini-kette durch, um auf die grausamen machenschaften der pelzindustrie aufmerksam zu machen und das modehaus letztendlich dazu zu bewegen, pelz aus seinem sortiment zu nehmen. leider bisher vergeblich.

hatte die offenburger filiale bis jetzt ruhe, änderte sich dies heute mit dieser ersten öffentlichkeitswirksamen aktion während dem offenburger wochenmarkt. es wurden direkt vor den modehäusern flyer verteilt, passant*innen direkt angesprochen und mit einem transparent („pelz ist untragbar“) der kälte getrotzt.  die reaktionen waren sehr unterschiedlich, von unverholener ablehnung, lautem auflachen, über leise gegrummelter zustimmung bis hin zu interessiertem austausch mit den aktivist*innen. der filialleiter marcus plugge versuchte zu beschwichtigen: es seien noch ca. 60 stücke mit echtpelz auf lager. ob man jeden modetrend mitgehen müsse (hier ist wohl der echtpelz gemeint; nigra) sei zu prüfen und werde in ihrem haus auch diskutiert.

until evers cage is empty. wir kommen wieder…

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utopien vor der haustür: die anarchistische initiative ortenau stellt (nicht nur) lokale projekte vor

a-garten Veranstaltungsmarathon im November: Gegen den Strom – selbstbestimmtes Leben Jenseits von Profit und Ausbeutung

In unserer Vortrags- und Filmreihe wollen wir euch verschiedene Projekte vorstellen, in denen zusammen gelebt, gearbeitet und Neues geschaffen wird, möglichst ohne Hierarchie, Leistungsdruck und Konkurrenzkampf. Diese Projekte basieren auf Ideen, durch die die Welt zu einer anderen – vielleicht sogar einer besseren – verändert werden kann. Dafür gibt es kein Patentrezept. Jedes Projekt ist einzigartig und versucht den Widrigkeiten der kapitalistischen Wirklichkeit auf seine Art zu begegnen.

Wir wollen euch mit der Unterstützung von Referent*innen und Filmen zu einer Reise gegen den Strom einladen.

Veranstaltungstermine:

• Cecosesola – Film: Di, 04.11.14, 19:30 Uhr
• Gemeinwohl-Ökonomie: Do, 06.11.14, 19:30 Uhr
• Solidarische Landwirtschaft Ortenau: Di, 11.11.14, 19:30 Uhr
• Repaiercafé Offenburg: Do, 13.11.14, 19:30 Uhr
• Druckereiwerkstatt Mühle Renchen: Di, 18.11.14, 19:30 Uhr
• Steffi Bleibt! – Film: Do, 20.11.14, 19:30 Uhr
• Freie Software Gruppe Ortenau: Di, 25.11.14, 19:30 Uhr
• In Transition 2.0 – Film: Do, 27.11.14, 19:30 Uhr

Cecosesola – Gelebte Utopie einer Kooperative in Venezuela – Di, 04.11.14, 19:30 Uhr – Filmvorführung
Cecosesola ist ein hierarchiefreier, solidarischer Verbund von Genossenschaften in Venezuela, mit dem Schwerpunkt auf Anbau und Vertrieb von Lebensmitteln sowie Gesundheitsversorgung. Die Kooperative wurde 1967 in Venezuela gegründet. Begonnen mit einem Beerdigungsinstitut umfasst Cecosesola heute fünfzig Basisorganisationen mit insgesamt 20.000 Mitgliedern. Das besondere ist der Verzicht auf hierarchische Posten. Alle Mitglieder können sich jederzeit, auf allen Ebenen, mit den gleichen Rechten einmischen. Entscheidungen werden im Konsens getroffen.
www.netzwerkit.de/medien/probececosesola

Gemeinwohl-Ökonomie – Do, 6.11.14, 19:30 Uhr. Ref.: Sylvia Dorn und Jochen Walter
…ist eine wirtschaftliche Systemalternative zu kapitalistischer Markt- und zentraler
Planwirtschaft. Tendenziell ist es eine Form der Marktwirtschaft, in der jedoch Freie
nicht die Ideale des (privaten) unternehmerischen Strebens, “Gewinn und Konkurrenz” sondern “Gemeinwohl und Kooperation” , angestrebt werden. www.gemeinwohl-oekonomie.de

SoLaVie – Solidarische Landwirtschaft & Leben Ortenau – Di, 11.11.14, 19:30 Uhr. Ref.: Stefan Walter und Marlene Werfl
Die Landwirtschaft ? nicht das einzelne Lebensmittel ? wird finanziert. Bei Solidarischer Landwirtschaft (kurz Solawi) werden Lebensmittel nicht mehr über den Markt vertrieben, sondern fließen in einen eigenen Wirtschaftskreislauf, der von den Teilnehmer*innen organisiert und finanziert wird. Es handelt sich dabei um einen Zusammenschluss von landwirtschaftlichen Betrieben oder Gärtnereien mit einer Gruppe privater Haushalte. Diese Wirtschaftsgemeinschaft ist auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmt und berücksichtigt die natürliche Mitwelt .
www.solavie.de

Repaircafe Offenburg – Do 13.11.14, 19:30 Uhr. Ref.: Günter Schulz
Repair Cafés sind ehrenamtliche Treffen, bei denen die Teilnehmer alleine oder gemeinsam mit anderen ihre kaputten Dinge reparieren. An den Orten, an denen das Repair Café stattfindet, ist Werkzeug und Material für alle möglichen Reparaturen vorhanden. Vor Ort sind auch Reparaturexpert*innen zugegen: Elektriker*innen, Schneider*innen, Tischler*innen und Fahrradmechaniker*innen. Im Repair Café machen sie sich gemeinsam mit einem Fachmann oder einer Fachfrau an die Arbeit.
www.repaircafe.org/de/

Mühle – Renchen – Di, 18.11.14, 19:30 Uhr. Ref.: Karl-Martin Matt
Leben und arbeiten im Kollektiv. Vor 30 Jahren auf den Weg gemacht, das Richtige gegen das Falsche zu leben. Gegen Vereinzelung und Entfremdung. Leben und Arbeiten zusammen zu bringen. Utopie vorwegnehmen, experimentieren, lernen. Leben statt gelebt werden. Ein Abend über die Widersprüche zwischen Absicht und Wirklichkeit
www.druckwerkstatt-renchen.de

Steffi Bleibt! – Do, 20.11.14, 19:30 Uhr – Filmvorführung
Die “Steffi” war ein von 1990 bis 1997 besetztes Haus in der Stephanienstraße 60-64 in Karlsruhe. Dieses Haus, früherer Sitz der “Zahntechnik Huber”, wurde am 30.November 1990 besetzt. Dort wohnten zeitweise über 50 Leute und es war ein Treffpunkt für eine Vielzahl kulturell arbeitender und politisch aktiver Gruppen und Einzelpersonen.

Freie Software Gruppe OG (FSGOG) – Di, 25.11.14, 19:30 Uhr, Ref.: Fasteddy
Freie Software ist Software, die die Freiheit und Gemeinschaft der Nutzer respektiert. Ganz allgemein bedeutet das, dass Nutzer die Freiheit haben Software auszuführen, zu kopieren, zu verbreiten, zu untersuchen, zu ändern und zu verbessern. Freie Software ist daher eine Frage der Freiheit, nicht des Preises.
www.freiesoftwareog.org

In Transition 2.0 – 27.11.14, 19:30 Uhr, Filmvorführung
“Transtition 2.0″ zeigt einen inspirierenden Einblick in die Transition Bewegung und eine Ansammlung von Geschichten über gewöhlichen Menschen, die überall auf der Welt außergewöhliche Dinge schaffen. Es werden Gemeinden vorgestellt, die Ihr eigenes Geld drucken, Nahrung anpflanzen, eine eigene Wirtschaft und Kraftwerke aufbauen. Diese Idee verbreitet sich wie ein Virus, es ist ein soziales Experiment, das auf eine Ungewisse Zukunft mit Lösungen und Optimismus antwortet. In einer Welt, überschwemmt mit Schwermut, ist es eine Geschichte der Hoffnung, mit dem Einfallsreichtum und der Kraft von gedeienden Pflanzen an unerwarteten Plätzen.
www.archive.org/details/transitionmovie2

Alle Veranstaltungen finden im Alarm-Raum in der Lise-Meitner-Str. 10 in Offenburg statt. Eine Wegbeschreibung findet ihr hier.

Veranstaltungsflyer zum Download

Veranstaltungsplakat zum Download

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solidarität mit den menschen in kobane!

[die ifa, bzw. deren delegiertenversammlung crifa,  hat ein soli-statement und die fda einen spendenaufruf für die menschen im kurdischen kobane veröffentlicht.]

IFA-Stellungnahme: Gegen den Terror von Staat und Religion – Freiheit für die Menschen in Kobanê!

freedom fighters rojavaSeit fast einem Monat bekämpft der Islamische Staat (IS) in Rojava die kurdischen Menschen und die von ihnen geschaffenen Selbstverwaltungsstrukturen. Angesichts der dramatischen Laage in der Stadt Kobanê und der Flüchtlinge an der türkischen Grenze ruft die Internationale der Anarchistischen Föderationen (IFA) zu Solidaritätsaktionen auf.

Ausserdem werden Spenden gesammelt um den Flüchtlingen und Aktivist*innen vor Ort zu helfen. In der BRD kann man unter folgendem Konto Spenden:

Spendenkonto: Alarm e.V.
Bank: Sparkasse Offenburg
Kto.Nr.: 4873651
BLZ: 66450050
Stichwort / Verwendungszweck: Kobane

IFA-Stellungnahme: Gegen den Terror von Staat und Religion – Freiheit für die Menschen in Kobanê!

In Rojava (auch West-Kurdistan) auf syrischem Staatsgebiet attackiert der Islamische Staat (IS) die Stadt Kobanê nahe der Grenze zur Türkei und die Bevölkerung ist nun direkt mit der Brutalität dieser autoritären und aufklärungsfeindlichen Macht konfrontiert.

Kurdistan ist ebenso wie andere Regionen von der Gewalt des Islamischen Staates betroffen. Der Widerstand der Bevölkerung ist bewundernswert. Sie ist die wirklich fortschrittliche Kraft. Von den militärischen Spielen der Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und regionaler Mächte ist freilich nichts zu erwarten. Diese verschiedenen beteiligten Staaten nutzen die Region als Schlachtfeld zur Durchsetzung ihrer Interessen und verkaufen ihre Waffen.

Die Rolle der religiösen Regierung der Türkei in der Region ist dabei ausschlaggebend. Sie verhindern mit Gewalt die Einreise flüchtiger Familien, lassen aber islamistische Kämpfer nach Syrien. Es ist offensichtlich, dass die türkische Regierung tatsächlich im Krieg mit der kurdischen Bevölkerung ist.

In den kurdischen Regionen wird, trotz des Kriegs, eine so proklamierte “demokratische Revolution” sichtbar, die dem Konzept des “Demokratischen Konföderalismus” angetan ist. All dies bestärkt uns, unsere Arbeit und unsere Unterstützung für die Menschen in Kurdistan und anderswo, die gegen religiöse Barbarei und staatliche Unterdrückung kämpfen, fortzusetzen. Von diesem Standpunkt aus sind wir gegen militärische Interventionen durch Welt- oder Regionalmächte. Wir wissen, dass jede staatliche Intervention sich gegen soziale Veränderungen richten wird.

Frauen sind stark in alle gesellschaftlichen Bereiche und in die Widerstandsgruppen involviert. Es ist eine Revolution der Frauen gegen das Patriarchat und die feudale Gesellschaft. Das ist wohl einer der wichtigsten Aspekte dieses Prozesses.

Anarchist*innen aus der Türkei helfen den Flüchtlingen und unterstützen diejenigen, die gegen den Vormarsch des islamischen Staats kämpfen. Wir rufen alle anarchistischen Organisationen dazu auf, Demonstrationen zu organisieren und ihre Unterstützung draussen auf der Straße und überall kund zu tun, Informationen zu verbreiten und eine direkte Unterstützung der anarchistischen Organisationen in der Türkei, Kurdistan und überall, wo gegen religiöse Barbarei und staatliche Unterdrückung gekämpft wird, aufzubauen.

Für die Emanzipation der Menschen und die internationale Solidarität

CRIFA (Delegiertentreffen der Internationalen der Anarchistischen Föderationen)
Rom, 4-5 Oktober 2014

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oktoberausgabe der gai dao erschienen

pünktlich zum monatsbeginn erscheint die nr. 46 der gai dao und ist wieder prall gefüllt mit guten artikeln aus aller und über alle welt.

auf unterschiedlichste arten könnt ihr sie lesen: auf papier (abo!), online, als pdf, als e-pub und sogar hören als audiobook.

von mir ist eine übersetzung  des englischen und durch die aktuellen ereignisse in rojava und dem nordirak hochaktuellen artikels „The new PKK: unleashing a social revolution in Kurdistan“ an bord. die hat mir alles und noch viel mehr abverlangt, so dass ich mir sogar hilfe bei einem genossen holen musste (danke dafür). hier könnt ihr sie lesen:

Die neue PKK: Wie eine Soziale Revolution in Kurdistan in Gang gesetzt wird

von Rafael Taylor / Übersetzung: nigra

Während die Aussicht auf eine kurdische Unabhängigkeit immer realer wird, verwandelt sich die kurdische Arbeiter*nnenpartei in eine radikaldemokratische Kraft.

Ausgeschlossen von Verhandlungen und betrogen im Rahmen des Vertrags von Lausanne 1923, nachdem ihnen von den Alliierten des Ersten Weltkrieges während der Aufteilung des Osmanischen Reiches ein eigener Staat versprochen worden war, sind die Kurd*innen die größte staatenlose Minderheit der Welt. Aber heute bleiben, abgesehen von einem trotzigen Iran, immer weniger Hindernisse übrig, die ein formalrechtlich unabhängiges Kurdistan verhindern. Die Türkei und Israel haben ihre Unterstützung zugesagt, während die Hände Syriens und die des Irak durch die schnellen Fortschritte des Islamischen Staates (früher ISIS) gebunden sind.

Mit der kurdischen Flagge über allen offiziellen Gebäuden und den Peschmerga, die die Islamisten mit Unterstützung der lange überfälligen militärischen US-Hilfe unter Kontrolle halten, vereinigt sich Südkurdistan (Irak) mit seinen Genoss*innen in Westkurdistan (Syrien), das die zweite de facto autonome Region des neuen Kurdistan bildet. Sie haben schon damit begonnen ihr eigenes Öl zu exportieren und haben das an Öl reiche Kirkuk zurückerobert. Sie haben ihr eigenes, säkulares, gewähltes Parlament und eine pluralistische Gesellschaft. Sie haben bei der UN ihren Antrag auf Anerkennung als souveräner Staat eingereicht und es gibt nichts, was die irakische Regierung tun könnte – oder die USA ohne israelische Unterstützung tun würde, um das zu stoppen.

Trotzdem ist der kurdische Kampf nicht annähernd nationalistisch geprägt. In den Bergen über Erbil, im alten Landesinneren Kurdistans, das sich über die Grenzen der Türkei, des Iran, irak und Syriens windet, wurde eine Soziale Revolution geboren.

Die Theorie des Demokratischen Konföderalismus

Zur Jahrhundertwende, als der US-amerikanische Radikale Murray Bookchin seinen Versuch aufgab, die heutige anarchistische Bewegung mit seiner Philosophie der Sozialen Ökologie wiederzubeleben, wurde der PKK-Gründer und Anführer Abdullah Öcalan in Kenia von türkischen Beamt*innen verhaftet und wegen Hochverrat zum Tode verurteilt. In den folgenden Jahren gewann der alte Anarchist in dem hartgesottenen Kämpfer einen unerwarteten Anhänger, dessen paramilitärische Organisation – die Arbeiter*innenpartei Kurdistans – in vielen Teilen der Welt als terroristische Organisation eingestuft ist, weil sie einen brutalen Krieg der nationalen Befreiung gegen die Türkei führt.

In seinen Jahren in Einzelhaft, in denen er die PKK von der Zelle aus leitete – seine Todesstrafe wurde in lebenslange Haft umgewandelt – eignete sich Öcalan eine Art des Libertären Sozialismus an, die so unbedeutend war, dass nur wenige Anarchist*innen je davon gehört haben: Bookchins Libertärer Kommunalismus. Öcalan veränderte und verfeinerte Bookchins Vision und benannte sie in „Demokratischen Konföderalismus“ um, mit der Folge, dass die Union der Gemeinschaften Kurdistans (Koma Civakên Kurdistan oder KCK), das territoriale Experiment der PKK, zu einer freien und direktdemokratischen Gesellschaft, für die meisten Anarchist*innen weitgehend ein Geheimnis blieb, ganz zu schweigen von der breiten Öffentlichkeit.

Auch wenn Öcalans Gesinnungswandel der Wendepunkt war, fegte schon nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den 1990er Jahren eine breitere Renaissance von libertär-linker und unabhängiger Literatur durch die Berge und von Hand zu Hand der breiten Masse. „[Sie] analysierten Bücher und Artikel von Philosoph*innen, Feminist*innen, (Neo-)Anarchist*innen, libertären Kommunist*innen, Kommunalist*innen und Sozialen Ökolog*innen. So kamen Autor*innen wie Murray Bookchin [und andere] in ihren Fokus,“ erzählt uns der Aktivist Ercan Ayboga.

Öcalan begann in seinen Gefängnisschriften mit einer sorgfältigen Überprüfung und Selbstkritik der schrecklichen Gewalt, des Dogmatismuses, des Personenkultes und des Autoritarismus, die er gefördert hatte: „Es ist klar geworden, dass unsere Theorie, unser Programm und unsere Praxis der 1970er nichts als nutzlosen Seperatismus und nutzlose Gewalt produzierte und, was noch viel schlimmer ist, dass der Nationalismus, den wir eigentlich hätten ablehnen sollen, uns alle befallen hat. Auch wenn wir ihn prinzipiell und rhetorisch ablehnten, akzeptierten wir ihn als unumgänglich.“ Früher der unhinterfragte Führer, schlussfolgerte Öcalan jetzt, dass „Dogmatismus genährt wird von abstrakten Wahrheiten, die zu gewohnheitsmäßigen Denkweisen werden. Sobald du solche generellen Wahrheiten in Worte packst, fühlst du dich wie ein Hohepriester im Dienst deines Gottes. Das war der Fehler, den ich beging.“

Öcalan, ein Atheist, schrieb schließlich als ein Freigeist, unbeeindruckt von der marxistisch-leninistischen Mythologie. Er gab an, dass er nach einer „Alternative zum Kapitalismus“ und einem „Ersatz für das zusammengebrochene Model des … ‚real existierenden Sozialismus’“ suchte, als er auf Bookchin stieß. Seine Theorie des Demokratischen Konföderalismus entwickelte sich aus einer Kombination von Inspirationen durch kommunalistische Intellektuelle, Bewegungen wie die der Zapatistas und anderer historischer Faktoren des Kampfes in Nordkurdistan (Türkei). Öcalan bezeichnete sich selbst als einen Studenten Bookchins und nach einem gescheiterten E-Mail-Schriftwechsel mit dem alten Theoretiker, der zu seinem großen Bedauern zu krank für einen Austausch auf seinem Sterbebett im Jahr 2004 war, feierte ihn die PKK anlässlich seines Todes zwei Jahre später als einen der größten Sozialwissenschaftler*innen des 20. Jahrhunderts.

Die Praxis des Demokratischen Konföderalismus

Die PKK selbst ist offensichtlich ihrem Anführer nicht nur in Bezug auf Bookchins spezielle Lesart des Öko-Anarchismus gefolgt, sondern hat aktiv die neue Philosophie in ihren Strategien und Taktiken verinnerlicht. Die Bewegung schwor ihrem blutigen Krieg für eine stalinistisch-maoistische Revolution ab sowie den Taktiken des Terrors, die dieser mit sich brachte und begann eine großangelegte gewaltfreie Strategie zu durchlaufen, die auf größere regionale Autonomie abzielte.

Nach Jahrzehnten des internen Verrats, gescheiterten Waffenruhen, willkürlichen Verhaftungen und erneuter Aufnahme der bewaffneten Auseinandersetzungen, erklärte die PKK am 25. April dieses Jahres einen sofortigen Rückzug ihrer Kräfte aus der Türkei und ihrer Stationierung im Nordirak, was effektiv ihren 30 Jahre alten Konflikt mit dem türkischen Staat beendete. Die türkische Regierung setzte gleichzeitig einen Prozess verfassungsmäßiger und rechtlicher Reformen in Gang, um die Menschen- und kulturellen Rechte der kurdischen Minderheit innerhalb der türkischen Grenzen zu gewährleisten. Dies kam als letzter Teilder lang erwarteten Verhandlungen zwischen Öcalan und dem türkischen Premierminister Erdoğan als Teil des Friedensprozesses, der 2012 begann. Es hat seit einem Jahr keine Gewalt von Seiten der PKK gegeben und begründete Rufe nach einer Streichung der PKK von den Terrorlisten der Welt sind erklungen.

Dennoch bleibt die dunkle Geschichte der PKK an ihr haften – autoritäre Methoden, die nicht so richtig zu ihrer neuen libertären Rhetorik passen wollen. Geldbeschaffung durch Heroinhandel, Erpressung, Zwangswehrdienst und allgemein kriminelle Machenschaften wurden Abteilungen der PKK wiederholt vorgeworfen oder zugeschrieben. Falls das der Wahrheit entsprechen sollte, kann es keine Entschuldigungen für diese Art des aggressiven Opportunismus geben, trotz der offensichtlichen Ironie, dass der völkermörderische türkische Staat selbst in nicht kleinem Maße von einem lukrativen Monopol auf den legalen Export von staatlich angebauten „medizinischen“ Opiaten in den Westen finanziert wurde und ermöglicht durch seine Wehrpflicht und Besteuerung für ein riesiges Antiterrorbudget und übergroße Armeekräfte (die Türkei hat nach den USA die zweitgrößte Armee der NATO.).

Wie es der üblichen Heuchelei beim Krieg gegen den Terror entspricht, sind es immer die Nichtrepräsentierten, die als Terrorist*innen gebrandmarkt werden. Öcalan selbst beschreibt diese beschämende Periode als eine von „Banden innerhalb unserer Organisation und offenem Banditentum, die nutzlose, willkürliche Operationen arrangierten, um junge Menschen reihenweise in den Tod zu schicken“.

Anarchistische Strömungen im Kampf

Ein weiteres Zeichen dafür, dass sie ihre marxistisch-leninistische Wege verlässt, ist, dass die PKK kürzlich damit begonnen hat, dem Anarchismus weltweit deutliche Angebote zu machen. Sogar beim internationalen anarchistischen Treffen in St. Imier in der Schweiz 2012 veranstaltete sie einen Workshop, der zu Verwirrung, Betroffenheit und Onlinedebatten führte, aber von der breiteren anarchistischen Presse weitestgehend unbemerkt blieb.

Janet Biehl, Bookchins Witwe, ist eine der wenigen westlichen Anarchist*innen, die die KCK vor Ort studiert. Sie hat ausführlich über ihre Erfahrungen auf der Website New Compass geschrieben und Interviews mit kurdischen Radikalen veröffentlicht, die am Alltagsgeschehen der demokratischen Versammlungen und der föderativen Strukturen beteiligt sind. Ebenso hat sie die erste anarchistische Studie in Buchlänge zum Thema übersetzt und veröffentlicht: Demokratische Autonomie in Nordkurdistan: Die Rätebewegung, Geschlechterbefreiung und Ökologie (2013).

Die einzige andere englischsprachige, anarchistische Stimme ist das Kurdische Anarchistische Forum (KAF), eine pazifistische Gruppe irakischer Kurd*innen, die in Europa leben und von sich behaupten, dass sie „keine Beziehungen zu anderen linken Gruppen haben“. Obwohl sie ein föderiertes Kurdistan unterstützen, erklärt das KAF, dass „wir die PKK nur unterstützen, wenn sie ihren bewaffneten Kampf ganz einstellen, sich für die Organisierung von massenhaften Graswurzelbewegungen einsetzt, um die sozialen Forderungen der Bevölkerung zu erreichen, zentralisierte und hierarchische Methoden des Kampfes anprangert und einstellt und sich stattdessen in föderierte, autonome Gruppen umwandelt, alle Beziehungen und Geschäfte mit den Staaten des Mittleren Ostens und des Westens beendet, charismatische Machtpolitik anprangert und sich der Antistaatlichkeit und dem Antiautoritarismus verschreibt – nur dann werden wir gerne voll und ganz mit ihr zusammenarbeiten“.

Bookchin wörtlich nehmen

Dieser Tag (vom Pazifismus mal abgesehen) könnte in erreichbarer Nähe sein. Die PKK/KCK scheint Bookchins Sozialer Ökologie wortgetreu zu folgen, mit nahezu jeder Einzelheit bis hin zu und einschließlich ihrer widersprüchlichen Teilnahme am Staatsapparat durch Wahlen, genau wie es in der Literatur vorgegeben ist.

Wie Joost Jongerden und Ahmed Akkaya schreiben „unterscheidet Bookchin in seinem Werk zwischen zwei politischen Ideen, der griechischen und der römischen“, sprich: der direkten und der repräsentativen Demokratie. Bookchin sieht seine Form des Neo-Anarchismus als eine praktische Wiederbelebung der Athenischen Revolution des Altertums. Das „Athener Modell existiert als eine Gegen- und Untergrundströmung, die ihren Ausdruck in der Pariser Kommune von 1871, den Räten (Sowjets) in der Frühzeit der russischen Revolution von 1917 und der spanischen Revolution von 1936 findet“.

Bookchins Kommunalismus enthält einen fünfstufige Herangehensweise:

  1. Bestehenden Gemeinden durch Gesetze mehr Entscheidungsbefugnisse geben, um die Entscheidungsmacht vor Ort zu verankern.

  2. Diese Gemeinden durch Graswurzelversammlungen demokratisieren.

  3. Gemeinden „in regionalen Netzwerken und größeren Föderationen…“ zusammenfassen, „…um darauf hinzuarbeiten, die Nationalstaaten durch kommunale Föderationen zu ersetzen“, während sichergestellt wird, dass „höhere Ebenen der Föderation hauptsächlich koordinierende und verwaltungstechnische Funktionen haben“

  4. „Fortschrittliche soziale Bewegungen vereinen“, um die Zivilgesellschaft zu stärken und „einen allgemeinen Brennpunkt für alle Bürgerinitiativen und Bewegungen“ zu etablieren: die Versammlungen. Diese Zusammenarbeit ist „nicht […], weil wir erwarten, immer nur harmonischen Konsens zu sehen, sondern – im Gegenteil – weil wir an Meinungsverschiedenheit und Diskussionen glauben. Die Gesellschaft entwickelt sich durch Debatte und Konflikt.“ Zusätzlich sollen die Versammlungen säkular sein, „gegen religiöse Einflüsse auf die Politik und die Regierung kämpfen“ und eine „Arena für den Klassenkampf“ sein.

  5. Um ihre Vision einer „klassenlosen Gesellschaft, basierend auf kollektiver politischer Kontrolle über die sozial wichtigen Produktionsmittel“ zu erreichen, ist die „Kommunalisierung der Wirtschaft“ und eine „föderale Verteilung der Ressourcen“ gefordert, „die das Gleichgewicht zwischen den Regionen sichern sollen.“ Dies entspricht, einfacher ausgedrückt, einer Kombination von Arbeiterselbstverwaltung und dezentraler Planwirtschaft, um den sozialen Bedürfnissen gerecht zu werden: Das ist klassische anarchistische Ökonomie.

Wie es Eirik Eiglad, Bookchins früherer Herausgeber und KCK-Analyst, ausdrückt:

Von besonderer Wichtigkeit ist die Notwendigkeit, die Erkenntnisse der feministischen und ökologischen Bewegungen mit denen der neuen urbanen Bewegungen und Bürgerinitiativen zu kombinieren, genauso wie die der Gewerkschaften und der lokalen Kooperativen und Kollektive […] Wir glauben, dass die kommunalistische Idee einer auf Versammlungen basierenden Demokratie ihren Teil dazu beisteuern wird, diesen fortschrittlichen Austausch von Ideen auf einer beständigeren Basis mit mehr direkten politischen Konsequenzen zu ermöglichen. Der Kommunalismus ist allerdings nicht nur ein taktischer Weg, radikale Bewegungen zusammenzuführen. Unsere Forderung nach einer gemeindeorientierten Demokratie ist auch der Versuch, Vernunft und Ethik an die Spitze öffentlicher Diskussionen zu bringen.

Für Öcalan bedeutet Demokratische Konföderalismus eine „demokratische, ökologische, vom sozialen Geschlecht befreite Gesellschaft oder einfach „Demokratie ohne Staat“. Er stellt ausdrücklich die „kapitalistische Moderne“ der „demokratischen Moderne“ gegenüber, in der die früheren „drei Grundelemente Kapitalismus, Nationalstaat und Industrialismus“ durch eine „demokratische Nation, Gemeindewirtschaft und ökologische Industrie“ ersetzt sind. Dies bedingt „drei Projekte: eines für die demokratische Republik, eines für den demokratischen Föderalismus und eines für die demokratische Autonomie.“

Das Konzept der „demokratischen Republik“ bezieht sich hauptsächlich darauf, die den Kurd*innen lange verweigerte Staatsbürgerschaft und Bürgerrechte zu erlangen, einschließlich der Möglichkeit ihre eigene Sprache frei zu sprechen und zu unterrichten. Die demokratische Autonomie und der demokratische Föderalismus beziehen sich beide auf die „autonomen Fähigkeiten der Menschen, eine direktere, weniger auf Vertretung basierende Form der politischen Struktur“.

Derweil merken Jongerden und Akkaya an, dass „das Modell des freien Munizipalismus darauf abzielt, eine von unten nach oben organisierte, auf Teilnahme basierende Verwaltung, von lokalen zu Bezirksebenen, zu realisieren. Das „Konzept des/der freien Bürger*in (ozgur yarttas) [ist] sein Ausgangspunkt“, welcher „grundlegende Bürger*innenrechte, wie z.B. die Redefreiheit und die Freiheit, sich zu organisieren, beinhaltet.“ Das Kernstück des Modells sind die Nachbarschaftsversammlungen bzw. die „Räte“, zwei Begriffe, die synonym verwendet werden.

An den Räten sind alle Bewohner*innen beteiligt, einschließlich nichtkurdischer Menschen, und während Nachbarschaftsversammlungen in verschiedenen Bezirken stark sind, „gibt es in Diyarbakir, der größten Stadt in Türkisch-Kurdistan, nahezu überall Versammlungen“. Anderswo, „in den Bezirken Hakkari und Sirnak […] gibt es zwei parallele Autoritäten [die KCK und den Staat], von denen die demokratisch-konföderale Struktur in der Praxis stärker ist“. Die KCK in der Türkei „ist in den Ebenen Dorf (köy), städtische Nachbarschaft (mahalle), Distrikt (ilçe), Stadt (kent) und Region (bölge), welche als „Nordkurdistan“ bezeichnet wird, organisiert“.

Die „höchste“ Ebene der Föderation in Nordkurdistan, der DTK (Demokratik Toplum Kongresi, Demokratischer Gesellschaftskongress), ist eine Mischung von Delegierten der Basis mit abberufbaren Mandaten, die bis zu 60 Prozent ausmachen und Vertreter*innen von „mehr als 500 zivilgesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften und politischen Parteien“, die bis zu 40 Prozent ausmachen, von denen ungefähr sechs Prozent „für Vertreter*innen von religiösen Minderheiten, Akademiker*innen oder anderen Personen mit besonderen Fachkompetenzen reserviert“ sind.

Es ist unklar, welchen Anteil an diesen 40 Prozent die in ähnlicher Weise delegierten Personen aus direktdemokratischen, nichtstaatlichen, zivilgesellschaftlichen Gruppen im Vergleich zu den gewählten oder nicht gewählten Parteibürokrat*innen ausmachen. Personelle Überschneidungen bei unabhängigen kurdischen Bewegungen und kurdischen politischen Parteien, wie auch die Verinnerlichung vieler Aspekte der direktdemokratischen Prozedur durch diese Parteien verkomplizieren die Situation zusätzlich. Dennoch herrscht bei Beobachter*innen informell Einigkeit darüber, dass die Mehrzahl der Entscheidungen durch die eine oder andere Regelung direktdemokratisch getroffen werden, so dass die Mehrzahl dieser Entscheidungen an der Basis entwickelt werden und dass die Entscheidungen von unten nach oben in Übereinstimmung mit den föderalen Strukturen ausgeführt werden.

Weil die Versammlungen und der DTK von der illegalen KCK koordiniert werden, der die PKK angehört, werden sie von der Türkei und der sogenannten internationalen Gemeinschaft (EU, USA und andere) ebenfalls als „terroristisch“ bezeichnet. Der DTK sucht auch die Kandidat*innen der prokurdischen BDP (Barış ve Demokrasi Partisi; Partei für Frieden und Demokratie) für das türkische Parlament aus, welche im Gegenzug „Demokratische Autonomie“ für die Türkei fordert, in einer Art Kombination von repräsentativer und direkter Demokratie. Dem föderalen Modell folgend schlägt sie die Etablierung von ungefähr 20 autonomen Regionen vor, die sich in Belangen von „Bildung, Gesundheit, Kultur, Landwirtschaft, Industrie, sozialen Einrichtungen und Sicherheit, Frauenfragen, Jugend und Sport“ direkt selbst regieren würden (auf anarchistische und nicht auf Schweizer Art) mit dem Staat, der weiterhin für „Außenpolitik, Finanzen und Verteidigung“ zuständig wäre.

Die Soziale Revolution beginnt

Vor Ort hat die Revolution mittlerweile schon begonnen.

In Türkisch-Kurdistan gibt es eine unabhängige Bildungsbewegung mit „Akademien“, die Diskussionsforen und Seminare in Nachbarschaften organisieren. Da gibt es die Culture Street, wo Abdullah Demirbas, der Bürgermeister des Stadtteils Sur in Amed, die „Vielfalt der Religionen und Glaubenssysteme“ feiert. Er erklärt, dass „wir damit begonnen haben, eine Moschee, eine chaldäisch-aramäische katholische Kirche, eine orthodoxe aramäische Kirche und eine jüdische Synagoge „ zu restaurieren. An anderer Stelle berichten Jongerden und Akkaya, dass „DTP-Gemeinden einen ‚mehrsprachigen Gemeindeservice‘ initiierten, was erhitzte Debatten lostrat. Straßenschilder der Gemeinde sind in Kurdisch und Türkisch gehalten und örtliche Ladenbesitzer*innen folgten diesem Beispiel“.

Die Befreiung der Frau wird von den Frauen selbst durch die Initiativen des Frauenrats des DTK vorangetrieben, indem sie Regeln wie eine 40-Prozent-Genderquote in den Versammlungen durchsetzen. Wenn ein Angestellter des öffentlichen Dienstes seine Ehefrau schlägt, wird sein Gehalt direkt an das Opfer überwiesen, um ihre finanzielle Sicherheit zu gewährleisten. Sie kann das Geld nach eigenem Gutdünken verwenden. „Falls ein Ehemann in Gewer eine zweite Frau heiratet, geht die Hälfte seines Besitzes an die erste Frau.

Es gibt Friedensdörfer, neue oder umgewandelte Gemeinschaften von Kooperativen, die ihr eigenes Programm völlig außerhalb der logistischen Einschränkungen durch den kurdisch-türkischen Krieg umsetzen. Die erste solche Gemeinde wurde im Bezirk Hakkari errichtet, angrenzend an den Irak und den Iran, wo „mehrere Dörfer“ sich dem Experiment anschlossen. Im Bezirk Van wurde ein „ökologisches Frauendorf“ erbaut, um Opfern von häuslicher Gewalt Zuflucht zu gewähren. Es versorgt sich „mit aller oder nahezu aller notwendigen Energie“ selbst.

Die KCK veranstaltet alle zwei Jahre Treffen mit hunderten von Delegierten aus allen vier Ländern in den Bergen. Dabei steht die Bedrohung für den autonomen Süden und Westen Kurdistans durch den Islamischen Staat ganz oben auf der Agenda. Die iranischen und syrischen, der KCK angeschlossenen Parteien PJAK (Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê, Partei für ein freies Leben in Kurdistan) und PYD (Partiya Yekitîya Demokrat; Partei der demokratischen Union) treiben den demokratischen Konföderalismus ebenfalls voran. Die irakische KCK-Partei PCDK (Partiya Çareseriya Demokratik a Kurdistan; Partei für eine politische Lösung in Kurdistan) ist relativ bedeutungslos. Die herrschende gemäßigte Kurdische Demokratische Partei und ihr Anführer Massoud Barzani, Präsident von Irakisch-Kurdistan, entkriminalisierte sie erst vor Kurzem und beginnt sie nun zu tolerieren.

In der nördlichsten Bergregion in Irakisch-Kurdistan, wo die meisten PKK- und PJAK-Kämpfer*innen leben, erblühen radikale Literatur und Versammlungen unter der erneuten Einbeziehung der vielen Kurd*innen aus den Bergen, nach Jahrzehnten der Vertreibung. In den letzten Wochen sind diese Aktivist*innen von den nördlichsten Bergen heruntergekommen, um Seite an Seite mit den irakischen Peschmerga gegen die ISIS zu kämpfen. Sie haben 20.000 Jesid*innen und Christ*innen aus den Bergen von Sinjar gerettet und wurden von Barzani besucht, der sich in aller Öffentlichkeit bei ihnen bedankte und ihnen seine Solidarität aussprach, was einen Gesichtsverlust für die Türkei und die USA bedeutete.

Die syrische PYD ist dem Beispiel Türkisch-Kurdistans bei der revolutionären Transformation der autonomen Regionen gefolgt, die seit dem Ausbruch des Bürger*innenkriegs unter ihrer Kontrolle stehen. Nach „Verhaftungswellen“ unter der ba’athistischen Repression, mit „10.000 inhaftierten Menschen, unter ihnen Bürgermeister*innen, lokale Parteivorsitzende, Abgeordnete, Kader und Aktivist*innen […], vertrieben kurdische PYD-Kräfte das Baathregime in Nordsyrien (bzw. Westkurdistan) [und] lokale Räte tauchten plötzlich überall auf“. Es entstanden improvisierte Selbstverteidigungskommittees, um „Sicherheit nach dem Zusammenbruch des Ba’athregime“ zu gewährleisten und „die erste die kurdische Sprache unterrichtende Schule“ wurde errichtet, während die Räte für die gerechte Verteilung von Brot und Treibstoff sorgten.

Im türkischen, syrischen und, in einem geringeren Ausmaß, im irakischen Kurdistan haben Frauen nun die Möglichkeit, den Schleier abzulegen, und sie werden stark dazu ermutigt am sozialen Leben teilzunehmen. Alte, feudale Verbindungen werden aufgebrochen, die Menschen sind frei, einer Religion ihrer Wahl oder keiner zu folgen und ethnische und religiöse Minderheiten leben friedlich miteinander. Wenn sie in der Lage sind das neue Kalifat aufzuhalten, könnte die PYD-Autonomie in Syrisch-Kurdistan und der KCK-Einfluss in Irakisch-Kurdistan eine noch tiefgreifendere Explosion von revolutionärer Kultur und revolutionären Werten bewirken.

Am 30. Juni 2012 hat jetzt auch das Nationale Koordinierungskommittee für einen demokratischen Wechsel (National Coordination Committee for Democratic Change; NCB), die breitere revolutionäre, linke Koaliation in Syrien, von der die PYD die größte Gruppe darstellt, „das Projekt der Demokratischen Autonomie und des Demokratischen Konföderalismus als ein mögliches Modell für Syrien“ angenommen.

Die kurdische Revolution vor dem IS verteidigen

In der Zwischenzeit hat die Türkei damit gedroht, in kurdische Gebiete einzufallen, falls „Terrorlager in Syrien errichtet werden“, weil hunderte KCK-Kämpfer*innen (einschließlich der PKK) aus Kurdistan die Grenze überqueren, um Rojava (kurdisch für Westen) vor den Angriffen des Islamischen Staates zu verteidigen. Die PYD behauptet, dass die moderate islamistische Regierung der Türkei sich schon in einem Stellvertreterkrieg gegen sie befindet, indem sie die Reise internationaler Dschihadisten über die Grenze erleichtert, die mit den Islamisten kämpfen wollen.

In Irakisch-Kurdistan rief Barzani, dessen Kämpfer*innen in den 1990er Jahren im Austausch für den Zugang zu den westlichen Märkten an der Seite der Türkei gegen die PKK kämpften, nach einer „kurdischen Einheitsfront“ in Syrien, einschließlich einer Allianz mit der PYD. Barzani vermittelte 2012 das „Abkommen von Erbil“, das zur Gründung des Kurdischen Nationalrats führte. PYD-Anführer Salih Muslim bekräftigte, dass „alle Teilnehmer*innen ernsthaft und entschlossen sind, um weiterhin zusammenzuarbeiten“.

Auch wenn das Studium und die Umsetzung libertär-sozialistischer Ideen unter der KCK-Führung und ihrer Basis unzweifelhaft eine positive Entwicklung ist, bleibt es immer noch abzuwarten, wie ernst es ihnen damit ist, ihre blutige, autoritäre Vergangenheit hinter sich zu lassen. Der kurdische Kampf um Selbstbestimmung und kulturelle Souveränität bilden einen silbernen Streif in den dunklen Wolken, die sich über dem Islamischen Staat und den blutigen Kriegen zwischen Islamismus, Ba’atismus und religiösem Sektierertum zusammenballen, die überhaupt erst zur Entstehung des IS geführt haben.

Eine fortschrittliche und säkulare pankurdische Revolution mit libertär-sozialistischen Elementen, die die irakischen und syrischen Kurd*innen vereint und die türkischen und iranischen Kämpfe wiederbelebt, könnte immer noch eine mögliche Perspektive sein. In der Zwischenzeit schulden jene von uns, die der Idee der Zivilisation einen Wert beimessen, den Kurd*innen Dank. Sie bekämpfen Tag und Nacht die Dschihadisten des islamistischen Faschismus an den Fronten in Syrien und des Irak und verteidigen radikaldemokratische Werte mit ihren Leben.

Die Kurd*innen haben keine Freund*innen, außer den Bergen.“ (kurdisches Sprichwort)

Rafael Taylor ist ein libertärer Sozialist und selbständiger Journalist, der in Melbourne lebt. Er ist auch Moderator desFloodgates Of Anarchy“-Podcasts, Mitglied der ASF-IAA (Anarcho-Syndicalist Federation – Internationale ArbeiterInnen-Assoziation) und Vorsitzender der Left Libertarian Alliance Melbourne.

karte kurdistan

Bild: Aktuelle (von mir bearbeitete) Karte von Syrien und dem Irak. Die gelben Flächen in Nordsyrien werden von syrischen Kurd*innen kontrolliert, die grünen Flächen im Nordost-Irak werden von irakischen Kurd*innen kontrolliert. (Quelle: Wikimedia Commons).

Zum Weiterlesen:

  • Tatort Kurdistan (Herausgeber*in): Demokratische Autonomie in Nordkurdistan – Rätebewegung, Geschlechterbefreiung und Ökologie in der Praxis – Eine Erkundungsreise in den Süden der Türkei (ISBN 978-3-941012-60-8) oder online lesen.

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