utopien vor der haustür: die anarchistische initiative ortenau stellt (nicht nur) lokale projekte vor

a-garten Veranstaltungsmarathon im November: Gegen den Strom – selbstbestimmtes Leben Jenseits von Profit und Ausbeutung

In unserer Vortrags- und Filmreihe wollen wir euch verschiedene Projekte vorstellen, in denen zusammen gelebt, gearbeitet und Neues geschaffen wird, möglichst ohne Hierarchie, Leistungsdruck und Konkurrenzkampf. Diese Projekte basieren auf Ideen, durch die die Welt zu einer anderen – vielleicht sogar einer besseren – verändert werden kann. Dafür gibt es kein Patentrezept. Jedes Projekt ist einzigartig und versucht den Widrigkeiten der kapitalistischen Wirklichkeit auf seine Art zu begegnen.

Wir wollen euch mit der Unterstützung von Referent*innen und Filmen zu einer Reise gegen den Strom einladen.

Veranstaltungstermine:

• Cecosesola – Film: Di, 04.11.14, 19:30 Uhr
• Gemeinwohl-Ökonomie: Do, 06.11.14, 19:30 Uhr
• Solidarische Landwirtschaft Ortenau: Di, 11.11.14, 19:30 Uhr
• Repaiercafé Offenburg: Do, 13.11.14, 19:30 Uhr
• Druckereiwerkstatt Mühle Renchen: Di, 18.11.14, 19:30 Uhr
• Steffi Bleibt! – Film: Do, 20.11.14, 19:30 Uhr
• Freie Software Gruppe Ortenau: Di, 25.11.14, 19:30 Uhr
• In Transition 2.0 – Film: Do, 27.11.14, 19:30 Uhr

Cecosesola – Gelebte Utopie einer Kooperative in Venezuela – Di, 04.11.14, 19:30 Uhr – Filmvorführung
Cecosesola ist ein hierarchiefreier, solidarischer Verbund von Genossenschaften in Venezuela, mit dem Schwerpunkt auf Anbau und Vertrieb von Lebensmitteln sowie Gesundheitsversorgung. Die Kooperative wurde 1967 in Venezuela gegründet. Begonnen mit einem Beerdigungsinstitut umfasst Cecosesola heute fünfzig Basisorganisationen mit insgesamt 20.000 Mitgliedern. Das besondere ist der Verzicht auf hierarchische Posten. Alle Mitglieder können sich jederzeit, auf allen Ebenen, mit den gleichen Rechten einmischen. Entscheidungen werden im Konsens getroffen.
www.netzwerkit.de/medien/probececosesola

Gemeinwohl-Ökonomie – Do, 6.11.14, 19:30 Uhr. Ref.: Sylvia Dorn und Jochen Walter
…ist eine wirtschaftliche Systemalternative zu kapitalistischer Markt- und zentraler
Planwirtschaft. Tendenziell ist es eine Form der Marktwirtschaft, in der jedoch Freie
nicht die Ideale des (privaten) unternehmerischen Strebens, “Gewinn und Konkurrenz” sondern “Gemeinwohl und Kooperation” , angestrebt werden. www.gemeinwohl-oekonomie.de

SoLaVie – Solidarische Landwirtschaft & Leben Ortenau – Di, 11.11.14, 19:30 Uhr. Ref.: Stefan Walter und Marlene Werfl
Die Landwirtschaft ? nicht das einzelne Lebensmittel ? wird finanziert. Bei Solidarischer Landwirtschaft (kurz Solawi) werden Lebensmittel nicht mehr über den Markt vertrieben, sondern fließen in einen eigenen Wirtschaftskreislauf, der von den Teilnehmer*innen organisiert und finanziert wird. Es handelt sich dabei um einen Zusammenschluss von landwirtschaftlichen Betrieben oder Gärtnereien mit einer Gruppe privater Haushalte. Diese Wirtschaftsgemeinschaft ist auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmt und berücksichtigt die natürliche Mitwelt .
www.solavie.de

Repaircafe Offenburg – Do 13.11.14, 19:30 Uhr. Ref.: Günter Schulz
Repair Cafés sind ehrenamtliche Treffen, bei denen die Teilnehmer alleine oder gemeinsam mit anderen ihre kaputten Dinge reparieren. An den Orten, an denen das Repair Café stattfindet, ist Werkzeug und Material für alle möglichen Reparaturen vorhanden. Vor Ort sind auch Reparaturexpert*innen zugegen: Elektriker*innen, Schneider*innen, Tischler*innen und Fahrradmechaniker*innen. Im Repair Café machen sie sich gemeinsam mit einem Fachmann oder einer Fachfrau an die Arbeit.
www.repaircafe.org/de/

Mühle – Renchen – Di, 18.11.14, 19:30 Uhr. Ref.: Karl-Martin Matt
Leben und arbeiten im Kollektiv. Vor 30 Jahren auf den Weg gemacht, das Richtige gegen das Falsche zu leben. Gegen Vereinzelung und Entfremdung. Leben und Arbeiten zusammen zu bringen. Utopie vorwegnehmen, experimentieren, lernen. Leben statt gelebt werden. Ein Abend über die Widersprüche zwischen Absicht und Wirklichkeit
www.druckwerkstatt-renchen.de

Steffi Bleibt! – Do, 20.11.14, 19:30 Uhr – Filmvorführung
Die “Steffi” war ein von 1990 bis 1997 besetztes Haus in der Stephanienstraße 60-64 in Karlsruhe. Dieses Haus, früherer Sitz der “Zahntechnik Huber”, wurde am 30.November 1990 besetzt. Dort wohnten zeitweise über 50 Leute und es war ein Treffpunkt für eine Vielzahl kulturell arbeitender und politisch aktiver Gruppen und Einzelpersonen.

Freie Software Gruppe OG (FSGOG) – Di, 25.11.14, 19:30 Uhr, Ref.: Fasteddy
Freie Software ist Software, die die Freiheit und Gemeinschaft der Nutzer respektiert. Ganz allgemein bedeutet das, dass Nutzer die Freiheit haben Software auszuführen, zu kopieren, zu verbreiten, zu untersuchen, zu ändern und zu verbessern. Freie Software ist daher eine Frage der Freiheit, nicht des Preises.
www.freiesoftwareog.org

In Transition 2.0 – 27.11.14, 19:30 Uhr, Filmvorführung
“Transtition 2.0″ zeigt einen inspirierenden Einblick in die Transition Bewegung und eine Ansammlung von Geschichten über gewöhlichen Menschen, die überall auf der Welt außergewöhliche Dinge schaffen. Es werden Gemeinden vorgestellt, die Ihr eigenes Geld drucken, Nahrung anpflanzen, eine eigene Wirtschaft und Kraftwerke aufbauen. Diese Idee verbreitet sich wie ein Virus, es ist ein soziales Experiment, das auf eine Ungewisse Zukunft mit Lösungen und Optimismus antwortet. In einer Welt, überschwemmt mit Schwermut, ist es eine Geschichte der Hoffnung, mit dem Einfallsreichtum und der Kraft von gedeienden Pflanzen an unerwarteten Plätzen.
www.archive.org/details/transitionmovie2

Alle Veranstaltungen finden im Alarm-Raum in der Lise-Meitner-Str. 10 in Offenburg statt. Eine Wegbeschreibung findet ihr hier.

Veranstaltungsflyer zum Download

Veranstaltungsplakat zum Download

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solidarität mit den menschen in kobane!

[die ifa, bzw. deren delegiertenversammlung crifa,  hat ein soli-statement und die fda einen spendenaufruf für die menschen im kurdischen kobane veröffentlicht.]

IFA-Stellungnahme: Gegen den Terror von Staat und Religion – Freiheit für die Menschen in Kobanê!

freedom fighters rojavaSeit fast einem Monat bekämpft der Islamische Staat (IS) in Rojava die kurdischen Menschen und die von ihnen geschaffenen Selbstverwaltungsstrukturen. Angesichts der dramatischen Laage in der Stadt Kobanê und der Flüchtlinge an der türkischen Grenze ruft die Internationale der Anarchistischen Föderationen (IFA) zu Solidaritätsaktionen auf.

Ausserdem werden Spenden gesammelt um den Flüchtlingen und Aktivist*innen vor Ort zu helfen. In der BRD kann man unter folgendem Konto Spenden:

Spendenkonto: Alarm e.V.
Bank: Sparkasse Offenburg
Kto.Nr.: 4873651
BLZ: 66450050
Stichwort / Verwendungszweck: Kobane

IFA-Stellungnahme: Gegen den Terror von Staat und Religion – Freiheit für die Menschen in Kobanê!

In Rojava (auch West-Kurdistan) auf syrischem Staatsgebiet attackiert der Islamische Staat (IS) die Stadt Kobanê nahe der Grenze zur Türkei und die Bevölkerung ist nun direkt mit der Brutalität dieser autoritären und aufklärungsfeindlichen Macht konfrontiert.

Kurdistan ist ebenso wie andere Regionen von der Gewalt des Islamischen Staates betroffen. Der Widerstand der Bevölkerung ist bewundernswert. Sie ist die wirklich fortschrittliche Kraft. Von den militärischen Spielen der Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und regionaler Mächte ist freilich nichts zu erwarten. Diese verschiedenen beteiligten Staaten nutzen die Region als Schlachtfeld zur Durchsetzung ihrer Interessen und verkaufen ihre Waffen.

Die Rolle der religiösen Regierung der Türkei in der Region ist dabei ausschlaggebend. Sie verhindern mit Gewalt die Einreise flüchtiger Familien, lassen aber islamistische Kämpfer nach Syrien. Es ist offensichtlich, dass die türkische Regierung tatsächlich im Krieg mit der kurdischen Bevölkerung ist.

In den kurdischen Regionen wird, trotz des Kriegs, eine so proklamierte “demokratische Revolution” sichtbar, die dem Konzept des “Demokratischen Konföderalismus” angetan ist. All dies bestärkt uns, unsere Arbeit und unsere Unterstützung für die Menschen in Kurdistan und anderswo, die gegen religiöse Barbarei und staatliche Unterdrückung kämpfen, fortzusetzen. Von diesem Standpunkt aus sind wir gegen militärische Interventionen durch Welt- oder Regionalmächte. Wir wissen, dass jede staatliche Intervention sich gegen soziale Veränderungen richten wird.

Frauen sind stark in alle gesellschaftlichen Bereiche und in die Widerstandsgruppen involviert. Es ist eine Revolution der Frauen gegen das Patriarchat und die feudale Gesellschaft. Das ist wohl einer der wichtigsten Aspekte dieses Prozesses.

Anarchist*innen aus der Türkei helfen den Flüchtlingen und unterstützen diejenigen, die gegen den Vormarsch des islamischen Staats kämpfen. Wir rufen alle anarchistischen Organisationen dazu auf, Demonstrationen zu organisieren und ihre Unterstützung draussen auf der Straße und überall kund zu tun, Informationen zu verbreiten und eine direkte Unterstützung der anarchistischen Organisationen in der Türkei, Kurdistan und überall, wo gegen religiöse Barbarei und staatliche Unterdrückung gekämpft wird, aufzubauen.

Für die Emanzipation der Menschen und die internationale Solidarität

CRIFA (Delegiertentreffen der Internationalen der Anarchistischen Föderationen)
Rom, 4-5 Oktober 2014

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oktoberausgabe der gai dao erschienen

pünktlich zum monatsbeginn erscheint die nr. 46 der gai dao und ist wieder prall gefüllt mit guten artikeln aus aller und über alle welt.

auf unterschiedlichste arten könnt ihr sie lesen: auf papier (abo!), online, als pdf, als e-pub und sogar hören als audiobook.

von mir ist eine übersetzung  des englischen und durch die aktuellen ereignisse in rojava und dem nordirak hochaktuellen artikels „The new PKK: unleashing a social revolution in Kurdistan“ an bord. die hat mir alles und noch viel mehr abverlangt, so dass ich mir sogar hilfe bei einem genossen holen musste (danke dafür). hier könnt ihr sie lesen:

Die neue PKK: Wie eine Soziale Revolution in Kurdistan in Gang gesetzt wird

von Rafael Taylor / Übersetzung: nigra

Während die Aussicht auf eine kurdische Unabhängigkeit immer realer wird, verwandelt sich die kurdische Arbeiter*nnenpartei in eine radikaldemokratische Kraft.

Ausgeschlossen von Verhandlungen und betrogen im Rahmen des Vertrags von Lausanne 1923, nachdem ihnen von den Alliierten des Ersten Weltkrieges während der Aufteilung des Osmanischen Reiches ein eigener Staat versprochen worden war, sind die Kurd*innen die größte staatenlose Minderheit der Welt. Aber heute bleiben, abgesehen von einem trotzigen Iran, immer weniger Hindernisse übrig, die ein formalrechtlich unabhängiges Kurdistan verhindern. Die Türkei und Israel haben ihre Unterstützung zugesagt, während die Hände Syriens und die des Irak durch die schnellen Fortschritte des Islamischen Staates (früher ISIS) gebunden sind.

Mit der kurdischen Flagge über allen offiziellen Gebäuden und den Peschmerga, die die Islamisten mit Unterstützung der lange überfälligen militärischen US-Hilfe unter Kontrolle halten, vereinigt sich Südkurdistan (Irak) mit seinen Genoss*innen in Westkurdistan (Syrien), das die zweite de facto autonome Region des neuen Kurdistan bildet. Sie haben schon damit begonnen ihr eigenes Öl zu exportieren und haben das an Öl reiche Kirkuk zurückerobert. Sie haben ihr eigenes, säkulares, gewähltes Parlament und eine pluralistische Gesellschaft. Sie haben bei der UN ihren Antrag auf Anerkennung als souveräner Staat eingereicht und es gibt nichts, was die irakische Regierung tun könnte – oder die USA ohne israelische Unterstützung tun würde, um das zu stoppen.

Trotzdem ist der kurdische Kampf nicht annähernd nationalistisch geprägt. In den Bergen über Erbil, im alten Landesinneren Kurdistans, das sich über die Grenzen der Türkei, des Iran, irak und Syriens windet, wurde eine Soziale Revolution geboren.

Die Theorie des Demokratischen Konföderalismus

Zur Jahrhundertwende, als der US-amerikanische Radikale Murray Bookchin seinen Versuch aufgab, die heutige anarchistische Bewegung mit seiner Philosophie der Sozialen Ökologie wiederzubeleben, wurde der PKK-Gründer und Anführer Abdullah Öcalan in Kenia von türkischen Beamt*innen verhaftet und wegen Hochverrat zum Tode verurteilt. In den folgenden Jahren gewann der alte Anarchist in dem hartgesottenen Kämpfer einen unerwarteten Anhänger, dessen paramilitärische Organisation – die Arbeiter*innenpartei Kurdistans – in vielen Teilen der Welt als terroristische Organisation eingestuft ist, weil sie einen brutalen Krieg der nationalen Befreiung gegen die Türkei führt.

In seinen Jahren in Einzelhaft, in denen er die PKK von der Zelle aus leitete – seine Todesstrafe wurde in lebenslange Haft umgewandelt – eignete sich Öcalan eine Art des Libertären Sozialismus an, die so unbedeutend war, dass nur wenige Anarchist*innen je davon gehört haben: Bookchins Libertärer Kommunalismus. Öcalan veränderte und verfeinerte Bookchins Vision und benannte sie in „Demokratischen Konföderalismus“ um, mit der Folge, dass die Union der Gemeinschaften Kurdistans (Koma Civakên Kurdistan oder KCK), das territoriale Experiment der PKK, zu einer freien und direktdemokratischen Gesellschaft, für die meisten Anarchist*innen weitgehend ein Geheimnis blieb, ganz zu schweigen von der breiten Öffentlichkeit.

Auch wenn Öcalans Gesinnungswandel der Wendepunkt war, fegte schon nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den 1990er Jahren eine breitere Renaissance von libertär-linker und unabhängiger Literatur durch die Berge und von Hand zu Hand der breiten Masse. „[Sie] analysierten Bücher und Artikel von Philosoph*innen, Feminist*innen, (Neo-)Anarchist*innen, libertären Kommunist*innen, Kommunalist*innen und Sozialen Ökolog*innen. So kamen Autor*innen wie Murray Bookchin [und andere] in ihren Fokus,“ erzählt uns der Aktivist Ercan Ayboga.

Öcalan begann in seinen Gefängnisschriften mit einer sorgfältigen Überprüfung und Selbstkritik der schrecklichen Gewalt, des Dogmatismuses, des Personenkultes und des Autoritarismus, die er gefördert hatte: „Es ist klar geworden, dass unsere Theorie, unser Programm und unsere Praxis der 1970er nichts als nutzlosen Seperatismus und nutzlose Gewalt produzierte und, was noch viel schlimmer ist, dass der Nationalismus, den wir eigentlich hätten ablehnen sollen, uns alle befallen hat. Auch wenn wir ihn prinzipiell und rhetorisch ablehnten, akzeptierten wir ihn als unumgänglich.“ Früher der unhinterfragte Führer, schlussfolgerte Öcalan jetzt, dass „Dogmatismus genährt wird von abstrakten Wahrheiten, die zu gewohnheitsmäßigen Denkweisen werden. Sobald du solche generellen Wahrheiten in Worte packst, fühlst du dich wie ein Hohepriester im Dienst deines Gottes. Das war der Fehler, den ich beging.“

Öcalan, ein Atheist, schrieb schließlich als ein Freigeist, unbeeindruckt von der marxistisch-leninistischen Mythologie. Er gab an, dass er nach einer „Alternative zum Kapitalismus“ und einem „Ersatz für das zusammengebrochene Model des … ‚real existierenden Sozialismus’“ suchte, als er auf Bookchin stieß. Seine Theorie des Demokratischen Konföderalismus entwickelte sich aus einer Kombination von Inspirationen durch kommunalistische Intellektuelle, Bewegungen wie die der Zapatistas und anderer historischer Faktoren des Kampfes in Nordkurdistan (Türkei). Öcalan bezeichnete sich selbst als einen Studenten Bookchins und nach einem gescheiterten E-Mail-Schriftwechsel mit dem alten Theoretiker, der zu seinem großen Bedauern zu krank für einen Austausch auf seinem Sterbebett im Jahr 2004 war, feierte ihn die PKK anlässlich seines Todes zwei Jahre später als einen der größten Sozialwissenschaftler*innen des 20. Jahrhunderts.

Die Praxis des Demokratischen Konföderalismus

Die PKK selbst ist offensichtlich ihrem Anführer nicht nur in Bezug auf Bookchins spezielle Lesart des Öko-Anarchismus gefolgt, sondern hat aktiv die neue Philosophie in ihren Strategien und Taktiken verinnerlicht. Die Bewegung schwor ihrem blutigen Krieg für eine stalinistisch-maoistische Revolution ab sowie den Taktiken des Terrors, die dieser mit sich brachte und begann eine großangelegte gewaltfreie Strategie zu durchlaufen, die auf größere regionale Autonomie abzielte.

Nach Jahrzehnten des internen Verrats, gescheiterten Waffenruhen, willkürlichen Verhaftungen und erneuter Aufnahme der bewaffneten Auseinandersetzungen, erklärte die PKK am 25. April dieses Jahres einen sofortigen Rückzug ihrer Kräfte aus der Türkei und ihrer Stationierung im Nordirak, was effektiv ihren 30 Jahre alten Konflikt mit dem türkischen Staat beendete. Die türkische Regierung setzte gleichzeitig einen Prozess verfassungsmäßiger und rechtlicher Reformen in Gang, um die Menschen- und kulturellen Rechte der kurdischen Minderheit innerhalb der türkischen Grenzen zu gewährleisten. Dies kam als letzter Teilder lang erwarteten Verhandlungen zwischen Öcalan und dem türkischen Premierminister Erdoğan als Teil des Friedensprozesses, der 2012 begann. Es hat seit einem Jahr keine Gewalt von Seiten der PKK gegeben und begründete Rufe nach einer Streichung der PKK von den Terrorlisten der Welt sind erklungen.

Dennoch bleibt die dunkle Geschichte der PKK an ihr haften – autoritäre Methoden, die nicht so richtig zu ihrer neuen libertären Rhetorik passen wollen. Geldbeschaffung durch Heroinhandel, Erpressung, Zwangswehrdienst und allgemein kriminelle Machenschaften wurden Abteilungen der PKK wiederholt vorgeworfen oder zugeschrieben. Falls das der Wahrheit entsprechen sollte, kann es keine Entschuldigungen für diese Art des aggressiven Opportunismus geben, trotz der offensichtlichen Ironie, dass der völkermörderische türkische Staat selbst in nicht kleinem Maße von einem lukrativen Monopol auf den legalen Export von staatlich angebauten „medizinischen“ Opiaten in den Westen finanziert wurde und ermöglicht durch seine Wehrpflicht und Besteuerung für ein riesiges Antiterrorbudget und übergroße Armeekräfte (die Türkei hat nach den USA die zweitgrößte Armee der NATO.).

Wie es der üblichen Heuchelei beim Krieg gegen den Terror entspricht, sind es immer die Nichtrepräsentierten, die als Terrorist*innen gebrandmarkt werden. Öcalan selbst beschreibt diese beschämende Periode als eine von „Banden innerhalb unserer Organisation und offenem Banditentum, die nutzlose, willkürliche Operationen arrangierten, um junge Menschen reihenweise in den Tod zu schicken“.

Anarchistische Strömungen im Kampf

Ein weiteres Zeichen dafür, dass sie ihre marxistisch-leninistische Wege verlässt, ist, dass die PKK kürzlich damit begonnen hat, dem Anarchismus weltweit deutliche Angebote zu machen. Sogar beim internationalen anarchistischen Treffen in St. Imier in der Schweiz 2012 veranstaltete sie einen Workshop, der zu Verwirrung, Betroffenheit und Onlinedebatten führte, aber von der breiteren anarchistischen Presse weitestgehend unbemerkt blieb.

Janet Biehl, Bookchins Witwe, ist eine der wenigen westlichen Anarchist*innen, die die KCK vor Ort studiert. Sie hat ausführlich über ihre Erfahrungen auf der Website New Compass geschrieben und Interviews mit kurdischen Radikalen veröffentlicht, die am Alltagsgeschehen der demokratischen Versammlungen und der föderativen Strukturen beteiligt sind. Ebenso hat sie die erste anarchistische Studie in Buchlänge zum Thema übersetzt und veröffentlicht: Demokratische Autonomie in Nordkurdistan: Die Rätebewegung, Geschlechterbefreiung und Ökologie (2013).

Die einzige andere englischsprachige, anarchistische Stimme ist das Kurdische Anarchistische Forum (KAF), eine pazifistische Gruppe irakischer Kurd*innen, die in Europa leben und von sich behaupten, dass sie „keine Beziehungen zu anderen linken Gruppen haben“. Obwohl sie ein föderiertes Kurdistan unterstützen, erklärt das KAF, dass „wir die PKK nur unterstützen, wenn sie ihren bewaffneten Kampf ganz einstellen, sich für die Organisierung von massenhaften Graswurzelbewegungen einsetzt, um die sozialen Forderungen der Bevölkerung zu erreichen, zentralisierte und hierarchische Methoden des Kampfes anprangert und einstellt und sich stattdessen in föderierte, autonome Gruppen umwandelt, alle Beziehungen und Geschäfte mit den Staaten des Mittleren Ostens und des Westens beendet, charismatische Machtpolitik anprangert und sich der Antistaatlichkeit und dem Antiautoritarismus verschreibt – nur dann werden wir gerne voll und ganz mit ihr zusammenarbeiten“.

Bookchin wörtlich nehmen

Dieser Tag (vom Pazifismus mal abgesehen) könnte in erreichbarer Nähe sein. Die PKK/KCK scheint Bookchins Sozialer Ökologie wortgetreu zu folgen, mit nahezu jeder Einzelheit bis hin zu und einschließlich ihrer widersprüchlichen Teilnahme am Staatsapparat durch Wahlen, genau wie es in der Literatur vorgegeben ist.

Wie Joost Jongerden und Ahmed Akkaya schreiben „unterscheidet Bookchin in seinem Werk zwischen zwei politischen Ideen, der griechischen und der römischen“, sprich: der direkten und der repräsentativen Demokratie. Bookchin sieht seine Form des Neo-Anarchismus als eine praktische Wiederbelebung der Athenischen Revolution des Altertums. Das „Athener Modell existiert als eine Gegen- und Untergrundströmung, die ihren Ausdruck in der Pariser Kommune von 1871, den Räten (Sowjets) in der Frühzeit der russischen Revolution von 1917 und der spanischen Revolution von 1936 findet“.

Bookchins Kommunalismus enthält einen fünfstufige Herangehensweise:

  1. Bestehenden Gemeinden durch Gesetze mehr Entscheidungsbefugnisse geben, um die Entscheidungsmacht vor Ort zu verankern.

  2. Diese Gemeinden durch Graswurzelversammlungen demokratisieren.

  3. Gemeinden „in regionalen Netzwerken und größeren Föderationen…“ zusammenfassen, „…um darauf hinzuarbeiten, die Nationalstaaten durch kommunale Föderationen zu ersetzen“, während sichergestellt wird, dass „höhere Ebenen der Föderation hauptsächlich koordinierende und verwaltungstechnische Funktionen haben“

  4. „Fortschrittliche soziale Bewegungen vereinen“, um die Zivilgesellschaft zu stärken und „einen allgemeinen Brennpunkt für alle Bürgerinitiativen und Bewegungen“ zu etablieren: die Versammlungen. Diese Zusammenarbeit ist „nicht […], weil wir erwarten, immer nur harmonischen Konsens zu sehen, sondern – im Gegenteil – weil wir an Meinungsverschiedenheit und Diskussionen glauben. Die Gesellschaft entwickelt sich durch Debatte und Konflikt.“ Zusätzlich sollen die Versammlungen säkular sein, „gegen religiöse Einflüsse auf die Politik und die Regierung kämpfen“ und eine „Arena für den Klassenkampf“ sein.

  5. Um ihre Vision einer „klassenlosen Gesellschaft, basierend auf kollektiver politischer Kontrolle über die sozial wichtigen Produktionsmittel“ zu erreichen, ist die „Kommunalisierung der Wirtschaft“ und eine „föderale Verteilung der Ressourcen“ gefordert, „die das Gleichgewicht zwischen den Regionen sichern sollen.“ Dies entspricht, einfacher ausgedrückt, einer Kombination von Arbeiterselbstverwaltung und dezentraler Planwirtschaft, um den sozialen Bedürfnissen gerecht zu werden: Das ist klassische anarchistische Ökonomie.

Wie es Eirik Eiglad, Bookchins früherer Herausgeber und KCK-Analyst, ausdrückt:

Von besonderer Wichtigkeit ist die Notwendigkeit, die Erkenntnisse der feministischen und ökologischen Bewegungen mit denen der neuen urbanen Bewegungen und Bürgerinitiativen zu kombinieren, genauso wie die der Gewerkschaften und der lokalen Kooperativen und Kollektive […] Wir glauben, dass die kommunalistische Idee einer auf Versammlungen basierenden Demokratie ihren Teil dazu beisteuern wird, diesen fortschrittlichen Austausch von Ideen auf einer beständigeren Basis mit mehr direkten politischen Konsequenzen zu ermöglichen. Der Kommunalismus ist allerdings nicht nur ein taktischer Weg, radikale Bewegungen zusammenzuführen. Unsere Forderung nach einer gemeindeorientierten Demokratie ist auch der Versuch, Vernunft und Ethik an die Spitze öffentlicher Diskussionen zu bringen.

Für Öcalan bedeutet Demokratische Konföderalismus eine „demokratische, ökologische, vom sozialen Geschlecht befreite Gesellschaft oder einfach „Demokratie ohne Staat“. Er stellt ausdrücklich die „kapitalistische Moderne“ der „demokratischen Moderne“ gegenüber, in der die früheren „drei Grundelemente Kapitalismus, Nationalstaat und Industrialismus“ durch eine „demokratische Nation, Gemeindewirtschaft und ökologische Industrie“ ersetzt sind. Dies bedingt „drei Projekte: eines für die demokratische Republik, eines für den demokratischen Föderalismus und eines für die demokratische Autonomie.“

Das Konzept der „demokratischen Republik“ bezieht sich hauptsächlich darauf, die den Kurd*innen lange verweigerte Staatsbürgerschaft und Bürgerrechte zu erlangen, einschließlich der Möglichkeit ihre eigene Sprache frei zu sprechen und zu unterrichten. Die demokratische Autonomie und der demokratische Föderalismus beziehen sich beide auf die „autonomen Fähigkeiten der Menschen, eine direktere, weniger auf Vertretung basierende Form der politischen Struktur“.

Derweil merken Jongerden und Akkaya an, dass „das Modell des freien Munizipalismus darauf abzielt, eine von unten nach oben organisierte, auf Teilnahme basierende Verwaltung, von lokalen zu Bezirksebenen, zu realisieren. Das „Konzept des/der freien Bürger*in (ozgur yarttas) [ist] sein Ausgangspunkt“, welcher „grundlegende Bürger*innenrechte, wie z.B. die Redefreiheit und die Freiheit, sich zu organisieren, beinhaltet.“ Das Kernstück des Modells sind die Nachbarschaftsversammlungen bzw. die „Räte“, zwei Begriffe, die synonym verwendet werden.

An den Räten sind alle Bewohner*innen beteiligt, einschließlich nichtkurdischer Menschen, und während Nachbarschaftsversammlungen in verschiedenen Bezirken stark sind, „gibt es in Diyarbakir, der größten Stadt in Türkisch-Kurdistan, nahezu überall Versammlungen“. Anderswo, „in den Bezirken Hakkari und Sirnak […] gibt es zwei parallele Autoritäten [die KCK und den Staat], von denen die demokratisch-konföderale Struktur in der Praxis stärker ist“. Die KCK in der Türkei „ist in den Ebenen Dorf (köy), städtische Nachbarschaft (mahalle), Distrikt (ilçe), Stadt (kent) und Region (bölge), welche als „Nordkurdistan“ bezeichnet wird, organisiert“.

Die „höchste“ Ebene der Föderation in Nordkurdistan, der DTK (Demokratik Toplum Kongresi, Demokratischer Gesellschaftskongress), ist eine Mischung von Delegierten der Basis mit abberufbaren Mandaten, die bis zu 60 Prozent ausmachen und Vertreter*innen von „mehr als 500 zivilgesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften und politischen Parteien“, die bis zu 40 Prozent ausmachen, von denen ungefähr sechs Prozent „für Vertreter*innen von religiösen Minderheiten, Akademiker*innen oder anderen Personen mit besonderen Fachkompetenzen reserviert“ sind.

Es ist unklar, welchen Anteil an diesen 40 Prozent die in ähnlicher Weise delegierten Personen aus direktdemokratischen, nichtstaatlichen, zivilgesellschaftlichen Gruppen im Vergleich zu den gewählten oder nicht gewählten Parteibürokrat*innen ausmachen. Personelle Überschneidungen bei unabhängigen kurdischen Bewegungen und kurdischen politischen Parteien, wie auch die Verinnerlichung vieler Aspekte der direktdemokratischen Prozedur durch diese Parteien verkomplizieren die Situation zusätzlich. Dennoch herrscht bei Beobachter*innen informell Einigkeit darüber, dass die Mehrzahl der Entscheidungen durch die eine oder andere Regelung direktdemokratisch getroffen werden, so dass die Mehrzahl dieser Entscheidungen an der Basis entwickelt werden und dass die Entscheidungen von unten nach oben in Übereinstimmung mit den föderalen Strukturen ausgeführt werden.

Weil die Versammlungen und der DTK von der illegalen KCK koordiniert werden, der die PKK angehört, werden sie von der Türkei und der sogenannten internationalen Gemeinschaft (EU, USA und andere) ebenfalls als „terroristisch“ bezeichnet. Der DTK sucht auch die Kandidat*innen der prokurdischen BDP (Barış ve Demokrasi Partisi; Partei für Frieden und Demokratie) für das türkische Parlament aus, welche im Gegenzug „Demokratische Autonomie“ für die Türkei fordert, in einer Art Kombination von repräsentativer und direkter Demokratie. Dem föderalen Modell folgend schlägt sie die Etablierung von ungefähr 20 autonomen Regionen vor, die sich in Belangen von „Bildung, Gesundheit, Kultur, Landwirtschaft, Industrie, sozialen Einrichtungen und Sicherheit, Frauenfragen, Jugend und Sport“ direkt selbst regieren würden (auf anarchistische und nicht auf Schweizer Art) mit dem Staat, der weiterhin für „Außenpolitik, Finanzen und Verteidigung“ zuständig wäre.

Die Soziale Revolution beginnt

Vor Ort hat die Revolution mittlerweile schon begonnen.

In Türkisch-Kurdistan gibt es eine unabhängige Bildungsbewegung mit „Akademien“, die Diskussionsforen und Seminare in Nachbarschaften organisieren. Da gibt es die Culture Street, wo Abdullah Demirbas, der Bürgermeister des Stadtteils Sur in Amed, die „Vielfalt der Religionen und Glaubenssysteme“ feiert. Er erklärt, dass „wir damit begonnen haben, eine Moschee, eine chaldäisch-aramäische katholische Kirche, eine orthodoxe aramäische Kirche und eine jüdische Synagoge „ zu restaurieren. An anderer Stelle berichten Jongerden und Akkaya, dass „DTP-Gemeinden einen ‚mehrsprachigen Gemeindeservice‘ initiierten, was erhitzte Debatten lostrat. Straßenschilder der Gemeinde sind in Kurdisch und Türkisch gehalten und örtliche Ladenbesitzer*innen folgten diesem Beispiel“.

Die Befreiung der Frau wird von den Frauen selbst durch die Initiativen des Frauenrats des DTK vorangetrieben, indem sie Regeln wie eine 40-Prozent-Genderquote in den Versammlungen durchsetzen. Wenn ein Angestellter des öffentlichen Dienstes seine Ehefrau schlägt, wird sein Gehalt direkt an das Opfer überwiesen, um ihre finanzielle Sicherheit zu gewährleisten. Sie kann das Geld nach eigenem Gutdünken verwenden. „Falls ein Ehemann in Gewer eine zweite Frau heiratet, geht die Hälfte seines Besitzes an die erste Frau.

Es gibt Friedensdörfer, neue oder umgewandelte Gemeinschaften von Kooperativen, die ihr eigenes Programm völlig außerhalb der logistischen Einschränkungen durch den kurdisch-türkischen Krieg umsetzen. Die erste solche Gemeinde wurde im Bezirk Hakkari errichtet, angrenzend an den Irak und den Iran, wo „mehrere Dörfer“ sich dem Experiment anschlossen. Im Bezirk Van wurde ein „ökologisches Frauendorf“ erbaut, um Opfern von häuslicher Gewalt Zuflucht zu gewähren. Es versorgt sich „mit aller oder nahezu aller notwendigen Energie“ selbst.

Die KCK veranstaltet alle zwei Jahre Treffen mit hunderten von Delegierten aus allen vier Ländern in den Bergen. Dabei steht die Bedrohung für den autonomen Süden und Westen Kurdistans durch den Islamischen Staat ganz oben auf der Agenda. Die iranischen und syrischen, der KCK angeschlossenen Parteien PJAK (Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê, Partei für ein freies Leben in Kurdistan) und PYD (Partiya Yekitîya Demokrat; Partei der demokratischen Union) treiben den demokratischen Konföderalismus ebenfalls voran. Die irakische KCK-Partei PCDK (Partiya Çareseriya Demokratik a Kurdistan; Partei für eine politische Lösung in Kurdistan) ist relativ bedeutungslos. Die herrschende gemäßigte Kurdische Demokratische Partei und ihr Anführer Massoud Barzani, Präsident von Irakisch-Kurdistan, entkriminalisierte sie erst vor Kurzem und beginnt sie nun zu tolerieren.

In der nördlichsten Bergregion in Irakisch-Kurdistan, wo die meisten PKK- und PJAK-Kämpfer*innen leben, erblühen radikale Literatur und Versammlungen unter der erneuten Einbeziehung der vielen Kurd*innen aus den Bergen, nach Jahrzehnten der Vertreibung. In den letzten Wochen sind diese Aktivist*innen von den nördlichsten Bergen heruntergekommen, um Seite an Seite mit den irakischen Peschmerga gegen die ISIS zu kämpfen. Sie haben 20.000 Jesid*innen und Christ*innen aus den Bergen von Sinjar gerettet und wurden von Barzani besucht, der sich in aller Öffentlichkeit bei ihnen bedankte und ihnen seine Solidarität aussprach, was einen Gesichtsverlust für die Türkei und die USA bedeutete.

Die syrische PYD ist dem Beispiel Türkisch-Kurdistans bei der revolutionären Transformation der autonomen Regionen gefolgt, die seit dem Ausbruch des Bürger*innenkriegs unter ihrer Kontrolle stehen. Nach „Verhaftungswellen“ unter der ba’athistischen Repression, mit „10.000 inhaftierten Menschen, unter ihnen Bürgermeister*innen, lokale Parteivorsitzende, Abgeordnete, Kader und Aktivist*innen […], vertrieben kurdische PYD-Kräfte das Baathregime in Nordsyrien (bzw. Westkurdistan) [und] lokale Räte tauchten plötzlich überall auf“. Es entstanden improvisierte Selbstverteidigungskommittees, um „Sicherheit nach dem Zusammenbruch des Ba’athregime“ zu gewährleisten und „die erste die kurdische Sprache unterrichtende Schule“ wurde errichtet, während die Räte für die gerechte Verteilung von Brot und Treibstoff sorgten.

Im türkischen, syrischen und, in einem geringeren Ausmaß, im irakischen Kurdistan haben Frauen nun die Möglichkeit, den Schleier abzulegen, und sie werden stark dazu ermutigt am sozialen Leben teilzunehmen. Alte, feudale Verbindungen werden aufgebrochen, die Menschen sind frei, einer Religion ihrer Wahl oder keiner zu folgen und ethnische und religiöse Minderheiten leben friedlich miteinander. Wenn sie in der Lage sind das neue Kalifat aufzuhalten, könnte die PYD-Autonomie in Syrisch-Kurdistan und der KCK-Einfluss in Irakisch-Kurdistan eine noch tiefgreifendere Explosion von revolutionärer Kultur und revolutionären Werten bewirken.

Am 30. Juni 2012 hat jetzt auch das Nationale Koordinierungskommittee für einen demokratischen Wechsel (National Coordination Committee for Democratic Change; NCB), die breitere revolutionäre, linke Koaliation in Syrien, von der die PYD die größte Gruppe darstellt, „das Projekt der Demokratischen Autonomie und des Demokratischen Konföderalismus als ein mögliches Modell für Syrien“ angenommen.

Die kurdische Revolution vor dem IS verteidigen

In der Zwischenzeit hat die Türkei damit gedroht, in kurdische Gebiete einzufallen, falls „Terrorlager in Syrien errichtet werden“, weil hunderte KCK-Kämpfer*innen (einschließlich der PKK) aus Kurdistan die Grenze überqueren, um Rojava (kurdisch für Westen) vor den Angriffen des Islamischen Staates zu verteidigen. Die PYD behauptet, dass die moderate islamistische Regierung der Türkei sich schon in einem Stellvertreterkrieg gegen sie befindet, indem sie die Reise internationaler Dschihadisten über die Grenze erleichtert, die mit den Islamisten kämpfen wollen.

In Irakisch-Kurdistan rief Barzani, dessen Kämpfer*innen in den 1990er Jahren im Austausch für den Zugang zu den westlichen Märkten an der Seite der Türkei gegen die PKK kämpften, nach einer „kurdischen Einheitsfront“ in Syrien, einschließlich einer Allianz mit der PYD. Barzani vermittelte 2012 das „Abkommen von Erbil“, das zur Gründung des Kurdischen Nationalrats führte. PYD-Anführer Salih Muslim bekräftigte, dass „alle Teilnehmer*innen ernsthaft und entschlossen sind, um weiterhin zusammenzuarbeiten“.

Auch wenn das Studium und die Umsetzung libertär-sozialistischer Ideen unter der KCK-Führung und ihrer Basis unzweifelhaft eine positive Entwicklung ist, bleibt es immer noch abzuwarten, wie ernst es ihnen damit ist, ihre blutige, autoritäre Vergangenheit hinter sich zu lassen. Der kurdische Kampf um Selbstbestimmung und kulturelle Souveränität bilden einen silbernen Streif in den dunklen Wolken, die sich über dem Islamischen Staat und den blutigen Kriegen zwischen Islamismus, Ba’atismus und religiösem Sektierertum zusammenballen, die überhaupt erst zur Entstehung des IS geführt haben.

Eine fortschrittliche und säkulare pankurdische Revolution mit libertär-sozialistischen Elementen, die die irakischen und syrischen Kurd*innen vereint und die türkischen und iranischen Kämpfe wiederbelebt, könnte immer noch eine mögliche Perspektive sein. In der Zwischenzeit schulden jene von uns, die der Idee der Zivilisation einen Wert beimessen, den Kurd*innen Dank. Sie bekämpfen Tag und Nacht die Dschihadisten des islamistischen Faschismus an den Fronten in Syrien und des Irak und verteidigen radikaldemokratische Werte mit ihren Leben.

Die Kurd*innen haben keine Freund*innen, außer den Bergen.“ (kurdisches Sprichwort)

Rafael Taylor ist ein libertärer Sozialist und selbständiger Journalist, der in Melbourne lebt. Er ist auch Moderator desFloodgates Of Anarchy“-Podcasts, Mitglied der ASF-IAA (Anarcho-Syndicalist Federation – Internationale ArbeiterInnen-Assoziation) und Vorsitzender der Left Libertarian Alliance Melbourne.

karte kurdistan

Bild: Aktuelle (von mir bearbeitete) Karte von Syrien und dem Irak. Die gelben Flächen in Nordsyrien werden von syrischen Kurd*innen kontrolliert, die grünen Flächen im Nordost-Irak werden von irakischen Kurd*innen kontrolliert. (Quelle: Wikimedia Commons).

Zum Weiterlesen:

  • Tatort Kurdistan (Herausgeber*in): Demokratische Autonomie in Nordkurdistan – Rätebewegung, Geschlechterbefreiung und Ökologie in der Praxis – Eine Erkundungsreise in den Süden der Türkei (ISBN 978-3-941012-60-8) oder online lesen.

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die häuser denen, die drin wohnen…

[einige gruppen des anarchistischen netzwerks südwest* veranstalten gemeinsam mit den lokalen recht-auf-stadt-gruppen eine kleine rundreise mit peter nowak, der dabei sein neues buch „zwangsräumungen verhindern!“ vorstellen wird.]

Veranstaltungsrundreise: Buchvorstellung Zwangsräumungen verhindern!

Zwangsräumungen verhindern!
Buchvorstellung und Diskussion mit dem Autor und Journalisten Peter Nowak.

Poster_VA_PeterNowak_finalSeit Jahren werden in Deutschland tausende Menschen zwangsweise aus ihren Wohnungen geräumt, weil sie die Miete nicht zahlen können. Bisher gab es dagegen kaum Proteste. Doch seit einigen Monaten lassen sich Mieter_innen nicht mehr still vertreiben.

Der Journalist Peter Nowak hat in der Edition Assamblage das Buch „Zwangsräumung verhindern“ herausgegeben, in dem Geschichte und Perspektiven dieser Bewegung im Mittelpunkt stehen. Auf der Veranstaltung soll es vorgestellt werden.

Häufig liegt der Grund für die Mietschulden in der Weigerung der Jobcenter die volle Miete zu übernehmen. Ein weiterer Grund ist die zunehmende Totalsanktionierung von Erwerbslosen. Dabei werden ihnen sämtliche Einkünfte gestrichen und die Betroffenen können dann auch die Miete nicht mehr zahlen. Auf der Veranstaltung soll daher auch diskutiert werden, ob und wie de Kampf gegen Zwangsräumungen mit dem Kampf gegen Niedriglohn und Hartz IV verbunden werden kann.

Die Rundreise mit Peter Nowak, organisiert vom Anarchistischen Netzwerk Südwest* in Kooperation mit den lokalen Recht auf Stadt Initativen:

Montag 15.09 | Freiburg: Strandcafé (Adlerstraße 12) | 20 Uhr
Dienstag 16.09 | Karlsruhe: Wagenburg (Haid- und Neu- Straße 153) | 20 Uhr
Donnerstag 18.09 | Mannheim: Wild West (Alp­horn­str. 38) | 20 Uhr

Flyer zum verteilen

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gǎi dào 改道 nr. 45 / anarchistisches treffen in japan

[am ersten september ist die aktuelle ausgabe der gǎi dào 改道 erschienen. der inhalt erstreckt sich von kuba über japan bis in den hambacher forst, von christlichem anarchismus über freien sperrmüll zur psychlogosierung des nationalismus. und das ist nur eine auswahl. also mal wieder ein umfangreiche, lesenswerte ausgabe. abonnieren könnt ihr die druckversion hier und online lesen hier.

von mir gibt es eine kleine übersetzung zum „treffen am sechsten august“ 2015 in japan, die ihr unten lesen könnt.]

Das „Treffen am Sechsten August“ in Hiroshima 2015

Die Vereinigung für Anarchistische Studien in Hiroschima entschied beim diesjährigen „Treffen am Sechsten August“, eine große Bandbreite von am Anarchismus interessierte Menschen aus Japan oder von außerhalb zum „Treffen am Sechsten August“ 2015 einzuladen. Der Grund ist der 70. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Japans Niederlage im Zweiten Weltkrieg.

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Die Gruppe für Anarchistische Studien Kansai, die diese Einladung begrüßt, hat entschieden, sich gemeinsam mit der Forschungsgruppe für Anarchismus Hiroshima an der Organisation des „Treffens am Sechsten August“ einzubringen. Sie richten ihre Einladung speziell an am Anarchismus interessierte Menschen, die nicht aus Japan kommen. Die Gruppe für Anarchistische Studien Kansai nimmt Anmeldungen zum „Treffen am Sechsten August“ 2015 entgegen. Falls du teilnehmen willst, kontaktiere uns bitte über unten stehende E-Mail-Adresse. Wir nehmen auch Anmeldungen von Gruppen oder Einzelpersonen entgegen, die sich vorstellen können, die Veranstaltung mit uns gemeinsam zu organisieren.

Und wir suchen Menschen, die Englisch in Japanisch und Japanisch in Englisch übersetzen können, die Menschen aus dem Ausland unterstützen können und die beim Aufbau des Veranstaltungsortes und bei anderen organisatorischen Aufgaben helfen wollen.

Wir suchen speziell Menschen, die in oder in der Gegend von Hiroschima leben und die sich während des kommenden Jahres mit Mitgliedern der Forschungsgruppe für Anarchismus Hiroshima unterhalten können. Falls du daran Interesse hast, melde dich bitte bei unten stehender E-Mail-Adresse.

Auch wenn das Programm für das Treffen noch nicht feststeht, planen wir ab dem Morgen bis zum Abend in der Innenstadt von Hiroschima eine Demonstration, ein Treffen mit Diskussionen und Vorträgen zur anarchistischen Bewegung in Japan und in der ganzen Welt.

Die Gruppe für Anarchistische Studien Kansai plant hauptsächlich Vorträge aus Sicht akademischer Forschung.

Wir suchen gesprochene Vorträge auf Japanisch und Englisch, die ca. 20 Minuten dauern. Die Themen sollten mit dem Sechsten August zu tun haben: z.B. Hiroschima und Anarchismus, Atomwaffen/Atomenergie und Anarchismus, Krieg und Frieden und Anarchismus.

Wir freuen uns auf eure Teilnahme. Lasst uns am Sechsten August 2015 in Hiroschima zusammenkommen.

Kontakt-E-Mail-Adresse: joh.most@gmail.com

Web: https://kansaianarchismstudies.blogspot.jp/

 

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kürbissuppe für alle!

[die anarchistische initiative ortenau geht ein bischen in die offensive und veranstaltet ab kommenden donnerstag ein sogenanntes offenes treffen. beim ersten gibt es leckere, vegane kürbissuppe.]

Erstes Offenes Treffen der Anarchistischen Initiative Ortenau

brewingpatchIn Zukunft werden wir regelmäßig offene Treffen veranstalten, zu denen jede*r Mensch kommen kann, der Interesse hat, sich über uns und unsere Aktivitäten zu informieren, der mit uns diskutieren oder einfach nur eine nette gemeinsame Zeit in entspannter Atmosphäre abseits des Alltäglichen verbringen möchte.

Dazu laden wir euch ein.

Wann, wo und wie unsere Treffen stattfinden, erfahrt ihr über Flyer, unseren Blog und unseren Newsletter. Darum haltet die Augen auf, schaut regelmäßig rein und lasst euch überraschen, was wir als nächstes planen.

Dieses Mal:
Vegane Vokü
Donnerstag, den 04. September 2014, ab 19 Uhr
Alarm e.V., Lise‐Meitner‐Straße 10, 77652 Offenburg

 

 

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augenblick mal…

„augenblick mal…!“ dachte ich, als ich im vorbeifahren aus dem augenwinkel einen blick auf den offenburger knast erhaschte. habe ich das richtig gelesen? in riesigen buchstaben? auf dem dach des knastes? ja, tatsächlich, dort steht eine 35 meter lange skulptur aus zwei meter hohen buchstaben, die das wort „augenblick“ bilden.

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[augenblick foto geklaut von hier.]

mein erster gedanke war, dass ich das ganz schön zynisch finde, den gefangenen menschen das wort „augenblick“ unter die nasen zu reiben. als ob ihre gefangenschaft nur einen solchen dauern würde. viele sitzen hier für jahre und lebenslänglich.

doch die gefangenen bekommen die skulptur nur sehr selten zu sehen: sie steht auf dem dach der zwangsarbeits-werkstätten und ist nur vom besucher*innenraum und den verwaltungsräumen zu sehen. und eben von außerhalb der mauern.

was also will die skulptur in uns auslösen? vielleicht das:

aus sicht der besucher*innen: zum glück bin ich nur einen augenblick hier eingesperrt…
aus sicht der angestellten in der verwaltung: zum glück dauert es nur noch einen augenblick bis zum feierabend…
aus sicht des gefangenen, der dann doch mal besuch erhält oder in einem büro der verwaltung z.b. sein beschlagnahmtes radio zurückverlangen will: augenblick mal, wollen die mich verarschen? ich bin noch neun jahre, acht monate und 24 tage hier drin…

die künstlerin lucia dellefant schreibt auf ihrer seite dazu:

„Die den Fenstern zugewandte Front des 30 Meter langen Wortes ist aus V2A 3D Stahl gefertigt. In dieser glänzenden Oberfläche spiegelt sich das Geschehen innerhalb der Räume und auf den Dachterrassen. Diese Spiegelungen in der Skulptur halten Augenblick für Augenblick fest und lassen diese für jeden im wahrsten sinne des Wortes ersichtlich werden.

Durch das Lesen des Wortes, das beobachten der Bewegungen und die Wahrnehmung der eigenen Person in der reflektierenden Oberfläche, wird die gegenwärtige Handlung des Betrachters für einen Augenblick unterbrochen – der Betrachter nimmt sich aus einem zeitlichen Ablauf heraus, hält inne und verharrt für einen Moment.

Es entsteht eine Pause, Ruhe kehrt ein und der Augenblick gewinnt an Raum. Vergangenheit und Zukunft, Entscheidungen, Aufgaben und Bedürfnisse, all diese Dinge rücken in den Hintergrund, können für ein paar Sekunden vergessen werden – nur der Augenblick – das subjektive empfinden von Gegenwart – zählt.

Die Skulptur AUGENBLICK lässt uns die Faszination eines Momentes erleben, ihn bewusster empfinden und ihn genießen, weit über den Begriff hinaus – beim Anblick der wunderbaren Landschaft.“

kein wort zum ort ihrer kunst, kein wort über die menschen, die hier eingesperrt sind. dafür sinnloses geschwurbel über „Wahrnehmung der eigenen Person“, stillstehende zeit und die „wunderbare Landschaft“. ist das zynismus? verdrängung von gesellschaftlicher realität (über 70.000 menschen sind in deutschland eingeknastet.)? egal, wo, hautpsache ich bringe meine kunst an den bau?

ich frage mich:
augenblick mal, warum werden menschen eingesperrt, um ihnen zu helfen?
augenblick mal, warum ist kunst oft so scheiße?

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alles für alle und zwar umsonst

[alarm offenburg veranstaltet zum zweiten mal einen umsonstflohmarkt.]

umsonstflohmarkt

Umsonst Flohmarkt in Offenburg am 28.Juni 2014

Samstag, 28.06.2014
10 – 15 h auf dem Marktplatz in Offenburg

Ein Umsonst-Flohmarkt? Was ist denn das?
Im Gegensatz zu herkömmlichen Flohmärkten, Tauschbörsen oder Second-Läden sind alle angebotenen Produkte bei einem Umsonst-Flohmarkt umsonst. Das heißt, dass Sie die lang gesuchte Schallplatte oder die passenden Hosen für Ihre Tochter wirklich einfach so mitnehmen können. Ohne Gegenleistung und ohne schlechtes Gewissen.

Unsere Welt ist überfüllt mit mehr oder weniger nützlichen Produkten. Ein großer Teil davon liegt die meiste Zeit über (oft vergessen auf dem Dachboden, in der Garage oder im Schrank) ungenutzt herum. Das will unser Umsonstflohmarkt aufzeigen und im Kleinen aufbrechen. Ressourcen schonen, Müll vermeiden, weiterverwerten. Mitnehmen, nutzen, weitergeben – aber ohne zu zahlen.

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freedom not frontex: auftaktdemonstration in kehl und strasbourg

350 menschen demonstrierten am sonntag für die bewegungsfreiheit aller menschen und gegen das rassistische grenzregime der europäischen union.

nachdem es 2012 den refugee protestmarch und den marche européenne des sans-papiers et migrant.e.s und 2013 die refugee bus tour gab, folgt in diesem jahr der marsch für die freiheit nach brüssel unter dem motto „freedom not frontex“. startpunkt sollten kehl und strasbourg sein und hier sollte auch der erste grenzübertritt erfolgen

liefen die vorbereitungen für den gesamten marsch schon seit einigen monaten, kamen die lokalen aktivist*innen in strasbourg und der ortenau eher knapp vor kurz in die pötte und so hatten sie nur etwa sieben wochen zeit, sich zusammenzufinden und den auftakt des marsches zu organisieren: schlafplätze, voküs, legal team, demo-sanitäter*innen, schutz, die demo in kehl und strasbourg anmelden, den grenzübertritt mit den behörden aushandeln, den rahmen des aktionstages abstecken und das alles zu berwerben. wie immer klappte das ganze auf den letzten drücker und der 18. mai stand vor der tür.

nach und nach trafen ab 10 uhr morgens auf dem kehler bahnhofsvorplatz immer mehr menschen ein: flüchtlinge, migrant*innen und unterstützer*innen versammelten sich um den infopoint und bereiteten sich auf die demonstration und den ersten grenzübertritt vor. am infopoint lagen stadtpläne, legal-team-informationen und flyer in verschiedenen sprachen bereit. eine samba-band spielte sich warm, der lebenslaute-chor sang, begleitet von einer gitarre, ein paar lieder und verschiedene redner*innen gingen auf organisatorische und inhaltliche details ein. die anwesende bereitschaftspolizei aus freiburg hielt sich im hintergrund, filmte aber ohne anlass die teilnehmer*innen der demo.

um 13:10 uhr ging es dann los in richtung europabrücke über den rhein, dessen mitte als staatsgrenze herhalten muss. auf der brücke wurde eine schweigeminute abgehalten: so konnte jede*r auf seine/ihre art den an den außengrenzen der eu gestorbenen menschen gedenken. als bleibende mahnung wurden schuhe von geflüchteten menschen am brückengeländer angebracht.

bei knallender sonne wurde die staatsgrenze überschritten und es ging weiter, am nicht mehr existierenden zollgebäude und ibis-hotel vorbei, in richtung city (diese wurde von der martialisch ausgerüsteten französischen bereitschaftspolizei crs gegen zutritt abgesichert…angeblich um den stattfindenden marathon zu schützen…) , zum rathaus, zum place d’austerlitz und schließlich zum museum für moderne kunst, wo auf dem place hans-jean arp zum abschluss ein konzert mit verschiedenen musiker*innen und bands stattfand. danach ging es entweder zur veganen vokü der genialen maulwürfe aus freiburg in der nähe des autonomen kulturzentrums molodoï oder zur theateraufführung der bühne für menschenrechte, die im cinema odyssee die asyl-monologe aufführten.

die stimmung während der demo war sehr gut und ausgelassen: der erste grenzübertritt war geschafft und der erfolg des tages machte vielen mut für den weiteren marsch. es wurden wegen dem guten wetter viele passant*innen angetroffen und über den marsch und dessen ziele informiert.

am darauffolgenden aktionstag wurde auf dem place kléber in der innenstadt eine banderole mit tausenden namen von an den eu-außengrenzen dem tod überlassenen menschen ausgerollt. im anschluss fand eine demonstration statt und in zwei kleineren aktionen wurden die siedlung der roma und das abschiebegefängnis in geispolsheim besucht. an letzterem wurden die aktivist*innen von der nervösen paf (police aux frontières: französische grenzschutzpolizei, eine abteilung der police nationale, welche ungefähr der deutschen bundespolizei entspricht) umzingelt, weil sie angeblich am knastzaun plakate angebracht hatten. nach einer anwaltlichen intervention, konnten sie unbeschadet wieder gehen.

am heutigen dienstag setzte sich der marsch mit ca. 60 menschen in richtung furdenheim in bewegung. über verschiedene stationen und mit drei weiteren grenzübertritten wollen sie ende juni und nach über 500 km brüssel erreichen.

aktuelle informationen findet ihr während des marsches auf freedomnotfrontex.noblogs.org.

solidarität mit den mutigen menschen des marsches.
no nation, no border! fight law and order!

[wenn ihr die fotos anklickt, werden sie…größer! echt jetzt!]

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gegen das grenzregime in und um europa! freedom not frontex!

[während die etablierten und nicht so etablierten parteien am 25.05.2014 mit immer inhaltsloseren parolen und nach wachstum schreienden programmen um die stimmen ihrer wähler*innen buhlen, nehmen migrant*innen und flüchtlinge aus ganz europa ab dem 18.05. ihr schicksal selbst in die hand: sie marschieren von strasbourg nach brüssel, missachten bewusst die menschenverachtenden auflagen der jeweiligen asyl- und ausländer*innengesetzgebungen und sagen ganz deutlich: es reicht! hier poste ich den aufruf von alarm offenburg für die aktionstage in kehl/strasbourg vom 18. bis zum 20.05.]

Marsch für die Freiheit – Freedom not Frontex!

Sonn­tag, 18.​05.​2014 Auf­takt­kund­ge­bung und De­mons­tra­ti­on in Kehl

Refugees-welcomeAb dem 18.​05.​2014 wer­den meh­re­re hun­dert Ak­ti­vist*innen, Flücht­lin­ge und Mi­grant*innen aus ganz Eu­ro­pa von Stras­bourg nach Brüs­sel mar­schie­ren. Die be­ste­hen­den Gren­zen wer­den be­wusst über­schrit­ten und in ver­schie­de­nen eu­ro­päi­schen Städ­ten sind Zwi­schen­stopps ge­plant.

Der Marsch be­ginnt mit dem Grenz­über­tritt von Deutsch­land nach Frank­reich, von Kehl nach Stras­bourg.

Die Ak­ti­vist*innen wen­den sich mit ihrer Ak­ti­on gegen die un­mensch­li­che Asyl­po­li­tik in Eu­ro­pa und neh­men mit die­sem Marsch ihre Be­lan­ge selbst in die Hand.

Aus dem Auf­ruf:
„Wir haben einen Traum:
– Be­we­gungs­frei­heit und freie Wahl des Wohn­sit­zes für alle Asyl­su­chen­den
– Stopp der Du­blin­fal­le und der Zwangs­un­ter­brin­gung in La­gern in Eu­ro­pa
– Dau­er­haf­te Auf­ent­halts­pa­pie­re
– Stopp der In­haf­tie­rung und Ab­schie­bun­gen von Mi­gran­t_in­nen
– Glei­che Ar­beits­be­din­gun­gen für Alle
– Glei­che po­li­ti­sche, so­zia­le und kul­tu­rel­le Rech­te für Alle: Recht auf Bil­dung und auf Ar­beit
– Stopp der im­pe­ria­lis­ti­schen Po­li­tik Eu­ro­pas: kein Frei­han­dels­ab­kom­men und keine NA­TO-​     Krie­ge
– Fron­tex, Eu­ro­sur und an­de­re An­ti-​Mi­gra­ti­ons­po­li­ti­ken und Maß­nah­men ab­schaf­fen“

Sonn­tag, 18.​05.​2014
Ab 10 Uhr Kund­ge­bung am Keh­ler Bahn­hof
13 Uhr De­mons­tra­ti­on über die Eu­ro­pa­brü­cke nach Stras­bourg
17 Uhr 30 Kon­zert

Mon­tag, 19.​05.​2014
Ak­ti­ons­tag in und um Stras­bourg

Diens­tag, 20.​05.​2014
of­fi­zi­el­ler Be­ginn des Mar­sches für die Frei­heit

Wer blei­ben will, soll blei­ben!
Wer kom­men will, soll kom­men!
No bor­ders, no na­ti­ons!

Wir so­li­da­ri­sie­ren uns mit den Ak­ti­vist*innen des Mar­sches für die Frei­heit und rufen dazu auf, an den Ak­tio­nen vom 18.-20.​05. teil­zu­neh­men, ins­be­son­de­re an der Kund­ge­bung in Kehl und der De­mons­tra­ti­on von Kehl nach Stras­bourg.

Infos unter freedomnotfrontex.​noblogs.​org.

Alarm Of­fen­burg, Mai 2014

 

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