„Menschen sterben und ihr schweigt, Scheiben klirren und ihr schreit“: So ungefähr fühlt es sich an, die lokale Presse nach dem 4. März zu lesen.
Die Fassade der Oberrheinhalle und der Asphalt davor erhielten ein paar rote Farbkleckse, Transparente waren zusammengeknotet, die Demo lief eine viertel Stunde zu früh los, der Verkehr war noch nicht geregelt…lächerliche Ausreden, um in der Öffentlichkeit die Bullengewalt gegen die Antifa-Demo zu rechtfertigen.
Klar, aus Sicht der Behörden sind Farbbeutel gegen eine Fassade Sachbeschädigung. Das Verknoten der Transparente war ein Verstoß gegen die Auflagen für die Demo. Durch das zu frühe Loslaufen der Demo fühlten die Bullen sich provoziert. Auf der Straße war wenig los, sonst hätte die Demo ja gar nicht ohne Probleme auf sie einbiegen können. Die Gewalt fing an, als die Bullen die Demo auf Teufel komm raus aufhalten wollten. Anstatt spontan auf die Situation sinnvoll zu reagieren, nämlich ihren scheiß Job zu machen, sprich, den Verkehr zu regeln, entschieden sie sich dafür, den Knüppel aus dem Sack zu lassen und das zu tun, was wir schon so oft erlebt haben. Erst jetzt wehrten sich die Leute aus der Demo gegen die Tonfaschläge und Kampfstiefeltritte gegen ihre Schienbeine. Das bestätigt auch ein Artikel von Die Zeit.
Aber eigentlich halte ich dieses „Wer hat angefangen“ – „Du!“, „Nein, Du!“ – für wenig zielführend. Ich halte es für völlig legitim, einen Ort, an dem sich Faschist*innen versammeln und gegen andersdenkende Menschen hetzen, mit Farbe zu markieren. Ich halte es für völlig in Ordnung, dass Menschen selbst bestimmen, wann sie eine Demo beginnen. Ich denke, dass wir auf Demoauflagen scheißen sollten und selbst entscheiden, ob wir Transpies zusammenknoten, Pyro und Rauchtöpfe einsetzen, uns schwarz kleiden und vermummen. Und ja, ich weiß, dass das in der Realität nicht einfach bis unmöglich ist, gerade in so einer kleinen Stadt wie Offenburg, aber ich halte es dennoch für richtig. Demoauflagen dienen nur einem Zweck: Uns zu kontrollieren, zu schikanieren und uns eben im Zweifelsfall eine Demo zu verbieten. Wir haben keine Chance in diesem Spiel von Recht und Ordnung, wo die Regeln von den Mächtigen gemacht und von einem militarisierten Polizeiapparat durchgesetzt werden. Darum ist es richtig, zu versuchen, selbstbestimmt zu demonstrieren, auch wenn wir dabei ihre Regeln brechen.
In den letzten drei Jahren fanden deutschlandweit hunderte Demos der sogenannten Querdenker*innen und Spaziergänger*innen statt. Auch in der Ortenau und in Offenburg, auch in dem Dorf, in dem ich lebe. Trotz der anfänglich noch sehr gefährlichen pandemischen Lage und entsprechender Demo-Verbote durften diese unbehelligt – immer wieder unter dem Applaus der Bullen und mit dem Wohlwollen von Politiker*innen – marschieren und sich und andere munter mit Covid 19 anstecken, den Holocaust relativieren und Menschen bedrohen. Es gab z. B. Schwurbeldemos ohne Masken, gegen die Antifas mit Masken protestierten. Die Bullen gingen gegen die Antifas vor. Diese offensichtliche Ungleichbehandlung sticht krass ins Auge und mensch darf sich schon fragen, was dahinter steckt. Ich sehe darin nicht unbedingt eine Parteinahme für die Schwurbler*innen, aber sehr wohl eine Ablehnung gegenüber der antifaschistischen Bewegung. Und die ist ja nicht neu. Ich habe ähnliche Situationen wie am 4. März in den letzten über 30 Jahren unzählige Male erlebt und eigentlich müsste es mich inzwischen kalt lassen, tut es aber immer noch nicht. Es kotzt mich an, dass Menschen, die Antifaschismus leben und als eine Grundlage für ihr politisches Handeln nehmen, unterdrückt und bestraft werden.
Die Afd treibt die anderen Parteien vor sich her und schafft es immer wieder, dass diese, aus Angst Wähler*innenstimmen an die Rechten zu verlieren, deren Sprache übernehmen und ihre Forderungen erfüllen. Geflüchtete ertrinken täglich im Mittelmeer, werden von Frontex und Co. rechtswidrig zurückgedrängt und ihres Rechts auf Asyl beraubt. Menschen werden täglich in ihre „Herkunftsländer“ und in den Tod abgeschoben. Immer wieder kommt es – 78 Jahre nach dem Ende des Dritten Reichs – zu faschistischen Anschlägen im Land der Täter*innen und die Stichwortgeber*innen sind die AfD und andere Nazis. Am 4. und 5. März hat die AfD an neuen Stichworten für ihre Erfüllungsgehilfen gefeilt. Die SPD, die Grünen, die CDU, die FDP sind ihre Steigbügelhalter*innen.
Und den Stadtoberen, namentlich OB Steffens, und anderen Heuchler*innen fällt nichts Besseres ein, die Bullengewalt gegen Linke zu loben und gegen Genoss*innen zu hetzen. Und genau hier passt der alte Spruch „Menschen sterben und ihr schweigt, Scheiben klirren und ihr schreit“ rein. Auch wenn wortwörtlich keine Scheiben zu Bruch gingen…aber das kann ja noch kommen.
Ich solidarisiere mich mit allen Betroffenen der Bullengewalt vom 4. März. Ihr habt nichts falsch gemacht.
Faschismus bekämpfen!
Seine Wurzeln vernichten!