Greta Thunberg und die Arschlöcher

Vor ein paar Tagen sah ich ein Auto mit einem Aufkleber an der Kofferraumklappe, auf dem „Fuck you Greta!“ stand. Ich war mir ziemlich sicher, dass damit nur die Klimaaktivistin Greta Thunberg gemeint sein könne.

Dass sie bei vielen erwachsenen Menschen nicht wirklich beliebt ist, war mir klar: Viele Leute tun sich schwer damit, wenn ihnen ein Spiegel (von einem Kind!) vorgehalten wird. Aber dass sich ein erwachsener Mann die Mühe macht, einen Aufkleber zu gestalten, mit dem er eine junge Frau beleidigen will, fand ich dann doch armselig. Naja, auf jeden Fall ließ mir der Sticker keine Ruhe und ich suchte im Internet nach dem Spruch und begab mich damit in eine Welt, die schon beim Lesen weh tat.

Der Sticker ist nicht auf dem Mist des einen Typen gewachsen. Nein, es gibt diesen Spruch in verschiedensten Variationen als Sticker und auf T-Shirts zu kaufen und er war schon vor einigen Monaten Thema in vielen Berichten. Bei mir kommt das halt erst jetzt an…
Auch hier zeigt sich wieder, dass Klimawandelleugner*innen und Nazis oft die selben Leute sind: Der Sticker wird u.a. auf der Naziseite politaufkleber.de verkauft. Hier kann mensch nicht nur seinen Hass auf eine Sechzehnjährige mit Autoaufklebern ausleben, nein, hier kann der*die gestandene Nazi seinen Hass auf alles und jede*n kaufen. Rassismus, Antisemitismus, Anti-Antifa, Misogynie, Faschismus, Verschwörungstheorien, Holocaust-Verharmlosung und eben das Leugnen des menschengemachten Klimawandels: Jedes rechte Thema wird bedient.  Auf einer anderen (Kommerz-) Seite wird der Sticker – neben u.a. diversen Punk-Accesoires – als Fun-Aufkleber beworben.
Unter Artikeln , die den Sticker zum Inhalt haben, toben sich dann in den Kommentarspalten die Greta-Hasser*innen so richtig aus und schnell wird es richtig eklig. Mir war dieser Hass nicht wirklich bewusst. Klar, ich habe ablehnende Haltungen (nicht nur von Rechts) gegen Greta Thunberg mitbekommen. Menschen, die keine Argumente haben, werden oft persönlich und so arbeiten sich die Hasser*innen an ihrem Asperger-Syndrom, an ihrem Alter, ihrem Geschlecht und ihrer vermeintlichen Humorlosigkeit ab. Sie entwerfen Verschwörungstheorien, hetzen gegen ihre Eltern und legen jedes ihrer Worte auf die Goldwaage. Aber: Warum tun sie das? Ausgangspunkt scheint Gretas Aktivismus gegen den menschengemachten Kimawandel zu sein. Irgendetwas scheint das bei ihren Gegner*innen auszulösen. Wird hier ihr Alarmknopf, der sie vor „Links-grün-versifften-Gutmenschen“ warnt, getriggert? Spült es ihre Verlustängste hoch? Wollten sie schon immer einer Sechzehnjährigen in aller Öffentlichkeit „Fick dich!“ entgegenschreien? Mich verwundert immer wieder, dass es Menschen gibt, die es schaffen, sich so komplett der Realität zu verweigern, statt dem offensichtlich Richtigen, das abgrundtief Falsche zu fordern und zu tun. Genau das tun nämlich die Klimawandelleugner*innen: Nahezu alle wissenschaftlichen Forschungen und Publikationen zum Thema Klima belegen, dass wir auf eine Katastrophe zusteuern. Immer öfter erleben wir es am eigenen Leib oder können es zumindest in den Medien lesen, hören und sehen: Die Theorie wird zur Realität in der Gegenwart. Und alles, was den Leugner*innen dazu einfällt, ist, einen Aufkleber auf ihre scheiß Karre zu pappen, mit dem sie ihre ganze verkackte gefährliche Irrationalität in die Welt hinausschreien und erst recht Gas zu geben: „Ja zum Diesel!“. Arschlöcher united.

Eines von vielen Greta-Murals: Hier an der Tobacco Factory in Bristol, England

Ich habe großen Respekt vor Great Thunberg und ihrer Haltung. Sie ist wahrscheinlich die einflussreichste Sechzehnjährige auf dem Planeten und sie nutzt diesen Einfluss ausschließlich für ihre Sache, die die Sache aller sein sollte: Die Rettung der Menschheit vor der kommenden Klimakatastrophe. Sie nimmt große Entbehrungen in Kauf, ist hartnäckig, ernst, konsequent und vieles mehr. Sie ist all das, was viele Menschen nicht mit einem pubertierenden Teenager assoziieren (wollen). Sie stellt Forderungen an die älteren Generationen. Sie klagt direkt an. Sie redet nicht um den heißen Brei herum. Sie spricht Tacheles. Und: Sie predigt nicht Wasser und trinkt Wein. Sie versucht im Hier und Jetzt so zu leben, wie sie es von uns allen fordert (Jaja, ich weiß: Es gibt kein richtiges Leben im falschen…). Dass sie von vielen Menschen zur Ikone erhoben, wie ein Popstar behandelt und wie eine Heilsbringerin angesehen wird, dafür kann sie nichts. Ich halte diese Ikonisierung für falsch und für gefährlich, aber bisher scheint Greta gut damit umgehen zu können und sie bleibt ihren Prinzipien treu. Ich frage mich aber, wie lange wird sie dem Druck standhalten können? Wie geht eine Sechzehnjährige mit so viel Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit um? Vor ein paar Wochen war sie mit einem geliehenen „Antifa Allstars“-Shirt auf einem Foto zu sehen. Ein gefundenes Fressen für alle staatstreuen Bürger*innen, Rechten und Trolle. Sofort brach der Shitstorm los: Sie wurde mit der „gewalttätigen Antifa“ und mit „Anarchos“ in Verbindung gebracht. Sie sah sich genötigt, sich von gewalttätigen Gruppen zu distanzieren und allein friedliche Mittel des Protestes und Widerstandes zu loben. Das kann mensch falsch finden (ich zumindest tue das), aber ich würde es ihr nicht anlasten: Sie ist sechzehn Jahre alt und steht unter einem enormen Druck. Da haben schon ganz andere alte Kämpen nachgegeben…abgesehen davon kann es ja auch ihre echte Meinung sein.

Für mich steht Greta Thunberg auf der richtigen Seite der Barrikade. Ohne sie wäre die globale Klimabewegung nicht da, wo sie heute steht: Nämlich auf allen Titelseiten, in allen Nachrichten und auf allen Straßen der großen, weiten, schönen Welt. Wir können die Klimakatastrophe nur gemeinsam abwenden oder zumindest abschwächen. Wir retten zusammen die Welt vor den aber auch für die Arschlöcher mit ihren „Fuck you Greta!“-Stickern (so sind wir halt…).

Want to save the planet? Go vegan and organize!

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