pforzheim 2013: erste massenbesteigung des wartbergs

1000 menschen trafen sich am 23. februar in pforzheim, um gegen die alljährliche nazifackelmahnwache auf dem wartberg zu demonstrieren.

pforzheim ist seit jahren ein hartes pflaster für linke politik und aktionen. unter anderem war die stadt über jahre hinweg die einzige in baden-württemberg, die sich erdreistete sogenannte „demogebühren“ zu erheben. begründet wurde dieses vorgehen mit den anfallenden verwaltungskosten. besonders traf dieser verwaltungsakt auch die anmelder_innen der demonstrationen gegen die nazifackelmahnwache. im jahr 2005 wurden so z.b. 150 € verlangt. 2008 dann wurden die gebührenverordnung vom karlsruher verwaltungsgericht als rechtswidrig eingestuft.

nahtlos reiht sich in dieses bild der geschichtsrevisionistische umgang der stadt pforzheim mit ihrer rolle im dritten reich. die zeit des deutschen faschismus wird entweder komplett ausgespart oder pforzheims rolle dabei schöngefärbt.

so ist es auch kein wunder, dass das geschichtsrevisionistische fackelschwenken der nazis seit 1994 nicht nur geduldet, sondern mit allen mitteln ermöglicht und unterstützt wird. antifaschistischer protest und entsprechende aktionen dagegen waren meist nur gegen große widerstände und starke repression möglich.

das sollte in diesem jahr anders werden. ein breites bündnis von bürgerlichen, kirchlichen, gewerkschaftlichen, linken, linksradikalen und anarchistischen gruppen arbeitete seit monaten zusammen und bereitete verschiedene aktionen gegen die nazis vor.

die stadt, die polizei und die lokale presse zeichneten im vorfeld ein düsteres bild von chaotischen zuständen und gewaltbereiten autonomen, die pforzheim ein zweites mal in schutt und asche legen würden. so wurde am tag zuvor auch in letzter instanz vor dem verwaltungsgericht karlsruhe entschieden, dass die antifaschistische demonstration auf keinen fall nördlich der gleise erlaubt werden würde. ziel war es, das nazigedenken reibungslos über die bühne gehen zu lassen und antifaschisitschen protest nicht mal in hörweite an den wartberg herankommen zu lassen.

über 1000 polizist_innen, hamburger gitter, baustellenzäune, pferde- und hundestaffeln und ein helikopter sollten dies ermöglichen.

die demonstration wurde nun vom bündnis abgesagt, es sollte nur eine kundgebung geben.

nach und nach versammelten sich trotz unzähliger kontrollen und schikanen seitens der polizei über 1000 menschen am südausgang des pforzheimer bahnhofes, wo die kundgebung mit verschiedenen reden stattfand. hier stach die rede von alert|a pforzheim und dem antifaschistischen aktionsbündnis stuttgart & region mit ihrer grundlegenden gesellschaftskritik hervor, die nicht bei „gegen nazis“ und „eine schande für deutschland“ stehen blieb, sondern einen rundumschlag gegen deutsche zustände darstellte. sie fungierte als der stachel im fleisch nicht nur der pforzheimer stadtverwaltung, sondern sicher auch vieler anwesender.

gegen 16:40 h ging dann die spontandemo los. unerwarteterweise gelang es recht schnell auf der berlinerstraße die gleise zu unterqueren und in die nordhälfte der stadt zu gelangen, was das urteil aus karlsruhe explizit untersagte. nun begann ein anrennen gegen den berg. über treppen, schmale wege, seitenstraßen und durch wohngebiete gelangten hunderte von ungehorsamen auch gegen widerstand der pfeffersprühenden und knüppelnden polizist_innen von norden auf den wartberg. es gelang aber nicht den ort der nazifackelmahnwache zu erreichen: der zugang war durch baustellenzäune, wannen und polizist_innen versperrt. nach ungefähr zehn minuten, es war inzwischen 17:50 h, wurde das von drei seiten umzäunte gelände von nachrückenden polizeitrupps in einen kessel umgewandelt. kleine scharmützel und kurze hetzjagden fanden schnell ein ende. das warten begann. es wurde, auch durch die fehlende bewegung, immer kälter (das wasser meiner trinkflasche war am ende gefroren.).

am hotel hasenmeyer harrte zur gleichen zeit eine kleine blockade aus. circa 50 menschen verstopften hier den aufgang zum wartberg und wurden von solidarischen menschen mit heißem tee versorgt. gegen 19:50 h läuteten dann die glocken der pforzheimer kirchen, um der bombardierung der stadt zu gedenken.

doch was war mit den nazis? der ticker und andere quellen spuckten widersprüchliche informationen und zahlen aus: mal hieß es, 20 autos mit nazis seien auf dem berg angekommen. dann standen angeblich nur drei fackelfreaks einsam vor ort. eine andere quelle sprach von über 90 nazis bei der fackelmahnwache. diese info sollte sich später als die richtige erweisen. weitere 100 faschist_innen konnten in mühlacker nahe pforzheim eine kurze spontandemonstration mit fackeln durchführen.

die mahnwache wurde nicht verhindert. sie wurde behindert und erschwert. viele nazis gelangten nicht auf den wartberg. als wichtigsten effekt des tages sehe ich die gelungene landesweite mobilisierung und das erklimmen des bescheuerten berges. viele menschen setzten sich über gesetze, regeln und richterliche verbote hinweg, durchflossen oder überrannten polizeiketten und nahmen auch verletzungen in kauf, um gegen faschistische umtriebe ein zeichen zu setzen. diese selbstermächtigungen, das erleben von solidarischem handeln und das bewusste übertreten von gesetzen zeigt menschen, dass sie nicht so ohnmächtig sind, wie sie es im alltag und vielen anderen situationen oft erleben. politisierung und radikalisierung durch die direkte aktion.

als negativ zu bewerten ist der große kessel. hunderte von menschen wurden mit ihren persönlichen daten erfasst, schikaniert und froren sich die ärsche ab. es bleibt abzuwarten, welche folgen der kessel haben wird.

nächstes jahr ist der 23. februar ein sonntag. gestern wurde ein solider grundstein für eine endgültige verhinderung des ekligen naziwahns auf dem wartberg im jahr 2014 gelegt.

[wenn ihr die fotos anklickt, werden sie größer.]

suamo tutti antifascisti!

links:
alert|a
fackeln aus!
bericht des aabs
fotos der ag freiburg

 

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