the pope is coming home…

joseph ratzinger auf tour durch deutschland … dazu eine kleine reiselektüre

als der deutsche kardinal joseph ratzinger im april 2005 zum oberhaupt aller katholik_innen bestimmt wurde, titelte die bild-zeitung siegestrunken „wir sind papst!“.

fortan war und ist er, nach lesart der katholischen kirche papst benedikt XVI, bischof von rom, stellvertreter jesu christi, nachfolger des apostelfürsten, oberhaupt der universalen kirche, primas von italien, erzbischof und metropolit der kirchenprovinz rom, souverän des staates der vatikanstadt und diener der diener gottes.

ratzinger wird 1927 in den mief einer bayerischen kleinstadt, als sohn eines polizisten und einer köchin, hineingeboren. mit 14 jahren, im jahr 1941, ereilt ihn wie alle anderen jungen diesen alters die (zwangs-) mitgliedschaft in die hitlerjugend. der erzkonservative naziversteher kardinal michael von faulhaber, ein freund der familie und leiter des priesterseminars sankt michael, ist bis zum abitur sein mentor und übt großen einfluss auf ihn aus. in den letzten monaten des zweiten weltkrieges wird ratzinger als 18jähriger in der flugabwehr an der heimatfront im kampf für’s vaterland eingesetzt. nazigreuel, besonders die der ss, die in seiner unmittelbaren umgebung stattfanden, blendet er in den kommenden jahrzehnten in seinen schriftlichen erinnerungen aus. er sieht sich von einem engel vor den gefahren des krieges beschützt. 1951 wird ratzinger von faulhaber zum priester geweiht.

einerseits reformorientiert, andererseits an konservativen grundhaltungen der katholischen kirche festhaltend, machte er im klerus karriere: 1976 päpstlicher ehrenprälat, 1977 erzbischof von münchen und freising und kardinalprister, 1981 präfekt der kongregation für die glaubenslehre (nachfolgeinstitution der heiligen inquisition), 1993 kardinalbischof der suburbikarischen diozöse velletri-segni, 1998 subdekan des kardinalskollegiums, 2002 kardinaldekan und kardinalbischof von ostia und schließlich 2005 papst.

in der strikten hierarchie der römisch-katholischen kirche steht der papst an oberster stelle: er ist der nachfolger von apostel petrus und der irdische stellvertreter von jesus christus. er ist das oberhaupt von ca 1,2 milliarden katholik_innen und hat damit einen bedeutenden einfluss auf das leben und denken dieser menschen. auch wenn hier in deutschland sein einfluss aufgrund der eher pluralistischen gesellschaft wahrscheinlich weniger groß ist, darf nicht vergessen werden, dass in den meisten teilen der welt religion im allgemeinen einen weit größeren stellenwert im leben der menschen hat. in deutschland halten sich die nichtreligiösen menschen mit jeweils den römisch-katholischen und evangelischen ungefähr die waage, während zb in portugal und griechenland ca 90 % an den christengott glauben. ähnlich sieht es in vielen afrikanischen und amerikanischen ländern aus. so ist es kein wunder, dass sich gerade in den ländern des trikont im zusammenspiel mit der armut der hi-virus stark ausbreiten konnte und dies ungebremst noch immer tut: der einzig wirksame schutz gegen ihn und die von ihm ausgelöste immunschwächekrankheit aids ist die benutzung von kondomen beim geschlechtsverkehr, welche aber vom jetzigen papst und seinen vorgängern strikt abgelehnt werden und das so auch propagiert wird. schuld daran ist die menschenfeindliche und verklemmte sexualmoral der römisch-katholischen kirche, die sex nur in einer von gott gesegneten ehe und zum zweck der kinderzeugung vorsieht. keuschheit ist angesagt. eine weltfremde moral, die millionen leben auf dem gewissen hat.

überhaupt ist die einmischung in die sexualität der menschen eines der liebsten steckenpferde ratzingers. er sieht die lebenslange ehe zwischen mann und frau als sakrament der schöpfung. die geschlechterdiskussion sieht er als emanzipation des menschen von gottes schöpfung, wobei das wort „emanzipation“ hier keinen positiven klang hat, sondern für ihn als abwendung von gott negativ belegt ist. nur gott dürfe festlegen, wer mann und wer frau sei. in gleichgeschlechtlichen gemeinschaften und transgender-menschen sieht er die „selbstzerstörung des menschen“ und die „zerstörung von gottes werk selbst“. ganz konsequent hat ratzinger den an den vatikan entsandten französischen botschafter jean-loup kuhn-delforge abgelehnt, da dieser offen seine homosexualität lebt. auch den argentinischen botschafter lehnte er ab, weil dieser sich von seiner frau scheiden ließ.

es gibt viele texte zum thema sexualität, in denen ratzinger und andere vertreter des klerus, den menschen genaue richtlinien und regeln vorgeben: vom vorehelichen leben, über die ehe bis hin zur sexualerziehung der kinder. ein mann und seine kirchenfunktionäre, die der zwischenmenschlichen sexualität abgeschworen haben und den zölibat leben, sind sexual- und erziehungsexperten.

experten sind viele von ratzingers unterhirten zumindest was sexuellen missbrauch von kindern und jugendlichen angeht. immer wieder kommt es zur aufdeckung von fällen, in denen priester und andere kirchenangestellte schwerer sexueller missbrauch vorgeworfen und nachgewiesen wird. der umgang der betroffenen gemeinden damit reicht von offen und ehrlich bis hin zum verschweigen-wollen. ratzinger spricht das problem immerhin an und trifft sich auch regelmäßig mit missbrauchsopfern. zu den fällen in deutschland schweigt er sich meist aus. ansonsten befürchtet er in den vorfällen einen imageschaden für seine kirche.

sexueller missbrauch ist kein spezifisches problem der katholischen kirche. die meisten kinder werden in der eigenen familie missbraucht. aber eine institution, die offiziell so viel wert auf moral, nächstenliebe und gerechtigkeit legt und dies mit der universellen liebe eines gottes begründet, muss sich auch an ihren ansprüchen messen lassen: hier versagt sie auf ganzer linie.

ganz nebenbei liegt das schutzalter von kindern im vatikan bei 12 jahren. das heißt konkret, dass es dort erwachsenen erlaubt ist, mit kindern ab 12 jahren sex zu haben.

nicht nur von menschen außerhalb der katholischen kirche, sondern auch von immer mehr kirchenmitgliedern und theologen wird eine abschaffung des zölibats gefordert. ein kausaler zusammenhang zwischen dem leben im zölibat und der neigung zu sexuellem missbrauch von kindern und jugendlichen ist nicht nachgewiesen. zu einem erfüllten leben gehört aber das offene ausleben der eigenen sexualität.

stark in die kritik geriet ratzinger anfang 2009, als er die exkommunikation von bischof richard williamson aus england und drei weiteren bischöfen der homophoben, ultrakonservativen pius-bruderschaft aufhob. williamson wurde bekannt für seine leugnung des holocausts. der vatikan behauptete, erst später von williamsons äußerungen erfahren zu haben. die katholische kirche schwedens musste aber zugeben, dass sie den vatikan schon zwei monate vorher über die wirren geschichtsauslegungen des irren bischofs informiert hatte. ratzingers vatikan strebt nach wie vor eine wiederannäherung mit der bruderschaft an.

ratzinger ist als papst auch staatsmann, nämlich das auf lebenszeit gewählte staatsoberhaupt der vatikanstadt in rom. ein staat im staat italien mitten in der eu, aber kein mitglied derselben. er herrscht als könig über sein kleines reich, in dem es , wen wundert es, ganz profan auch ums geld geht. das hauseigene institut für die religiösen werke ( istituto per le opere di religione, kurz ior ), auch vatikanbank genannt, kümmert sich um die allzu weltlichen dinge wie aktien, immobilien und geldwäsche. der letzteren will ratzinger mit neuen, strengeren richtlinien beikommen. ob er da, auch wenn er stellvetreter christi sein mag, erfolg haben wird (oder will)? es darf gezweifelt werden: it’s capitalism, baby. erst kürzlich machte folgendes dem hirten und seinen schäfchen die wunderbare welt der freien marktwirtschaft deutlich: die zwei ältesten deutschen katholischen banken hatten aktien gekauft von rüstungsfirmen und pharmaherstellern, zu deren repertoire auch die pille gehört.

ratzinger steht auch für eine kirche, die sich nach wie vor als einzig wahre versteht, auch wenn sie vordergründig den dialog mit anderen religionen sucht. dieser alleinanspruch war in den vergangenen jahrhunderten der grund für viele greueltaten und menschenfeindliche ansichten, wie zb die inquisition, die kreuzzüge, die hexenverfolgung, den mittelalterlichen anti-judaismus, die missionierung „neu entdeckter“ länder und kontinente, die unterdrückung der frau und eine bis heute anhaltende homophobie.

die caritas, der wohlfahrtsverband der katholischen kirche in deutschland, betreibt tausende von sozialen einrichtungen und beschäftigt dort ca 500 000 menschen. die katholische kirche ist dadurch eine der größten arbeitgeberinnen in deutschland und hat zusammen mit der evangelischen diakonie ein eigenes arbeitsrecht, den sogenannten „dritten weg“. auf diesem weg finden sich kein streikrecht, keine aussperrungen oder andere formen des arbeitskampfes. auf der einen seite steht die caritas als wirtschaftende institution mitten im kapitalismus, auf der anderen verweigert sie den lohnabhängigen menschen wirkungsvollere mittel zum erkämpfen besserer arbeitsbedingungen. und diese verschlechtern sich auch in der rosa wohlfühlwelt der knuffigen kirchen: immer weniger mitarbeiter_innen auf immer mehr zu betreuende menschen, real sinkende löhne, kaum unbefristete verträge, leiharbeit, längere arbeitszeiten, mehr überstunden, einsatz von ein-euro-jobber_innen. zwar betont und unterstreicht ratzinger die bedeutung und wichtigkeit von gewerkschaften ( er beruft sich dabei auf die enzyklika ‚laborem exercens‘ seines vorgängers wojtyla. ), aber getan hat er nichts dafür. die würde der arbeit ist eine hohle phrase, die vor der eigenen tür halt macht. dass diese tür eine im kapitalismus ist, entschuldigt nicht das nichthandeln.

organisierte religion, kombiniert mit einem ausgeprägten missionseifer ist gefährlich. in ihrer wesensart gleicht sie einem dikatorischen regime, das keine opposition zulassen kann, da in ihr immer der keim der revolte steckt. auch wenn die katholische kirche sich heute offiziell nicht in politik einmischt, tut sie das natürlich im hintergrund immer wieder. ganz konkret bei entscheidungen zu abtreibungsgesetzen und in der sozialpolitik und unterschwellig, im hintergrund durch gesellschaftliche verflechtungen zwischen parteien, arbeitgeber_innen und kirchen.

für einen nichtreligiösen menschen und anarchisten ist es schwer zu verstehen, was menschen an glaubensgemeinschaften bindet. das vage versprechen einer belohnung nach dem tod, der unbedingte gehorsam und die strikte hierarchie stoßen ab und machen misstrauisch. begriffe der katholischen kirche wie demut, leiden, schuld, sühne, keuschheit, beichte, gebote, himmel, hölle und teufel zeichnen ein bild von ständiger dienerschaft, kontrolle und aufgabe der eigenen person. das wort nächstenliebe steht allein da. aber dafür braucht es keine kirche oder einen gott.

ein mensch, der für sich in anspruch nimmt, der oberste fürsprecher dieser dinge zu sein, weckt widerstandsgefühle und den willen diese zu äußern.

parallel dazu steht eine radikale religionskritik: das infragestellen und das bestreiten der existenz eines höheren wesens, eines weltenschöpfers. das sich-vertrösten-lassen auf ein leben nach dem tod als belohnung für die irdischen mühen steht der emanzipation der menschheit von herrschaft und unterdrückung im weg. die kirche und der kaiser gehen hand in hand. das war schon immmer so. und ob die kirche ein tempel, eine synagoge oder eine moschee ist, spielt dabei keine rolle.

moral und ethik dürfen nicht zentral von sich auf alte schriften und gebote berufenden institutionen verwaltet werden mit dem anspruch der immerwährenden gültigkeit, sondern müssen dem wandel der zeit unterliegen und von uns menschen ständig hinterfragt und neu diskutiert werden.

wenn im september 2011 ratzinger, aka benedikt xvi, zu seinen schäfchen kommt, kommen wir auch. und wir werden nicht beten.

protest- und widerstandslinx:
freiburg ohne papst
what the fuck
der papst kommt

 


Dieser Beitrag wurde unter Diskussion, Religion veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu the pope is coming home…

  1. wtffr sagt:

    Demonstration am 23.09.2011 anlässlich des Papstbesuches in Freiburg: http://wtffr.blogsport.eu

Kommentare sind geschlossen.