systempunkte.org sucht Unterstützung

hier ein aufruf vom sehr lesenswerten anarchistischen/libertären blogprojekt systempunkte.org:

systempunkte.org sucht Unterstützung

Nachdem wir das Projekt systempunkte.org nach einer etwa 6-monatigen Pause wiederbelebt haben, sind wir dringend auf der Suche nach Unterstützung! Wir suchen Personen, die bei uns Artikel veröffentlichen, bloggen oder bei Übersetzungen helfen wollen. Insbesondere freuen wir uns über Texte, die unter die Oberfläche gehen bzw. Übersetzungen solcher Texte. Dabei sollten sie ungefähr in den Rahmen der Veröffentlichungen passen, die bisher bei uns zu finden sind. Auch Texte, die schon woanders (z.B. in gedruckter Form) publiziert wurden, sind willkommen. Nicht ganz so begeistert sind wir von Flugblättern oder Artikeln, die breit gestreut werden, also auf diversen vergleichbaren Plattformen gelesen werden können.

Für alle, die uns noch nicht kennen:
systempunkte.org ist eine Plattform für politische Artikel und Blogposts mit libertärer/anarchistischer Ausrichtung. Wir möchten Inhalte aus dem radikal freiheitlichen und egalitären Spektrum zusammentragen sowie eigene Inhalte beisteuern. Das Ziel ist es anarchistische Ideen und Vorstellungen der Netzöffentlichkeit darlegen. Dazu befassen wir uns mit aktuellen Debatten, mit politischer Theorie und praktischen Anregungen. „Dort draußen“ – im öffentlichen Diskurs – finden Veränderungen und Ereignisse statt, die häufig Anlass zur Sorge bereiten; gelegentlich halten sie aber auch positive Überraschungen und emanzipatorisches Potential bereit, wenn sie nur genau genug betrachtet werden. In beiden Fällen aber ist ein anarchistischer Diskussionsbeitrag sinnvoll. Gelegentlich versuchen wir uns an Übersetzungen fremdsprachiger Texte, um deren Ideen in den deutschsprachigen Raum einzubringen.

Das Projekt ist um ein Redaktionsteam herum organisiert. Wir sind offen und auf der Suche nach Mitautor_innen und neuen Beiträgen, die inhaltlich passen. Wenn Du hier Beiträge veröffentlichen, Texte übersetzen, oder bloggen möchtest, dann kontaktiere uns doch.

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englische anarchist_innen nach rückkehr aus saint-imier in heathrow vorübergehend inhaftiert

während der letzen woche kamen tausende anarchist_innen aus europa in saint-Imier, schweiz, zusammen, um das 140. jubiläum der gründung der anarchistischen internationalen zu feiern. das treffen hatte die form eines festivals und einer bildungsveranstaltung mit musik, filmen, unterhaltung, ebenso mit workshops und diskussionen.

bei der rückkehr vom treffen in saint-imier wurden zwei anarchist_innen, einer von ihnen ist mitglied der anarchistischen föderation großbritannien, für nahezu zwei stunden am londoner flughafen heathrow vom so15 (terrorismusbekämpfung) in gewahrsam genommen. während der ingewahrsamnahme wurde den anarchist_innen gesagt, dass ihre normalen rechte keine gültigkeit hätten. ihre namen, adressen, emailadressen, dna und fingerabdrücke wurden genommen. die in gewahrsam genommenen anarchist_innen wurden auch gezwungen, verzichtserklärungen zu unterschreiben – legal oder nicht legal – betreffend ihr recht zu schweigen und ihr recht auf einen rechtsbeistand. die polizei führte auch eine gründliche durchsuchung des persönlichen besitzes durch, fotokopierte literatur und ausweise und entnahm informationen von telefonen und kameras.

während der ingewahrsamnahme beschuldigte die polizei ständig die anarchist_innen zu lügen in bezug auf ihre beteiligung an kriminellen aktivitäten und behauptete, dass sie weitere polizeiaktionen gegen eine_n der in gewahrsam genommenen anarchist_innen durchführen würden. zusätzlich stellten so15-offizier_innen eine reihe von provokanten, irrelevanten und beleidigenden fragen, einschließlich „was würden sie tun, wenn jemand ihre mutter vergewaltigen würde?“. augenscheinlich taten sie dies, um einen gefühlsausbruch und strafbare, wütende oder gewalttätige antworten zu provozieren. ein mitglied (28), das aus angst vor polizeirepressionen nicht namentlich genannt werden möchte, sagte: „wir wurden wie kriminelle behandelt. ich sagte ihnen, dass ich zum kongress ging, weil ich amateurjournalist bin und artikel über aktivismus schreibe. sie sahen mein notebook, meine kamera und mein diktiergerät, aber sie sagten, ich würde lügen. ein_e offizier_in sagte: „sie sagten, dass sie ein_e anarchist_in seien. ich habe anarchist_innen in den nachrichten gesehen. sie sind gewalttätig, werfen molotovcocktails und stören den alltag der leute. sie schreiben keine artikel.“

die terrorismusbekämpfungsoffizier_innen wussten nichts davon oder entschieden sich dazu es zu ignorieren, dass während des ersten tages des treffens, die internationale der anarchistischen föderationen (bei der die anarchistische förderation großbritannien mitglied ist) eine stellungnahme veröffentlicht hatten, die alle terroristischen taktiken, um eine anarchistische gesellschaft zu erreichen, ablehnt.

im gegensatz zu den britischen sicherheitskräften berichteten die lokale presse und die einwohner_innen von saint-imier sehr positiv über das anarchistische treffen.

mit diesem zwischenfall sehen wir einen weiteren ruck richtung politischer polizeiarbeit und der kriminalisierung politischer weltanschauungen. die zwei in gewahrsam genommenen anarchist_innen waren nie in irgendeine illegale oder gewalttätige aktion involviert oder in irgendeine aktion, die die terrorabwehr betreffen würde.

wie in der vergangenheit, als die londoner polizei die menschen dazu aufrief, informationen über örtliche anarchist_innen weiterzugeben („anarchist_innen sollten gemeldet werden, ermahnt die westminster antiterrorpolizei“ | uk news | the guardian), erlitten anarchist_innen schikane für ihre politische überzeugung.

als klassenkämpferische anarchist_innen glauben wir, dass der staat wenig tut, außer den interessen der reichen und mächtigen zu dienen auf kosten der normalen leute. dies tritt klar zu tage, wenn menschen, die kritische ansichten in bezug auf den staat vertreten, wie kriminelle und terrorist_innen behandelt werden. wir wollen eine klassenlose gesellschaft schaffen, die auf freiheit, gleichheit und kooperation basiert. wir glauben an die fähigkeit der normalen leute, die gesellschaft selbst zu verwalten ohne die einmischung durch bosse und politiker_innen. dieser zwischenfall war keine reaktion auf irgendein verbrechen. er zeigt die unterdrückung und kriminalisierung einer politischen überzeugung.

www.afed.org.uk

anmerkungen:
anarchsimus ist eine politische philisophie, die versucht eine gesellschaft der gleichen, in der gegenseitige hilfe, kooperation, und direkte demokratie den kapitalismus und den staat ablösen, zu errichten.
der kongress in saint-imier war ein treffen von anarchist_innen aus der ganzen welt, um das 140. jubiläum des ersten treffens der anarchistischen internationalen in der schweizer stadt saint-imier im jahr 1872 zu feiern.
die anarchistische föderationist eine föderation von anarcho-kommunist_innen in großbritannien, die eine gesellschaft der gleichen errichten will.

[die englische originalversion dieses textes findet ihr hier.]

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saint-imier im august 2012

weit über 3000 anarchist_innen aus der ganzen welt und jeden alters trafen sich vom 08. bis zum 12. august 2012 in der schweizerischen kleinstadt saint-imier und loteten ihre möglichkeiten und grenzen aus.

 

 

damals
vor genau 140 jahren, 1872, gründeten die anarchistischen und antiautoritären (ex-) mitglieder der internationalen die antiautoritäre internationale arbeiter_innenassoziation in saint-imier im schweizer jura.

 

 

 

 

das treffen
das diesjährige jubiläum nahm das organisationskommitee als anlass die weltweite anarchistische bewegung erneut nach saint-imier einzuladen. und sie kam: menschen aus den meisten (allen?) europäischen ländern, aus südafrika, mittel- und südamerika, weißrussland, kanada, den usa, kamerun, japan, etc. nahmen an dem fünftägigen treffen teil. mai dian aus china konnte die einladung nicht wahrnehmen, da ihm die chinesischen behörden die ausreise verweigerten.

es kamen so viele menschen, dass der vorgesehene zeltplatz auf dem mont soleil zwei mal erweitert werden musste und nahezu jedes zimmer in der 4700 einwohner_innen zählenden kleinstadt vermietet war. wildes campen wurde geduldet und viele menschen übernachteten in ihren bussen.

die volxküchen le sabot, kokerellen, die maulwürfe und ein fahrender brotbäcker sorgten drei mal am tag gemeinsam mit vielen freiwilligen für veganes und biologischen essen und heiße und kalte getränke. auch für menschen mit lebensmittelallergien war gesorgt: sie konnten sich und ihre allergie in eine liste eintragen und wurden extra bekocht. hinter dem espace noir gab es einen crêpestand und einen fleischgrill. an verschiedenen theken wurde bier, wein und anderes ausgeschenkt.

das inhaltliche programm war so vielseitig, dass es ob der unzähligen themen schwer fiel, sich zu entscheiden. die veranstaltungsräume waren über die ganze stadt verteilt, aber leicht zu fuß in wenigen minuten zu erreichen. immer wieder sprengten die teilnehmer_innenzahlen die räume.

im grande salle de spectacle in der stadthalle war eine simultanübersetzung in oft vier verschiedenen sprachen eingerichtet, die mittels funk auf kopfhörer übertragen wurde. ansonsten wurde die übersetzung den anfordernissen entsprechend von den anwesenden selbst geregelt.

in zwei verschiedenen kinos liefen an allen fünf tagen unzählige filme der verschiedensten genres.

ein wichtiger ort des austauschs und sich treffens war die gut besuchte büchermesse in der eishalle. verlage, gruppen, föderationen, netzwerke, gewerkschaften und vertriebe aus frankreich, spanien, schottland, deutschland, italien, der schweiz und andern (?) ländern boten tonnenweise bücher, broschüren, flyer, filme, plakate, aufkleber, buttons und andere mehr oder weniger sinnvolle gimmicks an.

und damit eltern all das wahrnehmen konnten, gab es eine mehrsprachige kinderbetreuung.

zusätzlich zum im voraus feststehenden programm organisierten sich viele veranstaltungen und workshops autonom oder spontan. so fanden auch themen wie tierrechte, kreative antirepression, regionale vernetzung und vieles mehr ihren platz und ihre interessenten.

wandzeitungen informierten über neue themen, aktionen, ärgernisse, ortswechsel, mitfahrgelegenheiten und riefen zum hierbleiben auf.

einen sehr großen und wichtigen raum nahm das informelle austauschen, treffen und kennenlernen ein. überall und jederzeit wurde diskutiert, gestritten, gelacht, geplant und sich vernetzt.

an der abschlussveranstaltung im grande salle de spectacle am sonntag nachmittag nahmen mehrere hundert menschen teil. hier wurden mehrere, auch kritische, texte von verschiedenen gruppen, netzwerken und föderationen verlesen. im anschluss gaben viele menschen ihre einschätzungen und kritiken des treffens über das saalmikrofon weiter.

die angestrebte gemeinsame abschlusserklärung blieb aus verschiedenen gründen aus.

die einwohner_innen saint-imiers waren freundlich, oft auch hilfsbereit und konnten dank des treffens eine steigerung des umsatzes verzeichnen, was den bürgermeister dazu veranlasste, uns für das nächste jahr wieder einzuladen (was mich eher davon abhalten würde…). bemerkungen, wie die eines sohnes zu seinem vater im supermarkt, der von krustigen punx verstopft war, „die sollten sich zuallererst mal waschen.“, waren eher selten. für den sonntag abend war ein gemeinsames festessen mit den einwohner_innen geplant (weiß da jemand mehr?).

die gemeinde saint-imier ist sich ihrer anarchistischen geschichte durchaus bewusst, was sicherlich auch an der unermüdlichen arbeit des selbstverwalteten kollektivs espace noir liegt. so finden sich in der stadt an mindestens drei orten öffentliche, von der gemeinde eingerichtete hinweise in form von schildern und einer kleinen litfasssäule, die bezug nehmen auf die anarchistischen uhrmacher_innen, den espace noir und das hotel central, wo sich vor 140 jahren die antiautoritäre iaa gründete.

solidarische kritik am organisationskommitee und den kritiker_innen des treffens
wer schon einmal in die vorbereitung eines so großen treffens eingebunden war, weiß wie viel arbeit das bedeutet: pressearbeit, veranstaltungsorte organisieren, referent_innen einladen, sich mit den behörden herumschlagen, anwohner_innen für sich gewinnen, geld auftreiben, infomaterial erstellen, herstellen lassen und vertreiben, eine website erstellen und pflegen, emailaccounts verwalten, ständige plena, sich die bullen vom hals halten, verschiedenste materialien wie zelte, übersetzungstechnik, stühle, tische, beamer, computer, kabel aller längen und größen ohne ende beschaffen und vieles mehr. wer dann auch noch nebenher eine lohnarbeit im genick und andere z.b. familiäre verpflichtungen hat, hat plötzlich zwei fulltimejobs. genau das haben die wenigen menschen des kommitees (meiner information nach waren das ca. 20 leute) über viele monate geleistet. und weil es menschen sind, haben sie dinge übersehen, schlichtweg vergessen oder sogar in ihrer überforderung ignoriert. sie haben deutlich im vorfeld und während des treffens um unterstützung gebeten.

mich hat die einforderung von perfektion von einigen harschen kritiker_innen geärgert. sie hatte oft den beigeschmack von konsumismus und erweckte bei mir den verdacht, dass diese kritiker_innen vergessen hatten, dass wir ja auf einem anarchistischen treffen waren: wenn mir etwas nicht passt, dann suche ich mir genoss_innen und wir packen das problem selber an (was ja auch in saint-imier überall passierte, weshalb ich die kritik noch viel weniger verstand.). immer wieder wurden die mangelhaften übersetzungskünste der freiwilligen simultanübersetzer_innen (sie gaben ihr bestes: vielen dank für die manchmal lustigen oder haarsträubenden übersetzungen.) oder die völlig fehlende übersetzung in einigen veranstaltungen (wem, außer den anwesenden, will mensch das zur last legen?) angeprangert. es wurde sich an der nicht überall vorhandenen barrierefreiheit gestoßen (eine große einschränkung für die betroffenen. wie hätten wir das solidarisch und praktisch lösen können?) . der im vorfeld nicht eingeplante safer space verärgerte viele genoss_innen (sie organisierten ihn hochmotiviert selbst). das verkaufen von fleisch erzürnte viele veganer_innen und tierrechtler_innen (sie umzingelten und löschten den grill.). die nicht ausreichende anzahl von räumlichkeiten nervte (wir wichen unter freien himmel aus.) . die festpreispolitik der abendveranstaltungen und des zeltplatzes kotzte an (ein photovoltaiksoundsystem legte für alle und draußen auf und jemand handelte einen autonomen zeltplatz aus.).

drogenkonsum, zu viele mitteleuropäische weiße männer, ein um sich prügelnder partner, in einen permakulturgarten einer anwohnerin kackende camper_innen, auf dem boden liegende kippen, t-shirtverkauf, kein alkohol bei migros, zu viel alkohol überall, nervende fotograf_innen, szeneheld_innen, zu wenig presseaufmerksamkeit, projektwerkstatt saasen, lächerliche schwarzrote nostalgiehüte aus spanien, inhaltlich zu oberflächliche veranstaltungen, zu wenig diskussion, zu wenig streit, zu viel streit, ein cremefraichetriefender gewerkschaftler, israelfans, palästinafans, hundehalter_innen, hunde, zugeparkte straßen, graffitis, zu wenige frauen, überlastetes w-lan, zu viel gelaber, zu wenig aktion, kein klopapier, chaostage 2012 in karlsruhe, … da war für jede_n was dabei.

ein optimistisches fazit
das organisationskommitee und wir alle gaben unser bestes, was oft nicht genug oder mangelhaft war. wir kamen für fünf tage aus allen teilen der welt zusammen und einige haben gelernt, dass auch anarchist_innen, nur weil sie für eine herrschaftsfreie welt kämpfen, dennoch geprägt von kapitalismus, sexismus, rassismus und all den anderen widrigkeiten unserer unperfekten und ungerechten welt sind.

wir haben die besten absichten, viele gute ideen und sind auf einem harten aber auch schönen weg. uns vereint das wissen, dass der mensch ein soziales wesen ist, das solidarisch und liebevoll mit sich und anderen umgehen kann und dass wir weder eine regierung, eine polizei, eine kirche noch den alles zerstörenden kapitalismus brauchen. uns trennt viel weniger als wir denken.

und das tolle ist, dass wir aus unseren fehlern lernen können. wir alle nehmen viele neue erfahrungen mit nach hause. unsere gehirne werden noch tage und wochen nach saint-imier rattern, verarbeiten und auswerten (so ist auch dieser text nur ein kleiner, voreiliger auschnitt aus diesen fünf tagen.). menschen, die noch nie etwas vom konzept des safer space gehört haben, werden dieses zu hause vorstellen. in permakulturen scheißende anarchist_innen lesen etwas über nachhaltige selbstversorgung und entdecken die gemeinsamkeiten zum anarchismus. anarchistische männer reflektieren ihren vorhandenen sexismus. anarchafeminist_innen vernetzen sich weltweit und treffen sich in zwei jahren unter sich. das organisationskommitee des nächsten treffens vertraut in uns alle, lernt von den voküs und erhebt keine festpreise. wir alle tragen das nächste treffen besser mit und es wird eine unglaublich gute übersetzung geben, alle räume richten wir barrierefrei ein und das fleisch auf dem grill wird aus seitan sein. insurrektionalist_innen, plattformist_innen und andere strömungen unserer bewegung fallen sich um die hälse (ohne sie zu würgen) und jagen die regierungen zum teufel.

danke, dass wir alle da waren.

viva la anarquia.

[fotos durch anklicken vergrößern. mehr findet ihr in der indymedialinksuntenversion des artikels.]

english version pdf

 

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die antifa ortenau rockt den kessel in offenburg

seit gut einem halben jahr gibt es nun die (neue) antifa ortenau und am kommenden samstag wird sie euch eine fette party mit bands, veganer vokü, infotischen und einigem mehr kredenzen.

mit am start sind die allseits bekannten amen 81, die do läuft’s crew, down on me und der zum abtanzen gute breakpete.

für die kalorien sorgt alarm mit einer gediegenen veganen volxküche.

 

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der europäische marsch der sans papiers und migrant_innen in offenburg

120 menschen ohne papiere, flüchtlinge aus über 25 staaten und ihre unterstützer_innen hielten in der offenburger innenstadt eine kundgebung ab, um auf ihre situation als menschen zweiter klasse in der eu aufmerksam zu machen.

am 1. juni marschierten sie in brüssel los und überquerten viele innereuropäische grenzen: für menschen mit dem „richtigen“ pass kein problem, für sans papiers immer ein glücksspiel. sie besuchten schengen in luxemburg, viele orte in frankreich, dann mannheim, heidelberg, karlsruhe und heute schließlich auch offenburg.

angekommen am bahnhof formierte sich gegen 13 uhr eine spontandemonstration zum eigentlichen kundgebungsort unter den pagoden in der offenburger fußgänger_innenzone. trommelnd, singend und parolen rufend setzte der marsch ein buntes zeichen im überraschten offenburg.

unter den pagoden versammelten sich zahlreiche schaulustige um die aktivist_innen. solidarische menschen mischten sich unter diese, tanzten mit ihnen und stimmten in die sprechchöre mit ein: „bleiberecht überall! kein mensch ist illegal!“

in einer rede wurde auf die menschenunwürdigen gesetzgebungen der einzelnen eu-staaten und besonders auf die situation von flüchtlingen in deutschland eingegangen: das lagersystem, die abschiebeknäste und die polizeistaatliche residenzpflicht.

nach einem kurzen grußwort von offenburger aktivist_innen gab es eine erneute spontandemo. diesmal zurück zum bahnhof, wo der marsch in den zug nach freiburg strömte. dort wird es eine gemeinsame demo gegen die abschiebung von 300 roma und sinti aus freiburg geben.

der marsch soll weiter in die schweiz, nach italien und wieder nach frankreich gehen, wo er am 2. juli endlich in strasbourg ankommen wird, um vor dem europaparlament die anliegen der sans papiers und migrant_innen vorzutragen. in der eu-hauptstadt sollen aktionstage rund um die themen bewegungsfreiheit und selbstbestimmung des aufenthaltsortes stattfinden.

einen kleinen etappensieg haben die menschen des marsches schon errungen: sie selbst entscheiden, wohin sie sich begeben und wo sie sich aufhalten – zumindest seit dem 1. juli.

solidarität mit allen sans papiers. papeles para todos.
wer bleiben will, soll bleiben. wer kommen will, soll kommen.

[aktuelle infos und die hintergründe gibts auf dem blog des europäischen marsches der sans papiers und migrant_innen.]

[zum vergrößern, bilder anklicken.]

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refugees are welcome in offenburg…

…zumindest am mittwoch, den 20. juni.

hier der aufruf von alarm e.v.:

Europäischer Marsch der Sans Papiers macht Halt in Offenburg

Seit dem 1. Juni sind über 100 Sans Papiers und mit ihnen solidarische Menschen unterwegs durch Europa, um auf die unerträgliche Situation von Flüchtlingen in der EU aufmerksam zu machen.

Angefangen in Brüssel, durch die Beneluxländer, über verschiedene Städte in Frankreich macht der Marsch auch immer wieder Halt in Deutschland. Am Mittwoch, den 20. Juni wird er in Offenburg erwartet, wo in der Innenstadt eine Kundgebung abgehalten wird.

„Der europäische Marsch richtet sich einerseits gegen die repressiven Gesetze und ihren Vollzug (Verhaftungen, Haft, Zwangsausschaffungen): Seit der Einführung des Schengen-Abkommens und
der Einsetzung von Frontex spitzen sich die Verhältnisse in allen europäischen Staaten drastisch zu.
Der gesetzliche Rahmen gestaltet sich immer brutaler, ist fremdenfeindlich und willkürlich. Für die Sans-Papiers und alle Migrant_innen ist es deshalb an der Zeit für einen Marsch auf das Europäische Parlament in Strassburg.“ heißt es im offiziellen Aufruf der Marschierenden.

Wir von Alarm e.V. unterstützen ihre Anliegen und erklären uns solidarisch mit allen Sans Papiers in Europa und der ganzen Welt.

Alle am Mittwoch, den 20. Juni, um 13 Uhr zu den Pagoden am Rathaus in Offenburg.
Kein Mensch ist illegal!

Alarm e.V. im Juni 2012

Weiterführende Informationen auf dem offiziellen Blog des Marsches.
Deutschsprachiger Emailkontakt: mail@legal-team.org

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Aufruf Enough is enough – Gemeinsam gegen Faschismus

Bündniserklärung zum Gerichtsprozess gegen den Neonazi Florian Stech

In den Abendstunden des 1. Oktober 2011 wurde ein junger Antifaschist in Riegel im Landkreis Emmendingen vom einschlägig bekannten Nazifunktionär Florian Stech mit dem PKW angefahren. Der Faschist fuhr mit hoher Geschwindigkeit und zielbewusst in eine Gruppe von AntifaschistInnen, die zu dem Zeitpunkt einen sogenannten Schleusungspunkt für eine Party der Naziszene beobachteten. Diese wurde veranstaltet, um den damals geplanten Naziaufmarsch in Offenburg bzw. Emmendingen zu finanzieren.
Der Betroffene schaffte es nicht mehr, sich vor dem mit hoher Geschwindigkeit herannahenden Wagen in Sicherheit zu bringen und wurde durch den Aufprall des PKWs gegen die Windschutzscheibe und über das Fahrzeug geschleudert. Stech flüchtete nach der Tat kurzzeitig, traf allerdings in nächster Umgebung auf Beamte des Staatsschutzes.

Der betroffene Antifaschist wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen in das Freiburger Universitätsklinikum gebracht und lag mehrere Tage auf der Intensivstation. Ein langer Genesungsprozess folgte und rückblickend kann von Glück gesprochen werden, dass unser Genosse von gravierenderen Folgen verschont geblieben ist.

Nur wenige Tage vor der Tat profilierte sich der Täter auf der Internetplattform „Facebook“ mit Beschreibungen von möglichen Formen des Mordes an politischen Gegnern. In einer von menschenverachtenden Äußerungen nur so strotzenden Diskussion schreibt er unter anderem:
„Dann kann ich ihn endlich mal die Klinge fressen lassen“, „Die Flachzange klappt zusammen und rührt sich nicht mehr. Dass muss doch ein Gefühl sein, wie wenn man kurz vor dem Ejakulieren ist!“, „Man stelle sich vor, man konstruiere einen riesengroßen Backofen und stecke sie dann rein! Und dann auf 200 Grad erhitzen und zuschauen was passiert.“ In der Diskussion erklärt der Versicherungsmakler Stech weiter, dass er sich eine Situation wünsche, in der er einen politischen Mord als Notwehr tarnen könne.

Für uns ist klar: Florian Stech hatte die Absicht, den jungen Antifaschisten zumindest schwer zu verletzten und nahm auch einen tödlichen Ausgang billigend in Kauf.

Die faschistische Gefahr ist offensichtlicher denn je. Seit 1990 wurden in der BRD mindestens 182 Menschen von FaschistInnen ermordet, die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen. Erst durch die jüngste Aufdeckung der rechten NSU-Terrorzelle drangen diese Tatsachen an die Oberfläche, viel zu lange wurden sie verschwiegen. Unsere Aufgabe muss es sein, faschistische Aktivitäten zu benennen und auf allen Ebenen zu bekämpfen. Das ist das Mindeste, was wir für die Opfer der alten und neuen Nazis tun können.

Am 18.06.2012 beginnt nun vor dem Freiburger Landgericht in insgesamt neun Verhandlungstagen der Prozess gegen Stech. Die Staatsanwaltschaft klagt ihn wegen versuchten Totschlags und weiterer Delikte an.

Wir werden den Prozess von Florian Stech begleiten und den politischen Charakter seiner Tat betonen. Selbstverständlich werden wir uns dabei nicht auf einen Staat und eine Justiz verlassen, die so oft auf dem rechten Auge blind sind.

In diesem Sinne: Kommt zum Prozess und zu den Kundgebungen. Zeigt euch solidarisch mit den betroffen GenossInnen und lasst uns gemeinsam deutlich machen, dass faschistische Gewalt nicht unbeantwortet bleiben darf.

Achtet auf weiter Ankündigungen zur Prozessmobilisierung.

Kein Fußbreit den Faschisten!
Für einen entschlossenen Antifaschismus!

Kundgebung: 17.6. | 18 Uhr | Bertoldsbrunnen

Prozesstermine:

18.6.
20.6.
22.6.
02.7. | Kundgebung | 8 Uhr | Bertoldsbrunnen
04.7.
05.7.
09.7.
11.7.
12.7.

Die Verhandlungstage beginnen jeweils um 08:30 im Landgericht Freiburg Salzstraße 17 Saal 4.

Die Kundgebungen sind nicht angemeldet!

[Aktuelle Informationen findet ihr auf dem Blog von Enough is Enough.]

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Freiheit für Anarchist_innen in Istanbul! Aktionstag 12.6.!!

Freiheit für die inhaftierten Anarchist_innen in Istanbul!
Internationaler Solidaritäts-Aktionstag am 12. Juni 2012

Am 14. Mai wurden 60 Menschen wegen ihrer Beteiligung an der 1. Mai-Parade in Istanbul festgenommen und ihre Wohnungen durchsucht. Ihnen wird „Sachbeschädigung öffentlichen Eigentums im Namen einer terroristischen Organisation“ vorgeworfen, weil bei der genannten Parade einige Banken beschädigt wurden. Neun von ihnen befinden sich nach wie vor in Haft. Ein LBGT-Mensch (lesbian-bisexual-gay-trans) unter ihnen, wurde mit hate-speech belästigt.
9 Aktivist_innen sind weiterhin injaftiert. Mit der Androhung von 15-20 Jahren Haft wurde manchen der neun in den ersten Tagen, in denen jeglicher Kontakt zu ihren Familien, Freund_innen und Anwält_innen verwehrt wurde, ein Geständnis zur Rädelsführerschaft in einer terroristischen Organisation abgepresst. Angesichts der Organisation aller Betroffenen in anarchistischen Zusammenhängen unterschiedlichster Spektren, von Tierbefreiung bis zu Menschenrecht, Umweltschutz und LBGT, ist dies ein geradezu absurder Vorwurf.
Es ist das erste Mal in der Türkei, dass der Vorwurf der Terroristischen Organisation auch gegen Menschen des anarchistischen Spektrums, der Tierrechts- und der Umweltschutzbewegung angewendet wird. Gegen kurdische Gruppen und andere Linke hat dieser Vorwurf leider schon eine lange Tradition.

Auch deswegen muss den Repressionsorganen gezeigt werden, dass die Inhaftierten nicht isoliert sind, sondern, dass sie eine breite, internationale Bewegung hinter sich wissen, die die Verteidigung des Lebens und der Würde von Menschen und Tieren wichtiger ist, als ein paar Fensterscheiben. In einem offenen Brief äussern sich die neun Gefangenen erstmals (http://www.ainfos.ca/en/ainfos26423.html) und die Organisation Yeryüzüne Özgürlük Derneği (Freedom to Earth Association) ruft zur internationalen Solidarität auf (http://de.indymedia.org/2012/05/330671.shtml).

Am 12. Juni werden in vielen Ländern der Welt Menschen vor türkischen Botschaften demonstrieren um ihre Solidarität mit den Inhaftierten auszudrücken und ihre Freilassung fordern. Organisiert eure eigene Aktion in eurer Stadt (http://www.mfa.gov.tr/turkish-representations.en.mfa)! Lasst die Gefangenen nicht allein!

Unterstützt die türkischen Aktivist_innen und fordert ihre sofortige Freilassung!

Die nächste türkische Repräsentation befindet sich in Strasbourg: STRASBOURG CONSULAT GENERAL DE TURQUIE
Address: 10 RUE, AUGUSTE LAMEY 67000 STRASBOURG/ FRANCE
Telephone: 00 33 (0)3 88 36 10 09 – 00 33 (0)3 88 36 69 10- 00 33 (0)3 88 36 68 14
Fax: 00 33 (0)3 88 37 97 39
consulat.strasbourg@mfa.gov.tr
http://strasbourg.cg.mfa.gov.tr

[der aufruf wurde von hier übernommen.]

 

 

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ein offener brief von anarchistischen gefangenen in der türkei an die öffentlichkeit

[dies ist die übersetzung dieses artikels in englischer sprache.]

wie bekannt sein dürfte, gab es von einigen anarchist_innen aus dem anarchistischen block am ersten mai 2012 angriffe auf einige banken und firmen im istanbuler stadtteil mecidiyeköy-şişli.

wir, neun der 60 menschen, die durch die polizeibehörde in gewahrsam genommen wurden, wir, neun anarchistische gefangene, die durch die entscheidung des neunten strafgerichts gefangen genommen und in das tpy-t-gefängnis in metris gesperrt wurden, schreiben diesen brief.

die meisten von uns wurden von antiterror-einheiten um 5 uhr am morgen des 14. mai in gewahrsam genommen und einige am folgenden tag. unsere computer, telefone, festplatten, bücher und viele andere persönliche dinge wurden von der polizei beschlagnahmt. es waren zwischen zehn und 20, die in unser haus kamen. die polizeibehörde warf uns „zerstörung öffentlichen eigentums im namen einer terroristischen organisation“ vor.

die gefangenen, die sehr unterschiedliche auffassungen der anarchistischen idee und die sich zum ersten mal im polizeigewahrsam gesehen haben, wurden der bildung einer terroristischen organisation beschuldigt und einige wurden während der befragung durch die polizei gezwungen, zuzugeben, deren führer_innen zu sein. auch wenn führerschaft total im gegensatz zur anarchistischen idee steht und dadurch unmöglich ist, war es die absicht der polizei dieses zu beweisen, genauso wie „die mitgliedschaft der gleichen terroristischen organisation“. diese unterstellungen sind tragisch-komische dummheit.

die menschen, die von der polizei beschuldigt werden, mitglieder einer terroristischen organisation zu sein, hatten keine waffen oder munition zu hause. allerdings wurden in der befragung durch die polizei bücher von autor_innen wie kropotkin, die in jeder buchhandlung gefunden werden können, als beleg für eine organisation herangezogen. die artikel, die sie gelesen hatten und die videos, die sie in sozialen netzwerken geteilt hatten, wurden dem gericht von der polzei als beweise vorgelegt. auch die mitgliedschaften der leute in einer rechtshilfe-organisation, die zu tierbefreiung, menschenrechten und ökologischen fragen arbeitet, mussten als beweise, vorgelegt durch die polizei, herhalten.

all der psychische druck, der auf die leute ausgeübt wurde: sie waren vier tage in gewahrsam und es war ihnen nicht erlaubt, ihre familienmitglieder zu sehen. es war ihnen nicht einmal erlaubt, jemanden anzurufen, auch nicht ihre anwält_innen. einer unsere lgbt-freunde wurde durch verbale gewalt angegriffen. alle wurden dazu gezwungen, die existenz einer terroristischen organisation zuzugeben und falschaussagen über die mitgefangenen zu machen. auch tätigten zwei menschen, die mit 15-20 jahren gefängnis wegen mitgliedschaft in einer terroristischen organisation bedroht wurden, falschaussagen über leute, über die sie gar nichts wussten. unter dem druck der polizei, beschuldigten sie einige leute, gegen die die polizei keine beweise hatte, sei es durch telefongespräche, internet- oder irgendeine andere kommunikation mit anderen, führer_innen der organisation zu sein und „identifizierten“ sie als angreifer_innen.

die meisten unserer freunde wurden eingesperrt, nur weil sie ähnliche taschen, schuhe, gürtel etc. hatten (wie sie millionen menschen haben können) wie die menschen, die während des angriffes gefilmt wurden. natürlich wird mit diesen mangelhaften und irrationalen beweisen nicht bewiesen, dass eine anarchistische terrororganisation existiert. darum wurden wir beschuldigt, öffentliches eigentum zerstört zu haben.

wir wollen deutlich machen, dass es uns, als anarchist_innen, die alle gesetze und authoritäten ablehnen und die alle staaten als mörder ansehen, egal ist, ob der staat uns als terrorist_innen bezeichnet oder nicht. der gleiche staat, der in „roboski“ dutzende von menschen umbringen ließ, der den elf jahre alten uğur kaymaz mit 13 kugeln ermordete und die täter_innen nicht bestrafte. der staat, der 1977 34 menschen umgebracht hat und dafür nicht eine person in gewahrsam nahm, aber kein problem damit hatte, 60 menschen in gewahrsam zu nehmen und einzusperren für 3-5 zerbrochene bankschaufenster.

zwei der eingesperrten freund_innen konnten nicht an den abschlussexamen ihrer universitäten teilnehmen. es besteht die möglichkeit einer untersuchung durch die universitäten und die beiden könnten suspendiert oder entlassen werden. eine_r unserer freund_innen bereitet sich auf die aufnahmeprüfung der universität vor. es ist klar, dass es nicht möglich ist, im gefängnis dafür genug zu studieren. eine_r unserer freund_innen, der/die m.a./m.s. studiert, wird die diplomarbeit nicht weiterschreiben. wir erhielten die nachricht, dass drei freund_innen nach ihrer festnahme, entlassen wurden.

seit wir in gewahrsam genommen wurden, machten wir unsere erfahrungen mit dem rechtssystem, von dem der staat immer behauptet, dass es so großartig sei: in wahrheit ist es nichts anderes, als ein unterdrückungs- und normierungswerkzeug. ideen wie gerechtigkeit und recht gibt es nur in der theorie.

wir wollen jetzt draußen sein. aber lasst uns klarstellen, dass wir weder darum bitten, noch darum betteln werden.

wir wissen, dass wir nur wegen unserer politischen ideen im gefängnis sind. darum bereuen wir auch nicht, was wir getan oder nicht getan haben. der grund, diesen brief zu schreiben, ist einzig der, der öffentlichkeit die wahrheit zu erzählen. er soll sie dabei unterstützen, zu erkennen, was vor sich geht.

wir wissen, dass diejenigen, die uns eingesperrt haben, nicht nur bezwecken, uns für die teilnahme an einer aktion zu bestrafen. sie wollen uns in diejenigen verwandeln, die angst davor haben, ihre ureigenen rechte wahrzunehmen. aber eines wissen sie nicht: die gefängnisse ihrer abscheulichen zivilisation können unsere ideen nicht unterdrücken und wir fühlen uns stärker als jemals zuvor.

wir begreifen alle anarchist_innen der welt als unsere genoss_innen und schicken unsere grüße, unsere liebe und unseren ruf nach solidarität an alle aufständischen der welt, die das feuer der freiheit in ihren herzen tragen und die aus athen, amed, chiapas, gaza, toronto oder seattle kommen… ihr müsst wissen, dass ihr nicht alleine seid und dass menschen in diesen orten auch kämpfen.

wir danken allen diesen für die solidarität und für die aktionen, die uns unterstützen.

es ist unmöglich, unsere gefühle für die örtlichen anarchist_innen, die uns unterstützen und aktionen für uns machten (wie der rest der welt), zu beschreiben. diese seiten sind zu kurz für unseren dank an sie.

wir umarmen sie mit unseren sehr innigen grüßen.

lasst sie wissen, dass wir wissen, dass sie bei uns sind und dass wir uns nie alleine fühlen, nicht einen einzigen moment.

mit wünschen von uns für viele lange tage der aufstände und solidarität.

anarchistische gefangene:

beyhan çağrı tuzcuoğlu
burak ercan
deniz
emirhan yavuz
murat gümüşkaya
oğuz Topal
Sinan gümüş
ünal can tüzüner
yenal yağcı

[übersetzt von nigra. für verbesserungen bin ich dankbar.]

Veröffentlicht unter Anarchismus, Repression | Kommentare deaktiviert für ein offener brief von anarchistischen gefangenen in der türkei an die öffentlichkeit

„Wohin am 1. Mai?“

Fragt und beantwortet das Anarchistische Netzwerk Südwest*

In vielen Län­dern der Welt wird der 1. Mai als „Tag der Ar­beit“ be­gangen: Volks­feste, Fahr­rad­touren und hoher Al­ko­hol­konsum be­stimmen das Bild. Nur we­nige nehmen an den ri­tua­li­sierten De­mons­tra­tionen der eta­blierten Ge­werk­schaften teil. Kaum je­mand kennt den kämp­fe­ri­schen Ur­sprung des 1. Mai als Kampftag der in­ter­na­tio­nalen Ar­beiter_in­nen­be­we­gung. Ein Blick zu­rück in die Ge­schichte bringt längst ver­ges­sene Ziele und Träume von Ar­beiter_innen ans Ta­ges­licht, die weit über heu­tige For­de­rungen, wie z.B. Lohn­er­hö­hungen, hin­aus­gingen…

19. Jahr­hun­dert: Die Si­tua­tion der Ar­beiter_innen in den USA

Ob­wohl der 8-Stunden-Tag in der zweiten Hälfte des 19. Jahr­hun­derts schon Ge­setz war, wurde er von den Ar­beit­geber_innen igno­riert. Min­des­tens 12 Stunden täg­li­cher Ar­beit und Kin­der­ar­beit trotz gleich­zei­tiger hoher Ar­beits­lo­sig­keit bei den Er­wach­senen waren an der Ta­ges­ord­nung. Ar­beit­nehmer_in­nen­rechte gab es in der Rea­lität nicht. Ge­wohnt wurde in völlig über­füllten Ba­ra­cken und Miets­ka­sernen, in denen übelste hy­gie­ni­sche Be­din­gungen herrschten.

For­de­rungen und Ak­tionen

Durch­ge­setzt wurde die ge­setz­liche An­er­ken­nung des 8-Stunden-Tages durch kämp­fe­ri­sche Streiks, bei denen immer wieder Po­lizei, Armee und pri­vate Si­cher­heits­kräfte gegen die Strei­kenden ein­ge­setzt wurden. In Chi­cago waren bei dieser Be­we­gung auch an­ar­chis­ti­sche Gruppen stark en­ga­giert. Deren For­de­rungen und Ziele schlossen die Über­win­dung des ka­pi­ta­lis­ti­schen Sys­tems mit ein. Di­rekte Ak­tion und die „Pro­pa­ganda der Tat“ waren ihre Kampf­mittel. Sie ver­trieben ei­gene Zei­tungen und grün­deten be­waff­nete Ar­beiter_in­nen­or­ga­ni­sa­tionen. Die An­ar­chist_innen waren eine trei­bende Kraft der Be­we­gung und in den Ge­werk­schaften ver­wur­zelt. Im Früh­jahr 1886 er­reichte die Be­we­gung zur tat­säch­li­chen Um­set­zung des 8-Stunden-Tages ihren Hö­he­punkt. Die Ar­beiter_innen setzten den 1. Mai als Stichtag für dessen Ver­wirk­li­chung an.

Der 1.Mai 1886, Hay­market Riot und die Folgen

Am 1. Mai streikten al­lein in Chi­cago 40.000 Ar­beiter_innen für den 8-Stunden-Tag. 80.000 Men­schen gingen für diese For­de­rung auf die Straße. Vor der Mc­Cor­mick-Land­ma­schi­nen­fa­brik kam es am 3.Mai zu einer Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen Strei­kenden und Streik­bre­cher_innen. Bei dem an­schlie­ßenden Po­li­zei­ein­satz wurden meh­rere Ar­beiter_innen ge­tötet und un­zäh­lige ver­letzt.

Als Re­ak­tion darauf riefen die An­ar­chist_innen für den fol­genden Abend zu einer Pro­test­kund­ge­bung auf dem „Hay­mar­ket“ auf. Es ver­sam­melten sich über 2000 Men­schen fried­lich. Kurz vor der Auf­lö­sung der Kund­ge­bung wurden die ver­blie­benen 300 De­mons­tran­tInnen ohne er­kenn­baren Grund von 200 Po­li­zisten an­ge­griffen. Bei der fol­genden Aus­ein­an­der­set­zung de­to­nierte in den Reihen der Po­lizei eine Bombe.

Ein Po­li­zist stirbt so­fort, wei­tere sechs er­liegen in den fol­genden Wo­chen ihren Ver­let­zungen. Un­klar bleibt, ob sie durch die Bombe oder, wie ver­schie­dene Quellen be­haupten, durch ihre wild in die Menge schie­ßenden Kol­legen ver­letzt wurden.

Die Re­pres­si­ons­welle

Be­reits in den frühen Mor­gen­stunden des fol­genden Tages be­gann die Po­lizei eine groß­an­ge­legte Re­pres­si­ons­welle: es gab un­zäh­lige Haus­durch­su­chungen, hun­derte von Ver­haf­tungen und Ver­höre. Von Seiten der Staats­an­walt­schaft gab es grünes Licht für Rechts­brüche aller Art: „Ma­chen sie erst die Raz­zien und schauen da­nach im Ge­setz nach.“. Die Po­lizei zö­gerte nicht, selbst an­ge­legte Waf­fen­lager auf­zu­de­cken und diese als Be­weise für eine an­ar­chis­ti­sche Ver­schwö­rung zu be­nutzen. Be­gleitet und ge­recht­fer­tigt wurden diese Ma­chen­schaften von het­ze­ri­schen Zei­tungs­be­richten, die große Teile der Chi­ca­goer Presse ver­brei­teten. Von den un­zäh­ligen Ver­haf­teten und auch An­ge­klagten wurden let­zend­lich acht be­kannte und ak­tive An­ar­chisten des Mordes an­ge­klagt.

Der Pro­zess

„Das Ge­setz klagt die An­ar­chie an! Diese Männer wurden an­stelle von tau­senden vor Ge­richt ge­stellt, nicht etwa weil sie schul­diger sind, son­dern weil sie deren An­führer waren. Gent­lemen! Sta­tu­iert ein Exempel an ihnen, hängt sie! Nur so retten wir un­sere In­sti­tu­tionen, un­sere Ge­sell­schafts­ord­nung!“ Dieses Zitat der Chi­ca­goer Staats­an­walt­schaft sagt schon alles über den Cha­rakter des Pro­zesses aus. Vor­ein­ge­nom­mene Ge­schwo­rene, ge­fol­terte und be­sto­chene Zeugen, feh­lende Be­weise und die be­glei­tende Hetze der Presse sorgten dafür, dass der Pro­zess zum Schau­pro­zess wurde und das ge­wünschte Ur­teil schnell fest­stand: sieben An­ge­klagte werden zum Tod ver­ur­teilt, einer wird zu langer Haft­strafe ver­ur­teilt. Ein erst 23 Jahre alter brachte sich im Ge­fängnis um und kam somit seinen Hen­kern zuvor. Am 11. No­vember 1887 werden vier wei­tere er­hängt. Zwei konnten durch Gna­den­ge­suche an den Gou­ver­neur eine Um­wand­lung des To­des­ur­teils in eine lang­jäh­rige Haft­strafe er­rei­chen.

Die Folgen

Be­reits wäh­rend des Pro­zesses kam es zu großer So­li­da­rität der in­ter­na­tio­nalen Ar­beiter_in­nen­be­we­gung mit den In­haf­tierten. Im Jahr 1889 wurde der 1. Mai in Ver­bin­dung mit der Ge­ne­ral­streik­de­batte in Paris zum in­ter­na­tio­nalen Kampftag der Ar­beiter_innen er­klärt. Den­noch verlor die starke an­ar­chis­ti­sche Be­we­gung in den USA völlig an Be­deu­tung und das Wort „An­ar­chie“ wird seither von der welt­weiten Öf­fent­lich­keit mit Ge­walt und Chaos in Ver­bin­dung ge­bracht.

Im Jahr 1893 wurde der Pro­zess of­fi­ziell zum Jus­tiz­mord er­klärt und die drei noch In­haf­tierten frei­ge­lassen.

„Der An­ar­chismus be­deutet nicht Blut­ver­gießen, be­deutet nicht Räu­berei, Brand­stif­tung usw. Diese Un­ge­heu­er­lich­keiten sind viel­mehr cha­rak­te­ris­ti­sche Züge des Ka­pi­ta­lismus. An­ar­chismus und So­zia­lismus be­deuten Friede und Ruhe für alle.“
Au­gust Spieß aus seiner „An­klage der An­ge­klag­ten“

Ka­pi­ta­lis­ti­sche Ge­gen­wart und an­ar­chis­ti­sche Utopie

Die Si­tua­tion der Ar­beit­nehmer_innen ist zu­min­dest in den rei­chen Län­dern des Nor­dens nicht mehr ver­gleichbar mit den Be­din­gun­gungen am Ende des 19. Jahr­hun­derts. Er­run­gen­schaften, wie das Streik­recht, der 8-Stunden Tag, so­ziale Ab­si­che­rung usw. wurden er­kämpft. Seit Jahren werden diese je­doch von der ka­pi­ta­lis­ti­schen Rea­lität in Frage ge­stellt und nach und nach zer­schlagen. Un­ab­hängig von diesen kos­me­ti­schen Ver­schö­ne­rungen waren die Grund­struk­turen der Aus­beu­tung über die Jahre hinweg immer die Glei­chen.

Ein Zu­stand der auch nicht mehr in Frage ge­stellt wird seit die ra­di­kale Ar­beiter_in­nen­be­we­gung in der Be­deu­tungs­lo­sig­keit ver­sank. Heute be­stimmen Dis­kus­sionen über 2% mehr oder we­niger Lohn die Ar­beits­kämpfe. Die hier­ar­chisch auf­ge­bauten Ge­werk­schaften bieten keine Lö­sungen son­dern sind in­zwi­schen selbst Teil der ka­pi­ta­lis­ti­schen Ver­wer­tungs­logik ge­worden.
Let­zend­lich wird nur an Sym­ptomen her­um­ge­dok­tert – eine grund­le­gende Kritik an den Ur­sa­chen und eine Utopie ab­seits ka­pi­ta­lis­ti­scher Ver­hält­nisse findet in der breiten Öf­fent­lich­keit nicht statt.

Aber genau das und die Um­set­zung dieser Utopie ist not­wendig, wenn wir eine Welt ohne Aus­beu­tung und Un­ter­drückung wollen. Dabei können und dürfen wir nicht darauf hoffen, dass uns je­mand zu dieser Utopie hin­führt. Nur wenn wir aus ei­gener Mo­ti­va­tion selbst­or­ga­ni­sierte wi­der­stän­dige Netz­werke auf­bauen, die herr­schafts­frei or­ga­ni­sierte Al­ter­na­tiven auf­zeigen und leben – und aus diesen heraus die ka­pi­ta­lis­ti­sche Rea­lität an­greifen und in Frage stellen – wird unser Wi­der­stand von Dauer sein und zu einer kon­kreten Be­dro­hung für die be­ste­henden Ver­hält­nisse werden.

Dafür ist es wichtig un­sere Ni­schen­kämpfe zu­sam­men­zu­führen. Egal ob so­ziale Kämpfe, An­ti­fa­schismus, Wi­der­stand gegen Bil­dungs­abbau oder Öko­lo­gie­be­we­gung: es muss der Kampf ums Ganze sein. Denn das eine hängt mit dem an­deren un­trennbar zu­sammen.

Wir for­dern alle Men­schen auf, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, an­statt die Ver­ant­wor­tung bei Wahlen an Po­li­tiker_innen und Funk­tionär_innen ab­zu­geben.

Und jetzt?

In diesem Jahr finden im Süd­westen* viele De­mons­tra­tionen und Ak­tionen rund um den 1. Mai statt. Hier findet ihr eine kleine Über­sicht, was wann wo geht:

Mann­heim:

An­ti­fa­schis­ti­sche Demo, da­nach: Na­zi­auf­marsch ver­hin­dern! | 09:00 Uhr, Ge­werk­schafts­haus | Infos: akan­tifa-mann­heim.de

Vil­lingen-Schwen­ningen:

Re­vo­lu­tio­närer Block auf DGB-Demo | 10:00 Uhr, Bahnhof Schwen­ningen | Infos: lin­ke­ak­tion.blogs­port.de

Heil­bronn:

An­ti­ka­pi­ta­lis­ti­scher Block auf DGB-Demo | 10:30 Uhr, DGB-Haus | Infos: ers­ter­maihn.word­press.com

Frei­burg:

So­zi­al­re­vo­lu­tio­närer Block auf DGB-Demo | 11:00 Uhr, Stüh­linger Kirch­platz | Infos: fau.org/frei­burg

Stutt­gart:

Re­vo­lu­tio­näre 1. Mai-Demo | 11:30 Uhr, Schloss­platz | Infos: 1mai­stutt­gart.blogs­port.de

Karls­ruhe:

Re­vo­lu­tio­näre 1. Mai-Demo | 13:00 Uhr, Wer­der­platz | Infos: 1mai­karls­ruhe.blogs­port.de

[Text­quelle: An­ti­fa­schis­ti­sche Ak­tion Of­fen­burg & Fédéra­tion An­ar­chiste de Stras­bourg]

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