trojaner, schlapphüte und anderes gesindel…

„der staat und seine trojaner“ heißt ein interessantes und gut recherchiertes radiofeature der ard.

1984manualvon der zufälligen entdeckung eines staatstrojaners auf dem eigenen laptop durch einen kaufmann über die wirren statements von politiker*innen bis hin zu den üblen verflechtungen von staat, privatwirtschaft und widerlichen diktaturen passt dieses feature zum nsa-skandal wie die faust aufs auge: es zeigt einmal mehr, dass wir nicht bis in die usa blicken müssen, um überwachungsmaß-nahmen anzuprangern. der deutsche staat ist selber gut dabei. ist zwar nicht wirklich was neues, aber spannend zu hören.

hier könnt ihr es euch anhören und sogar herunterladen: der staat und seine trojaner

 

 

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ein schwarzer tupfer im tristen bunt…

[hier könnt ihr den 1. mai-aufruf der anarchistischen initiative ortenau zum antikapitalistischen blöckchen in offenburg lesen. ich glaube, das ist das erste mal, dass eine anarchistische gruppe versucht, sich am offenburger 1. mai-getaumel zu beteiligen. wir werden in einem umfeld, in dem z.b. im jahre 2010 der damalige gdp-landesvorsitzende rüdiger seidenspinner der hauptredner war, keinen leichten stand haben, aber immer nur in anderen städten auf die straßen zu gehen, reicht uns nicht mehr…]

Heraus zum 1. Mai! Hinein ins antikapitalistische Blöckchen in Offenburg!

anarquia bildDer 1. Mai ist weltweit einer der wichtigsten Tage der Arbeiter*innen-bewegung. Die IG Metall Offenburg nimmt diese Tatsache zum Anlass, um auf ihrer Website mit dem Text “Blick in die Geschichte des 1. Mai – Vom Kampftag zum Volksfest” auf den Ursprung dieses Tages hinzuweisen. Als Anarchist*innen fühlen wir uns da natürlich angesprochen und wollen uns in diesem Jahr zum ersten Mal in den 1. Mai in Offenburg einbringen.

“Was ist die Liebe zur Arbeit doch für ein Wahnsinn! (…) Was für eine szenische Geschicklichkeit hat das Kapital bewiesen, als es die Ausgebeuteten dazu gebracht hat, die Ausbeutung zu lieben, den Gehängten die Schnur und den Sklaven die Fesseln. Bis heute hat die Idealisierung der Arbeit die Revolution getötet.”
(Alfredo M. Bonanno)

Das Gewerkschaftsmotte lautet 2014 “Gute Arbeit – Soziales Europa”. Und genau dafür wollen sich die Gewerkschaften einsetzen: Für bessere Arbeitsbedingungen und ein besseres Miteinander in Europa. Doch was ist “gute Arbeit”, die ja immer Lohnarbeit ist, im kapitalistischen Wirtschaftssystem? Was soll ein “soziales Europa” sein, das sich nach außen hin mit einem tödlichen Abschottungssystem gegen Menschen in Not abschirmt und im Inneren, von Krisen geschüttelt, chauvinistische Ressentiments pflegt und die “Schuld” bei den “faulen Südländer*innen” sucht?

Die Sisyphosarbeit der Gewerkschaften

“In der kapitalistischen Gesellschaft ist die Arbeit die Ursache des geistigen Verkommens und körperlicher Verunstaltung”
(Paul Lafarque)

Wir finden es legitim, sich im Hier und Jetzt für mehr Lohn, bessere Bedingungen am Arbeitsplatz und stärkeren Kündigungsschutz einzusetzen. Wir freuen uns auch, wenn auf dem Lohnzettel ein paar Euro mehr stehen.
Wir schätzen das antifaschistische und antirassisitische Engagement vieler Gewerkschaftler*innen.
Wir ziehen den Hut vor der Hartnäckigkeit einzelner linker Gewerkschaftsfunktio-när*innen.
Immer wieder ringen die Gewerkschaften in tagelangen Tarifverhandlungen den “Arbeitgeber*innen” ein paar Cent mehr Lohn ab, nur um dann an einer anderen Stelle wieder einen herben Rückschlag zu erleiden, weil die nächste Krise, im Namen der Erhaltung von Arbeitsplätzen, die Entlassung von 20.000 Menschen “alternativlos” macht. Es ist ein ständiges Hin und Her, ein Auf und Ab innerhalb der Regeln des Kapitalismus. Und darum können sozialpartnerschaftliche Gewerkschaften niemals gewinnen.

Was wir vermissen

“Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen”
(Paulus, August Bebel, Adolf Hitler, Franz Müntefering)

Wir vermissen bei den Gewerkschaften eine echte Zukunftsperspektive, die über Lohnforderungen und das Organisieren von Volksfesten hinaus geht. Gewerkschaften, die keinen revolutionären Anspruch haben, müssen im Kapitalismus zu Partner*innen des Kapitals oder zu dessen Spielball werden. Beides ist der Fall.
Wir vermissen die kritische Auseinandersetzung mit der Glorifizierung der Lohnarbeit.
Wir vermissen eine antikapitalistische Analyse der Krise, jenseits von Manager*innen-schelte und der Ablehnung des “Finanzkapitalismus”.

Was wir wollen

Wir wollen selbstverwaltete Gewerkschaften, die Alternativen zum Kapitalismus aufzeigen, die am Aufbau einer solidarischen Gesellschaft mitwirken und die die soziale Revolution nicht für ein Gespinst aus längst vergangenen Tagen abtun. Kündigt die Sozialpartnerschaft mit dem Kapital und geht in den politischen Streik!

Wir rufen zur Teilnahme am antikapitalistischen Blöckchen innerhalb der DGB-Demo in Offenburg auf!
Kommt zu unserem Infostand beim Straßenfest, diskutiert und streitet mit uns.

“Zur Existenz als Unterdrückter oder Unterdrückte gibt es nur eine Alternative: die freiwillige Kooperation zum Besten aller.”
(Errico Malatesta)

Darum: Nicht verzagen! Am 1. Mai auf die Straßen Offenburgs! Rein in’s antikapitalistische Blöckchen!

Demo: 10 Uhr am Fischmarkt zur Reithalle
Im Anschluss DGB-Straßenfest (u.a. mit einem kleinen Infostand der Anarchistischen Initiative Ortenau) an der Reithalle

Anarchistische Initiative Ortenau (April 2014)

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„wir bleiben sand im getriebe!“ demo in freiburg

200 – 300 menschen demonstrierten in freiburg für die herausgabe der gestohlenen wägen und für mehr wagenplätze.

nachdem am montag die stadtoberen und ihre grünen und blauen büttel ohne vorwarnung und nach einem zweiwöchigen katzundmausspiel quer durch freiburg von einem bordstein zum anderen alle wägen des kollektivs sand im getriebe gestohlen haben, war die wut bei vielen freiburger*innen groß und nach einer ersten spontandemo am 16.04. wurde nun zur heutigen demo moblilisiert.

vor dem schicken konzerthaus am freiburger hauptbahnhof stand eine schlange von wägen aus ganz deutschland und bayern, geschmückt mit transparenten. daneben und dazwischen versammelten sich nach und nach 200 – 300 menschen. die zahlreich anwesende polizei war eher entspannt, antikonfliktbeamt*innen mischten sich rotzfrech unter die demo und es schien niemanden zu stören. mich verstörte es.

gegen 17 uhr ging’s dann zum bahnhof los, wo in richtung fußgänger*innenzone abgebogen werden sollte, was die polizei aber nicht zulassen wollte. zumindest mit den wägen im schlepptau nicht. nach einigem hinundher, einer kurzen blockade der straße, einigten sich die verhandelnden menschen mit dem revierleiter harry hochuli darauf, dass die demo mit zwei wägen in die innenstadt dürfe, die restlichen wägen aber außenrum fahren sollten. schließlich war ja ostersonntag und die menschen müssen ja einkaufen. und ein fußballspiel des männerteams des sc freiburg war auch noch und überhaupt sollten demonstrationen doch bitteschön draußen auf dem feld oder im wald stattfinden, wie ein kundiger passant kundtat. also taten wir das dann auch so: mit zwei wägen und der ganzen bagaasch zogen wir durch die kajo, informierten osterngeplagte, geld verprassende passant*innen durch redebeiträge von verschiedenen gruppen, bedröhnten die city mit krasser mucke, verteilten flugis und atmeten feinste dieselabgase. das war schon was.

am siegesdenkmal trafen wir dann wieder auf die anderen wägen und zogen mit diesen, als ob wir nicht schon genug gezogen wären, noch ein paar runden um die innenstadt (vielleicht war’s auch nur eine halbe runde, mir war’s zu viel…). es wurden noch mehr redebeiträge vor immer weniger leuten gehalten, bzw abgespielt und am holzmarkt löste sich die demo dann auf.

alles in allem eine feine demo, die vielen menschen in der stadt ihre anliegen näher bringen konnte. ich hätte mehr menschen erwartet, aber vielleicht sind auch in der radikalen linken, der alternativen szene oder was auch immer mehr menschen als gedacht mit eier kaufen, verstecken, suchen oder finden beschäftigt.

aber noch ist nicht aller tage abend und wie hat es jemand am demomikrofon gesagt: „wir freuen uns auf einen heißen sommer!“

her mit den wägen!
her mit einem neuen wagenplatz in freiburg!
für die anarchie!

[zum vergrößern der fotos einfach anklicken. ein besonderes schmankerl (danke für den tipp!) ist das bild mit dem polizeibeamten von hinten fotografiert: weiß er von seiner ganz besonderen nummer? 1-3-1-2…dämmert’s?]

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solidarität mit sand im getriebe in freiburg!

[nachdem die polizei im auftrag der stadt ohne vorwarnung die am straßenrand parkenden wägen des kollektivs sand im getriebe beschlagnahmt hat, ist die wut in freiburg groß. zeigt eure wut, geht auf die straße und demosntriert für mehr wagenplätze in freiburg und überall.

hier der aufruf zur demo am kommenden samstag]

Gegen Wagenklau und Hetze – Für mehr Wagenplätze

sig

Am Morgen des 14.04.2014 liess die Stadt Freiburg 11 Fahrzeuge der Wagengruppe Sand im Getriebe von einem Grossaufgebot der Polizei räumen und beschlagnahmen. Seither sind über 15 Menschen obdachlos.

Die Wagengruppe Sand im Getriebe ist nun länger als zweieinhalb Jahren auf der Suche nach einem Platz. Einem Platz auf dem sie selbstverwaltet und solidarisch miteinander Leben kann. Einen Platz der einen unkommerziellen Treffpunkt bieten soll. Einen Platz auf dem ein sozialer und kultureller Austausch möglich ist.

Nachdem die Gruppe im letzten Sommer mit Hilfe einer konstruierten Lüge der Polizei von ihrem damaligen Standort vertrieben wurde, fand diese einen neuen Platz auf dem Parkplatz der Pädagogischen Hochschule. Dort war sie aber nur bis zum 31.März 2014 geduldet.

Nach dem 31. März ging es wieder an die Straßenkante. Dort wurden sie 2 Wochen dauerobserviert und unter Androhung von Räumung und Beschlagnahme durch die Stadt gehetzt.

Am Montag den 14.A pril machte die Stadt ernst und stahl Ihnen ihre Wagen und Hänger und hat so unsere Freund_Innen/Genoss_Innen/Kolleg@s obdachlos gemacht.

Seit Monaten versperren sich Stadt und Behörden einem Dialog mit der Wagengruppe obwohl diese mehrfach das Gespräch gesucht hatte. Stattdessen werden potentielle Stellflächen verbarrikadiert und unbefahrbar gemacht .

Lasst uns diesem ignoranten Verhalten der Stadt und der Ordnungsbehörden am Samstag dem 19.04.2014 um 16 h mit einer lautstarken, entschlossenen und kreativen Demonstration entgegentreten.

Ob zu Fuß oder auf Rädern – kommt nach Freiburg!

Für die sofortige Herausgabe der Wägen!
Für mindestens einen neuen Wagenplatz!
Lasst uns Sand im Getriebe der Stadt sein!

 Samstag 19.04.14 – 16 h – Freiburg im Breisgau

 

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der diskriminierung entgegentreten! ein text gegen die proteste gegen den bildungsplan 2015

[im folgenden könnt ihr einen text des libertären bündnisses ludwigsburg [lb]² gegen die besorgten eltern, homophoben gotteskrieger*innen und rechten marktliberalen lesen. diese gehen zur zeit einmal im monat in stuttgart gegen den bildungsplanentwurf der grün-roten regierung von baden-württemberg auf die straße. er sieht vor, dass im schulunterricht die verschiedenen sexuellen orientierungen und die daraus folgenden lebensentwürfe den schüler*innen gleichberechtigt vermittelt werden sollen. genauso wie [lb]² bin ich kein fan des schulsystems und seiner krassen auswüchse, kann aber den rüchwärtsgewandten thesen der bildungsplangegner*innen rein gar nix abgewinnen und halte die melange auf stuttgarts straßen für sehr gefährlich. the streets are ours!]

Der Diskriminierung entgegentreten! Ein Text gegen die Proteste gegen den Bildungsplan 2015

Coppers-Kissing-Banksy-WallpaperAlles Nazis oder was?
Wir sind gegen die Proteste gegen den Bildungsplan. Doch warum?
Einige bisherige Berichte (Artikel bei linksunten) versteiften sich auf das Thema Neonazis bei den Demonstrierenden gegen den Bildungsplan. Hier halten wir eine differenziertere Betrachtung für notwendig. Neonazis finden zwar klare Anknüpfungspunkte, sind aber nicht die Initiator*innen und stellen auch nicht die Mehrheit der Teilnehmer*innen der Proteste. Die Teilnehmer*innen rekrutieren sich vielmehr aus dem gesamten konservativen und reaktionären Spektrum: Christliche Fundis, PI-News1, Konservative Aktion, AfD, etc. Auch die Russisch-Orthodoxe Gemeinde scheint eine relevante Rolle einzunehmen. Unseres Erachtens ist Heterosexismus und Homophobie ein zentraler Antrieb für die Proteste der Bildungsplan-Gegner*innen, auch wenn sie selbst es leugnen und “nur um das Wohl ihrer Kinder besorgt sind”.
Hier besteht immer die Gefahr: Wenn unsere Kritik zu sehr auf einzelne Akteur*innen abzielt, gibt man den restlichen Demonstrierenden den Raum, sich von diesen Akteur*innen inhaltlich zu distanzieren und ihre “besorgte Eltern”-Scharade weiter zu spielen.
Um an dieser Stelle entgegenzuwirken werden wir uns im Folgenden grundlegend mit den gesellschaftlichen Mechanismen, die hinter den Bildungsplangegner*innen stehen, auseinandersetzen.
Dazu wollen wir gerne etwas weiter ausholen und die ständig stattfindende unterbewusste Kategorisierung der menschlichen Wahrnehmung in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Diskriminierungsformen setzen. Wir erklären die Schlagworte Heteronormativität und Heterosexismus. Erst darauf aufbauend wollen wir die Diskriminierung durch die Bildungsplangegner*innen aufgreifen.

Sind wir neutral?
Wir Menschen aus dem westlichen Europa halten uns gerne für aufgeklärt und objektiv. Was auch immer wir in unserem Alltag tun, wenn wir durch die Straßen laufen und andere Menschen wahrnehmen, beim Fernsehen, im Kino… – überall wo wir andere Menschen erblicken oder mit ihnen in Kontakt treten, nehmen wir von uns an, dass wir in einer relativen Unvoreingenommenheit anderen Menschen gegenüber leben. Sicher, mal gefällt uns eine Frisur nicht oder wir mögen bestimmte Personen nicht besonders. Aber ansonsten sind wir neutral. Oder nicht?

Sozialisation und unterbewusste Kategorisierung
Dabei ist uns meist gar nicht bewusst, dass unser Gehirn ununterbrochen Menschen in Kategorien einteilt:
jugendlich, weiblich, von hier (vermutlich deutsch), dünn, trendy, attraktiv, oder: männlich, dick, mittleren Alters, südländisch, bieder, unattraktiv, vermutlich arm.
Ob im Sinne einer Beschränkung auf das Wesentliche oder aus Zeitmangel angewendet ermöglichen uns Kategorien und Klischees als vereinfachte und verallgemeinerte Vorstellungen über Menschen zunächst einmal Orientierung, Sicherheit und dienen einer schnellen Kommunikation.
Nun wäre theoretisch einer unbewussten Kategorisierung anderer Menschen in unserer Umgebung nichts vorzuwerfen, wäre sie neutral und bei Bedarf flexibel. Ist sie aber nicht.
Wir nehmen zwar eine eigene Neutralität an, in Wirklichkeit aber wachsen wir in einer von Ungleichheit bestimmten Gesellschaft auf und verinnerlichen Rollen und Diskriminierungsformen. Was ist normal, was ist anders, wer/was sind “wir”, wer/was sind “die anderen”. Dieses Wissen ist ein gesellschaftlicher Code, den viele Menschen seit ihrer frühesten Jugend verinnerlichen und weitergeben. In der Familie, in Freundschaften und Beziehungen, über Medien, Politik, Wissenschaften, Bildung und so weiter.
Sozialisation bezeichnet die Verinnerlichung solcher gesellschaftlicher Normen. Über Sozialisation lernen wir in Kategorien zu denken, die in dem jeweiligen Zusammenhang und der (Entstehungs-)Geschichte unserer gesellschaftlichen Umgebung entstanden sind. Miteinbezogen werden dabei unterschiedliche Kategorien, die den Status und die Anerkennung von Menschen in einer Gesellschaft bestimmen, zum Beispiel: Geschlecht, Hautfarbe, Kultur, soziale Schicht, Background, Behinderung/Nicht-Behinderung, Alter,…Diese Kategorien sind von Menschen gemacht und haben reale Auswirkungen auf die betroffenen Personen.
Der heutige (westeuropäische) gesellschaftliche Ist-Zustand privilegiert Träger*innen bestimmter Eigenschaften (z.B.: männlich, heterosexuell, weiß, deutsch, gut gekleidet, nicht arm). Alle Menschen, die innerhalb dieser Gesellschaft sozialisiert wurden (und damit diese “Privilegien” als positiv und normal verinnerlicht haben), streben nach diesen Eigenschaften. Wenn Menschen diesen gesellschaftlichen “Idealzustand” nicht erfüllen (können oder wollen), werden sie als “anders” kategorisiert. “Anders” meint nicht nur abweichend vom gesellschaftlichen Ist-Zustand, sondern wird gleichzeitig auch negativ bewertet.

Gesellschaftlicher Ausgangspunkt
Wir leben in einer Gesellschaft, in der als „anders“ wahrgenommene Menschen – Menschen die nicht den Wertvorstellungen der dominierenden Mehrheitsgesellschaft entsprechen – Ausgrenzung, Nicht-Anerkennung, und unterschiedliche Formen der Gewalt erfahren.
Unterdrückungsmechanismen wie beispielsweise gesellschaftliche Ausgrenzung und Diskriminierung gehen mit den bestehenden Hierarchien einher, die das Bild unserer Gesellschaft prägen. Sie führen zu Ungleichheit, untermauern bereits bestehende Diskriminierung und erneuern sich ständig selbst. Dieses ständige Erneuern passiert nicht von allein, sondern wird von Menschen bewusst oder unbewusst durchgeführt. Anstatt bestehende Ungleichheit und Hierarchien in Frage zu stellen, grenzt man sich gegen andere Menschen ab und diese aus. Besondere Benachteiligung, Gewalt und Herabwürdigung erfahren Menschen, die aufgrund von Äußerlichkeiten und anderen Merkmalen, ihrer Kultur, (angenommenen) Herkunft, sexueller Orientierung, Behinderungserfahrung, Alter und/oder Geschlecht diskriminiert werden.

Diskriminierung
Ein wesentlicher Bestandteil von Diskriminierung ist die Zusammenfassung und Kategorisierung von Menschen zu Gruppen und der damit verbundenen Unterstellung bestimmter Eigenschaften. Die weit verbreitete Einstellung und Akzeptanz von Vorurteilen, die Menschen betrifft, diese in ihrem Handeln einschränkt und somit reale Auswirkungen auf deren Alltag hat, wird Diskriminierung genannt (2).
Es gibt viele verschiedene Formen der Diskriminierung, die sich gegenseitig überschneiden und bedingen. Gemeinsam haben sie, dass die betroffenen Menschen aufgrund von bestimmten Merkmalen oder ihrer Gruppenzugehörigkeit benachteiligt oder ausgegrenzt werden.
Die als „anders“ wahrgenommene Menschen, jene, die nicht in die allgemein gesellschaftlich anerkannten Wertvorstellungen passen, sind täglich mit Diskriminierung konfrontiert. Gewalttätig ist Diskriminierung immer und kann tiefgreifende Auswirkungen auf die körperliche, seelische und geistige Unversehrtheit und die Entfaltungsmöglichkeiten der betroffenen Menschen haben.
Wir sehen daher drei Ebenen, auf denen sich die Gewalt durch Diskriminierung manifestiert.
1. Auf individueller Ebene: Hier wird Diskriminierung beispielsweise durch verbale Gewalt in Form von Vorurteilen, Witzen und Bemerkungen ausgedrückt, oder durch direkte körperliche Gewalt.
2. Auf gesellschaftlicher Ebene: etwa in Form von Ausgrenzung und einem allgemein anerkannten Wissen darüber, was natürlich und was unnatürlich ist, wer zu dem “wir” und wer zu “den anderen” gehört; ebenso durch psychische Gewalt wie Nicht-Anerkennung einer Identität und (Be-)hinderung einer persönlichen, individuellen Entfaltung.
3. Auf struktureller und institutioneller Ebene: Die Diskriminierten erfahren keine gleichberechtigte Beteiligung/ Mitgestaltung/ Mitwirkung/ Mitbestimmung an gesellschaftlichen Ressourcen, in sozialen, politischen, materiellen, kulturellen Bereichen.

Heteronormativität und Heterosexismus als Diskriminierungsform
Als Heteronormativität wird ein Geschlechtersystem bezeichnet, bei dem nur zwei Geschlechter, nämlich Mann und Frau, gesellschaftlich zur Norm erhoben werden.
Dabei wird das jeweilige Geschlecht (Mann oder Frau) sowohl mit den gesellschaftlich Rollenvorstellungen von Männern und Frauen verbunden, als auch mit der heterosexuellen Orientierung. Das heißt, dass es bestimmte gesellschaftlich anerkannte Vorstellungen darüber gibt, welche Rollen jeweils Männern und Frauen entsprechen, welche (eher) nicht, und dass die einzige natürliche Beziehungsform eine heterosexuelle Zweierbeziehung zwischen Mann und Frau ist.
Heteronormativität bestimmt somit, was als „normale“ Sexualität gilt und ist gleichzeitig mit den von vielen Menschen verinnerlichten Normen und Vorstellungen bezüglich Körper, Geschlecht, Charakterzuschreibungen, Familie, … verknüpft. Die daraus entstehende Diskriminierungsform wird als Heterosexismus bezeichnet. Sie lässt keine weiteren Sexualitäten und Geschlechter zu.

“Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber…”
Wie bereits in der Einleitung erwähnt werfen wir den Bildungsplangegner*innen heterosexistische und homophobe Diskriminierung vor. Unseres Erachtens ist Heterosexismus und Homophobie ein zentraler Antrieb für die Proteste der Bildungsplan-Gegner*innen, auch wenn sie selbst es leugnen und sich als “besorgte Eltern” darstellen.
Die heteronormative Form des Zusammenlebens (Vater, Mutter, Kinder) findet selbstverständlich und selbstbewusst im öffentlichen Raum statt. Andere Konzepte des Zusammenlebens hingegen haben sich im Privaten abzuspielen – und dort auch zu bleiben. Dieses Messen mit zweierlei Maß zeigt sehr deutlich die diskriminierende Haltung der Bildungsplangegner*innen. Das Verschweigen und die Nicht-Anerkennung bestimmter Identitäten ist auch in anderen Bereichen (z.B. Rassismus) ein machtvolles Ausgrenzungs- und Unterdrückungsinstrument.
Die Angst zu schüren, durch die bloße Erwähnung alternativer Sexualitäten und Geschlechterrollen seien Kinder und Familie bedroht, gründet auf Vorurteilen und falschen Unterstellungen, sie ist heterosexistisch und homophob.
Dieser Verbreitung diffuser Ängste und Unterstellungen wollen wir uns entgegenstellen und für gegenseitige Wertschätzung und eine selbstbestimmte Sexualität eintreten.
Wir haben uns dagegen entschieden der Argumentation der Bildungsplangegner*innen weiteren Raum in unserem Text zu geben.

Unsere Kritik
Wir kritisieren die Vorstellung einer natürlich gegebenen Heterosexualität von Mann und Frau und die damit verbundene Heteronormativität in der Gesellschaft.
Wir gehen davon aus, dass Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität immer in einen gesellschaftlichen Kontext eingebunden sind und aus diesem entstehen.
Dabei werden diese Annahmen durch Medien, Literatur, Musik, … und durch Institutionen wie die Kirche, Schule, (Teile der) Wissenschaft,… als angebliche Wahrheit untermauert.
Diese konstruierte Annahme heterosexueller Mann/ heterosexuelle Frau als einzig gültige Lebensweise empfinden wir als unmenschlich und diskrimierend, da sie aus unserer Sicht nicht der menschlichen Vielfalt gerecht wird.

Bildungsplan
Wir sind uns natürlich der Ironie der seltsamen Ausgangslage bewusst: Wir unterstützen und verteidigen eine Initiative der Landesregierung. Klar ist, dass wir nicht grundsätzlich gut finden, was die Regierung treibt und dass wir den Bildungsplan nur partiell unterstützenswert finden.
Uns ist es jedoch wichtig ein klares Zeichen gegen die reaktionären Kräfte zu setzen, die sich da zusammentummeln, um gegen den Bildungsplan vorzugehen.
Unsere Ansprüche an ein Bildungssystem sind sicherlich andere als die des Staates.
Aber auch das jetzige Bildungssystem sollte neben vielem weiterem den Menschen die nötigen Koordinaten mitgeben an denen sie sich orientieren können und auch Kritik- und Toleranzfähigkeiten vermitteln. Darüber hinaus ist es wichtig, dass jungen Heranwachsenden Wissen und Mittel an die Hand gegeben werden, die sie zur eigenbestimmten unvoreingenommen Selbsterkenntnis eigener Sexualität befähigen. An dieser Stelle begrüßen wir den Ansatz in den Arbeitsversionen des neuen Bildungsplans über alternative Formen bezüglich Sexualität und Geschlecht aufzuklären.
Das Schweigen über oder gar Tabuisieren von bestimmten Formen der Sexualität oder Lebensentwürfen steht einer gesunden selbstbestimmten Entwicklung junger Menschen und ihrer Sexualität entgegen.
Aufklärungsarbeit an Schulen ist also keine “Propaganda”, sondern dient dem ureigenen Interesse aller Kinder.

Was wir wollen
Wir lehnen Hierarchien und die damit einhergehenden Unterdrückungsmechanismen und Diskriminierungen ab. Um diese abschaffen zu können, müssen wir diese erkennen und reflektieren.
Wir wollen Hierarchien bekämpfen, die die Menschen in einer Gesellschaft nach Macht und Nicht-Macht, in höhere und nieder Statusgruppen einteilen.
Hierzu ist es nötig, aktiv zu werden. Dazu gehört auch das Hinterfragen der eigenen Rollen, genaues Hinhören, aufmerksam machen, sich in den Weg stellen, Schreiben, es gibt ganz viele Möglichkeiten… jede*r kann etwas tun!
Ziel ist es, zu einem anderen Umgang der Menschen untereinander zu kommen – jenseits von Diskriminierung, Unterdrückungsmechanismen und Machtstrukturen.
Wenn wir eine Gesellschaft anstreben, in der Vielfalt das gesellschaftliche Bild prägt und unterschiedliche Lebensentwürfe gleichberechtigt nebeneinander stehen können, hat in dieser Form des Pluralismus Diskriminierung keine Berechtigung. Da Diskriminierung immer gewalttätig ist – auf die ein oder andere Weise – darf ihr kein Raum gelassen werden um sich auszubreiten.

Deshalb stellen wir uns dieser Diskriminierung entschlossen und kreativ entgegen. Auf der Straße, in unserem Alltag und in den Köpfen.
Für die freie Vereinigung freier Individuen.

Libertäres Bündnis Ludwigsburg, 04. April 2014
Unterstützt vom Anarchistischen Netzwerk Südwest*

Fußnoten:
(1) Politically Incorrect-News: rechtes, reaktionäres Internetportal
(2) Auch auf anderen Wegen wie beispielsweise institutionelle Gewalt kann Diskriminierung entstehen

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antimilitarismus in russland: anarchist*innen in petrozavodsk von maskierten entführt und schwer misshandelt

[diesen text habe ich aus dem englischen übersetzt.]

anarchist*innen aus fists_starpetrozavodsk, russland, wurden von unbekannten maskierten entführt und schwer verletzt.

anarchist*innen, organisator*innen der demonstration „gegen den krieg in der ukraine“ in petrozavodsk, russland, wurden von unbekannten maskierten entführt und schwer verletzt.

am neunten märz, während der traditionellen food not bombs aktion, sollte in petrozavodsk die demonstration „gegen den krieg in der ukraine“, für eine friedliche lösung der angespannten dortigen situation und um weiteres blutvergießen zu verhindern, stattfinden.

am abend des achten märz wurden zwei der organisator*innen der demonstration und einer ihrer freund*innen angegriffen. zwei autos kamen und ein dutzend maskierter griffen sofort an. sie schrien „ihr wollt verdammt nochmal unsere krim an die leute von bandera abgeben?“, „ihr werdet lernen, zu demonstrieren, ***“ und so weiter. nach einer schnellen aber technischen ausführung (?; d. übersetzer*in), stiegen die angreifer*innen in die autos und fuhren weg.

am nächsten morgen, eine halbe stunde vor der demo, während sie das haus nach dem kochen für food not bombs verließen, wurden erneut vier teilnehmer*innen der aktion und der demo von unbekannten maskierten angegriffen, geschlagen, in zwei autos gestoßen und weggefahren. wie später bekannt wurde, wurden sie in einen wald, 40 bis 45 kilometer von der stadt entfernt, gebracht. während der fahrt wurde ihnen von den angreifer*innen erzählt, dass sie ihr eigenen gräber ausheben werden. die ganze zeit über wurden sie geschlagen und misshandelt. nach der ankunft wurden die opfer einzeln an verschiedenen plätzen aus den autos geholt (jede*r wurde von drei bis vier maskierten begleitet und dann fuhr das auto eine strecke weiter), wieder geschlagen und misshandelt. es wurden polizeischlagstöcke und klarsichtfolie benutzt. die angreifer*innen drohten damit, sie zu verkrüppeln oder zu töten.

währendessen kamen einige unbekannte leute mit provozierenden zeichen, die nichts mit dem thema der demo zu tun hatten, zur demo, machten ein foto und verschwanden wieder. der misserfolg der demo war also geplant. teilnehmer*innen der veranstaltung, genauso wie andere aktivist*nnen, haben gute gründe, sich um ihre eigene sicherheit und die ihrer lieben sorgen zu machen.

bitte gebt diese information weiter.

(quelle: http://avtonom.org/en/news/anarchists-petrozavodsk-russia-were-kidnapped…)

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zügellose party außer rand und band…

[hier die einladung zur party der a-ini]

Anarquia si! Gründungsfeier der Anarchistischen Initiative Ortenau

Im Dezember 2013 haben wir uns nach über einem halben Jahr des Treffens und Diskutierens als Anarchistische Initiative Ortenau gegründet.

Das wollen wir mit euch feiern!

Bei Elende Bande (Anarcho-Riot-Folk-Punk aus Freiburg), ab.out (Elektroyeah), Cocktails und veganem Essen könnt ihr auf Tuchfühlung gehen mit den netten Anarchist*innen von nebenan…

Wie schon die gute, alte Emma Goldman sagte: “Wenn ich nicht tanzen kann, ist es nicht meine Revolution!”

Der Eintritt ist natürlich frei.
Samstag, 8. März 2014, 20 Uhr
Alarmraum, Lise‐Meitner‐Str. 10, Offenburg

Eure Anarchistische Initiative Ortenau

 

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die putinspiele sind vorbei – die repression geht weiter…

kaum sind die olympischen winterspiele in sotschi zu ende, kehrt der repressive alltag in russland zurück. die anarchistin alexandra dukhanina wurde im sogenannten bolotnayaprozess zu drei jahren haft auf bewährung verurteilt und kam so vergleichsweise glimpflich davon: die sieben männlichen angeklagten wurden zu teilweise mehrjähriger lagerhaft verurteilt.

während im gerichtsgebäude die strafmaße verlesen wurden, demonstrierten draußen mehrere hundert menschen, um sich solidarisch mit den angeklagten zu zeigen. auch hier kam es sofort zu über 200 festnahmen.

5317-02-tabakov_bolotnaya_case_court_protest_omon_6219

 

 

 

[foto, geklaut bei the moscow times, von igor tabakov]

links:
abc belarus
taz
telepolis
the moscow times

 

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organize!

[seit winter 2013 hat die ortenau wieder eine anarchistische gruppe. und ich bin mit dabei. gestern sind wir in die öffentlichkeit des internets getreten: die anarchistische initiative ortenau. hautnah könnt ihr uns auf unserer gründungsfeier am achten märz im alarmraum offenburg erleben.]

hier dokumentiere ich unser vorläufiges selbstverständnis.]

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Selbstverständnis der Anarchistischen Initiative Ortenau

Wer sind wir?
Wir sind Menschen, die in einer Gesellschaft ohne Gewalt und Herrschaft leben wollen. Die Tatsache, dass die Welt derzeit weit von diesen Idealen entfernt ist, ist der Grund dafür, dass viele von uns sich seit Jahren in verschiedenen Zusammenhängen und Kämpfen engagiert haben und wir uns nun seit Winter 2013 in der Anarchistischen Initiative Ortenau organisieren.

Was wollen wir nicht? Was wollen wir?
Als Anarchist*innen1 lehnen wir Herrschaft von Menschen über Menschen ab. Diese zieht sich durch alle Lebensbereiche, Staaten und Gesellschaften, durch Kindheit, Bildung, Lohnarbeit hin bis zum Tod. Sie bringt all die Unterdrückungsformen mit sich, die wir überall jederzeit miterleben müssen: Sexismus, Homophobie, Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus, Umweltzerstörung, Armut und Hunger.
Kapitalismus ist eine der stärksten Formen von Herrschaft. Der ihm innewohnende Zwang zu Profit und Wachstum zerstört die Natur, quält und tötet Milliarden von Lebewesen und droht das Leben auf der Erde u.a. durch den Klimawandel für zukünftige Generationen unmöglich zu machen.
Der bürgerliche Rechtsstaat ermöglicht durch seine Gesetzgebung das Funktionieren des Kapitalismus. Dadurch sind Staat und Kapitalismus heutzutage untrennbar miteinander verwoben.
Dagegen setzen wir eine hierarchiefreie Gesellschaft, in der alle Menschen nach ihren Bedürfnissen leben können. Wir bevorzugen ein solidarisches Miteinander, ohne Zwang zum Funktionieren, das dem Individuum die Freiheit lässt, immer ja oder nein sagen zu können, ohne dass diese an unveränderliche Bedingungen oder Regeln geknüpft wäre.
Die Produktion von Gütern und Energie und die Angebote von Dienstleistungen sollen sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und würden sich ökologischen und sozialen Belangen unterordnen. Dezentral, selbstverwaltet und selbstbestimmt könnte so gewirtschaftet werden, ohne die Ökosysteme des Planeten und damit die Menschheit zu vernichten.
Der Alltag ermöglicht die Teilhabe am politischen, sozialen und kulturellen Leben der jeweiligen Gesellschaft. Diese Teilhabe ist Voraussetzung für eine freie Entfaltung des einzelnen Menschen.
Alle Belange sollen von allen Betroffenen mitbestimmt und entschieden werden können. Dafür braucht es keine Nationen von Millionen von Menschen, sondern kleine Gemeinschaften, Kommunen und Föderationen, in denen der einzelne Mensch für sich und seine Bedürfnisse selbst eintreten kann.

Wie sieht unsere Praxis aus?
Die Einsicht, dass wir noch weit von einer anarchistischen Gesellschaft entfernt sind, entmutigt uns nicht.
Wir wollen nicht auf die Revolution warten oder darauf hoffen, dass am Ende der Zeit sich alles zum Guten entwickeln wird, sondern wir wollen schon heute – jetzt – unseren Teil dazu beitragen. Alle Gesellschaften wurden und werden von Menschen gemacht und können darum auch von ihnen verändert werden. Die Geschichte zeigt auch, dass einst als unumstößlich geltende Gesellschaftsformen sich im Laufe der Zeit gewandelt haben, z. B. die Entwicklung von der Monarchie zur Demokratie. Es ist möglich, eine Gesellschaft grundsätzlich umzustrukturieren.
Um diesen Prozess anzustoßen, ist es wichtig, dass wir einerseits als Individuen vorleben, dass eine andere Gesellschaft möglich ist, indem wir in unserem Umfeld versuchen, unsere Ansprüche zu leben. Dass dies im jetzigen Alltag nur begrenzt möglich ist, ist uns klar.
Andererseits wollen wir uns als Gruppe in Diskussionen, soziale Bewegungen und Kämpfe einbringen und mit Veranstaltungen und Demonstrationen unsere Ideen öffentlich machen. Wir wollen uns vernetzen und als Ansprechpartner*innen in unserer Region zur Verfügung stehen. Kontakte zu und das Arbeiten mit Menschen, die sich nicht explizit als Anarchist*innen verstehen, sind für uns wichtig und alltagspolitisch notwendig. Darum sind wir für punktuelle und langfristige Bündnisarbeit offen. Dabei wollen wir unsere anarchistischen Ideale nicht verleugnen und wir müssen immer wieder neu prüfen, wie weit wir dabei gehen wollen.
Innerhalb der Gruppe tauschen wir uns über aktuelle Entwicklungen aus, diskutieren über viele Themen und versuchen unsere (anarchistischen) Positionen und Ideen zu vertiefen, zu erweitern und zu reflektieren.
Wir verstehen uns als offene Initiative und freuen uns über Gleichgesinnte und Interessierte, die zu uns stoßen wollen.

Anarchistische Initiative Ortenau (Stand Februar 2014)

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Post: Anarchistische Initiative Ortenau, c/o Alarm e.V., Postfach 10 01 61, 77621 Offenburg

1Das “*”, das sogenannte Gender-Gap, ist der Versuch, in der Schriftsprache alle Geschlechter zu berücksichtigen.

 

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alexandra dukhanina: „da waren nur infame lügen und brutaler zwang“

[dieser text ist eine übersetzung von mir aus dem englischen. den artikel findet ihr hier und hier. das russische original hier.]

abschließende stellungnahme in einem moskauer gericht am fünften februar 2014 der anarchistin alexandra dukhanina (naumova), angeklagt wegen gewalt gegen polizeibeamt*innen während einer kundgebung der opposition auf dem moskauer bolotnaya platz am sechsten mai, 2012.

alexandrazuerst dachte ich, dass dieser ganze fall eine art verrückter fehler und unsinn wäre. aber jetzt, nach dem anhören der reden der staatsanwält*innen und nachdem ich herausfand, was die haftbedingungen sind, die sie für uns alle fordern, realisierte ich, dass sie sich an uns allen rächen. sie rächen sich, weil wir dort gewesen sind und sahen, wie alles wirklich geschah. wer die zusammenstöße provozierte, wie die menschen geschlagen wurden, die ungerechtfertigte grausamkeit. sie rächen sich an uns, weil wir nicht klein beigeben und unsere nichtexistierende schuld eingestehen. nicht während den ermittlungen, noch während des prozesses. sie rächen sich auch, weil ich ihnen nicht bei ihren lügen half und mich weigerte auf ihre fragen zu antworten.

es muss eine gewichtige sache sein, derer ich mich schuldig gemacht habe. und sie ist es wert dafür mit sechs jahren in einer strafkolonie bestraft zu werden. es war niemand anderes einer solchen bestrafung wert, nur wir sind übrig: sie haben angst vor echten kriminellen, die fremden, die ihnen im weg standen, wurden eingesperrt und sie rühren ihre eigenen leute nicht an. es ist nun an ihnen, euer ehren, zu entscheiden, wie sie ihnen helfen können, auf kosten unserer schicksale glücklicher zu werden, wie sie neue posten, dienstgrade und auszeichnungen bekommen können.

aber, letzten endes, warum sechs jahre? was sind die „mindestens acht gezielten würfe“, die ich machte? woher kamen sie? auf wen habe ich gezielt und wen habe ich getroffen? acht verschiedene polizeibeamt*innen? oder acht mal die zwei polizeibeamt*innen, weswegen ich angeklagt wurde? falls das so ist, wie oft und welchen von ihnen? wo sind die antworten auf all diese fragen? letzten endes sollten sie zuerst mal detaillierte beschreibungen machen und beweise erbringen und nur dann einsperren – schließlich sind es sechs jahre lebenszeit. das ist gar nicht komisch. aber jetzt sieht es nicht mal wie eine lüge aus. es ist lügende demagogie ohne fakten, die mit den leben von menschen spielt. was wäre, wenn sie 188 videos hätten und nicht acht? würden sie dann behauptet haben, dass ich 188 mal geworfen hätte?

es sind zwei polizeibeamt*innen der omon (otryad mobilniy osobogo naznacheniya, eng. special purpose mobile unit, dt. mobile spezialeinheit; nigra) gegen die ich gewalt angewendet habe. sie haben sie gesehen. sie sind zwei- oder dreimal so groß wie ich und sie trugen körperprotektoren. eine*r von ihnen spürte gar nichts. der andere wurde nicht von mir verletzt und erhob keine klage gegen mich. ist das der massenaufstand und die gewalt für die ich sechs jahre ins gefängnis gehen soll?

oh, ich vergaß die kvass (russisches sodagetränk; nigra) – die flasche allein ist schon fünf jahre wert und acht gezielte würfe mögen das restliche jahr ergeben. jetzt, da sie mir das gesagt haben, kenne ich immerhin den preis von kvass. und können sie mir auch sagen wo mein massenlandfriedensbruch beginnt und endet und wo gewalt gegen polizist*innen beginnt? und was ist der unterschied zwischen diesen beiden dingen? ich habe irgendwie nicht richtig verstanden: welche brandstiftung? angriffe? zerstörung fremden eigentums? und wo bin ich bei all diesen dingen? was habe ich kaputt gemacht? was habe ich angezündet? was habe ich zerstört? mit wem habe ich eine verschwörung angezettelt? was beweist auch nur eines dieser dinge? kurz gefasst, ich bekomme vier jahre wegen artikel 212 [aus dem strafgesetzbuch der russischen föderation, bezogen auf massenunruhen], nur weil ich da war? also ist meine anwesenheit auf einer ursprünglich friedlichen kundgebung die massenunruhe, an der ich teilgenommen habe? da ist nichts außer eben das. schauen sie sich diese menschen an. sie sind keine mörder*innen, diebe oder betrüger*innen. uns alle einzusperren wäre nicht nur ungerecht, sondern erbärmlich.

viele menschen haben vorgeschlagen, dass ich gestehen und mich entschuldigen solle, dass ich sagen solle, was die ermittler*nnen hören wollten. aber ihr wisst, dass ich es nicht für geboten halte, mich bei diesen menschen zu entschuldigen. es ist die regel in diesem land, dass vollzugsbeamt*innen absolut unberührbar sind, obwohl es viele bekannte berichte über sie im zusammenhang mit schutzgelderpressungen und drogenhändler*innen, prostitution und vergewaltigung gibt. Erst kürzlich gab es einen solchen fall in der region lipetsk.

die inhalte der anklagen gegen uns sind nicht nur lächerlich, sie sind absurd und basieren nur auf aussagen von polizeibeamt*innen der omon. also, was haben wir hier, wenn eine person epauletten trägt? ist sie dann automatisch ehrlich und heilig?

euer ehren, in den acht monaten dieses verfahrens haben sie von der verteidigung genug beweise für unser aller unschuld erhalten. wenn sie uns nun in ein gefangenenlager schicken, werden sie leben und schicksale für nichts zerstöre! wollen die behörden so verzweifelt zeigen, wie wir bestraft werden, dass sie für solch eine tat bereit sind? beamt*nnen, vergewaltiger*nnen oder polizist*innen … [unverständlich] eine bewährungsstrafe zu geben ist normal: sie sind die unberührbaren, sie sind von eurer art. aber wir können im gefängnis dahinsiechen – wer sind wir schon, wir sind nicht einmal reich. aber aus irgendeinem grund bin ich sicher, dass ich sogar im gefängnis freier sein werde, als viele von ihnen, weil ich ein reines gewissen habe. und die, die in freiheit bleiben, die mit ihrer sogenannten verteidigung von ordnung und freiheit weiter machen, werden auf ewig in einem käfig mit ihren kompliz*innen leben.

ich kann meine fehler zugeben und falls ich durch die wahrheit und durch fakten überzeugt hätte werden können, dass ich etwas illegales getan habe, hätte ich das zugegeben. aber kein mensch hat jemals irgendetwas erklärt: da waren nur infame lügen und brutaler zwang. durch zwang können sie … [unverständlich]. und das wurde mir alles angetan. aber durch zwang und lügen kann nichts bewiesen werden. und kein mensch bewies meine schuld. ich bin mir sicher, dass ich im recht und unschuldig bin.

ich würde gerne mit einem zitat aus „zwiebelchen“ (orig. it. il romanzo di cipollino; nigra) von gianni rodari enden:

„-mein armer vater! du wurdest ins gefängnis gesteckt wie ein krimineller, mit dieben und banditen.
-was redest du da, sohn, – unterbrach ihn sein vater. – es sind viele ehrenhafte menschen im gefängnis!
-aber warum sind sie eingesperrt? was für böse dinge haben sie getan?
-genaugenommen gar nichts, sohn. darum wurden sie eingesperrt. prinz lemon mag keine anständigen menschen.
-im gefängnis zu sein ist eine große ehre?, fragte er.
-so scheint es nun zu sein. gefängnisse wurden gebaut für die, die stehlen und morden, aber unter prinz lemons herrschaft ist alles anders herum, diebe und mörder sind in seinem palast und ehrbare menschen sind im gefängnis.“

mehr über alexandra dukhanina:

alexandra dukhanina – eine anarchistin, eine aktivistin in der sozialen bewegung, verteidigerin des tsagovsky-waldes und eine teilnehmerin von occupy abai – wurde am 27. mai 2012 inhaftiert. sie wurde angeklagt anhand paragraf 212, absatz 2 des strafgesetzbuches der russischen föderation (bezogen auf unruhen) und paragraf 318, absatz 1 (gewalt gegen regierungsbeamt*innen) im zusammenhang mit geschehnissen auf dem bolotnaya platz am sechsten mai 2012. am 29. mai entließ richterin natalya dudar vom gericht im stadtteil basmanny/moskau in den hausarrest. anwalt dmitry efremov sagt, dass alexandra abstreitet, gewalttaten begangen zu haben und in dem videomaterial, auf dem die anklagen beruhen, ist nicht klar zu sehen, was von alexandra geworfen wird und gegen wen. die derzeitigen anschuldigungen können auf eine gefängnisstrafe von drei bis acht jahren hinauslaufen. (aus http://wiki.avtonom.org/en/index.php/Alexandra_Dukhanina)

 

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