Revolution in Baden! FDP mit uns auf den brennenden Barrikaden!
Das Super-Wahljahr hat begonnen: In Baden-Württemberg stehen im März Landtagswahlen und in Schland im September Bundestagswahlen an. Wir haben wieder die Wahl der Qual. Ich werde mich hier hin und wieder über die lästigen, peinlichen und lügenden Wahlplakate der unterschiedlichen Parteien lustig machen. Den Anfang macht die FDP.
Die ersten Plakate hängen (die AfD war wieder mit besonders hohen Leitern unterwegs, wird ihr aber nichts nützen…) und stehen schon und erinnern uns daran, dass wir alle paar Jahre „Politik machen“ dürfen. Dürfen, nicht müssen: In manchen Ländern gibt es ja sogar eine Wahlpflicht.
Die diesjährigen Plakate unterscheiden sich in Nichts von denen der letzten Jahrzehnte – bis auf eins: Die FDP ruft zur Revolution auf! Und zwar zur „Badischen Revolution 2.0“. Juhu, Genoss*innen, willkommen an Bord…oder etwa nicht?
Badische Revolution, da war doch mal was? Ja, stimmt: Sie wollte die Herrschaft der Adligen überwinden und forderte die Souverernität des Volkes ein. Der Radikaldemokrat Friedrich Heckers stellte 1847 in Offenburg die 13 Forderungen vor (z. B. „Die Polizei höre auf, den Bürger zu bevormunden und zu quälen.“ Hat ja super geklappt…). Die Forderungen waren umfassender und radikaler als die der damaligen Liberalen. Die folgende sogenannte Badische Revolution war aber mitnichten ein südwestdeutsches Phänomen, sondern eingebettet in eine europaweite Bewegung. Überall wurde gegen Fremdherrschaft, den Adel, ungerechte Machtverteilung u.v.m. gekämpft. der Anarchist Michail Bakunin stand auch auf den Barrikaden.
Trotz allem konnte die einzige Revolution, die in Deutschland fast eine geworden wäre, keine werden: immer noch zu reformistisch waren die Forderungen. Radikale Veränderungen der (Besitz-) Verhältnisse fanden nicht statt und wurden in diesem Kontext auch nicht konsequent gefordert. Die Alten unterdrückenden Machtstrukturen wurden lediglich durch neue unterdrückende Machtstrukturen ersetzt.
Will die FDP also – wie Hecker, Struve und Co. damals die Feudalherrschaft – die bestehende Ordnung umstürzen? Will sie die parlamentarische Demokratie abschaffen? Will sie die Soziale Revolution lostreten? Will sie vielleicht eine anarchistische Weltgemeinschaft aufbauen?
Nö, sieht nicht so aus. Zumindest in ihrem Offenburger Wahlprogramm findet sich das Wort Revolution nämlich genau null mal. Nur das übliche Parteien-Blabla. Also, alles nur hohles Gewäsch und ein weiteres Beispiel für den inflationären, inhaltsleeren Gebrauch des Begriffs Revolution. Wenn er schon für Autowerbung herhalten musste, dann kann ihn auch die FDP missbrauchen. Schnell noch das fancy 2.0 drangeklebt und sie betritt damit sogar das Neuland…
Aber wer hätte auch wirklich angenommen, dass die Kleinpartei FDP eine Revolution will? Und wenn auch nur eine bürgerliche. Oder marktradikale mit Minimalstaat. Eben. Niemensch. Ist ja auch irgendwie gut so.
Kleine Anekdote: Vor vielen Jahren bin ich mal auf einem Flohmarkt über das Buch Anarchie – Staat – Utopia von Robert Nozick gestolpert. Der Titel interessierte mich als Anarchist natürlich, der Name des Autors sagte mir nichts (erst später lernte ich, dass Robert Nozick ein marktradikaler US-Libertärer war) und so nahm ich es in die Hand, um darin herumzuschmökern. Ich kam bis zum Vorwort. Es wurde verfasst vom damaligen FDP-Granden und Steuerhinterzieher Otto Graf von Lambsdorff. Ich legte es wieder weg und ging meiner Wege.