tunesien, ägypten, bahrain, jemen, iran, irak und wisconsin/usa: es gärt an vielen ecken und enden (na ja, außer bei uns…).
in libyen ist aus den protesten ein blutiger bürger_innenkrieg geworden, da der oberbefehlhaber der streitkräfte und revolutionsführer gaddafi und seine bande ihre macht nicht so leicht aus den händen geben wollen, wie ben ali und mubarak. die armee ist zersplittert in pro-gaddafis und denen, die auf seiten der aufständischen stehen.
muammar al-gaddafi ist seit 1969 unangefochtener herrscher in libyen, auch wenn es offiziell ein basisdemokratischer staat mit einem siebenköpfigen rat ist. gaddafi ist der führer, der diktator, der könig, der alles-alleine-bestimmer. punkt.
vor ein paar jahren wollte er die schweiz abschaffen. seine leibgarde besteht aus 40 jungfräulichen elitesoldatinnen. er forderte von den ehemaligen kolonialmächten in afrika 777 billionen dollar als wiedergutmachung (was ja eigentlich gar nicht verrückt ist…oder doch?). er arbeitete jahrelang auf eine eigene atombombe hin. er erfand das „auto der zukunft“ für ca. 2 millionen €. „es gibt keinen demokratischen staat auf diesem planeten ausser Libyen.“ gaddafi.
viele dieser annektdoten sind ja bekannt und wir haben über einige gelacht. in ihrer gesamtheit verquickt mit der libyschen geschichte der letzten 42 jahre und vor allem den berichten der letzten zwei wochen machen sie eines klar: der typ ist wirklich und in echt wahnsinnig.
macht korrumpiert: eine – nicht nur bei anarchist_innen – gängige binsenweisheit. macht macht wahnsinnig: auch das ist nicht gerade eine seltenheit, dafür gibt es viele historische beispiele. aber bei gaddafi ist es besonders deutlich und live zu beobachten. seine irren verlautbarungen, wahlweise unter einem regenschirm, nehmen kein ende: ausländische mächte hätten der jugend drogen gegeben, damit diese rebelliere. al-quaida sei schuld an der ganzen misere. und das beste, das was ihn für mich wirklich verrückt und durchgeknallt erscheinen lässt: er selbst habe ja gar keine macht, nur eine symbolische. die ganze macht läge beim volk…
glaubt der das wirklich? ist es kalkül? will er verwirrung stiften und stiften gehen?
naja, auf jeden fall will er bis zur letzten kugel und bis zum tod kämpfen (sehr dramatisch…). die frage ist da nur, wofür will er kämpfen? er steht mit seinen getreuen so ziemlich alleine da. langjährige verbündete haben ihm den rücken zugekehrt oder sich gleich auf die seite der aufständischen geschlagen. so ziemlich alle staaten, sogar seine treuen freunde aus europa und die usa wenden sich von ihm ab und seine konten sind eingefroren.
die menschen in libyen wollen ihn loswerden. er will so viele von ihnen mit in den tod reißen. gebietet ihm das seine ehre? befehlen ihm das innere stimmen? was geht in so einem machtmenschen vor? steht er noch mit beiden beinen auf dem boden? nimmt er die belange der menschen um ihn herum noch wahr und ernst?
wer schon mit lokalpolitiker_innen auf tuchfühlung war und in verhandlungen mit ihnen über was auch immer, kennt das: sie scheinen gar nicht richtig zuzuhören, scheinen über einem zu schweben und dich nicht für voll zu nehmen. gespräche auf augenhöhe sind das in den seltensten fällen. gefühle von erniedringung, belächeltwerden und „das ist nur die halbe wahrheit“ bleiben zurück. und ein schaler geschmack auf der zunge. zum kotzreiz fehlt nicht viel.
wie abgehoben muss ein mensch sein, der eine um ein vielfaches größere macht besitzt? george w. bush hielt sich für von gott beauftragt. asexuelle päpste maßen sich an, über das sexualleben ihrer schäfchen bestimmen zu wollen. pol pott ließ alle brillenträger kambodschas umbringen. ex-bundeskanzler kohl ergaunerte in der cdu-spendenaffäre millionen und belog die gerichte (und kam damit durch…). berlusconi missbraucht seit jahren in aller öffentlichkeit sein amt als ministerpräsident, um die strafen für seine verbrechen als wirtschaftsmagnat mit speziell dafür geschaffenen gesetzen zu umschiffen und fühlt sich moralisch im recht.das als realitätsverlust zu bezeichnen, ist noch beschönigend.
diese wirkung von macht können wir im kleinen auf jeder demo bei polizeibeamt_innen, in der schule bei lehrer_innen, in den ämtern bei den sachbearbeiter_innen, in kaderorganisationen und auch in unserer szene bei den macher_innen bewundern: sie legen bei sich ein anderes maß an, als bei allen anderen. ich glaube auch, dass sie im laufe der zeit gar nicht anders können. einerseits wird es ihnen zugestanden, ja, von ihnen erwartet. andererseits sehen sie das als lohn für ihre überdurchschnittliche aufopferung für die sache/das volk/den staat/die firma/das vaterland/das projekt/…
dem gilt es gegenzusteuern. bei den hohen tieren, den schergen des systems ist hopfen und malz verloren. sie sind verdorben von der macht. doch bei uns selbst, in unseren zusammenhängen sollten wir genau aufpassen und intervenieren. bevor es zu spät ist. keine macht für niemand.
möge die macht nicht mit uns sein…