mitte dezember 2010 wurde in heidelberg ein junger mann enttarnt, der für das landeskriminalamt baden-württemberg die linke szene heidelbergs ausforschen sollte. er war fast ein jahr aktiv und wurde nur durch einen zufall aufgedeckt. er nannte sich lustigerweise nach einem kriminalromanhelden „simon brenner“. [1, 2, 3]
die empörung ist groß, viele fühlen sich ungerecht behandelt, sehen in dem vorgehen des lka’s eine (was ja auch stimmen mag) illegale polizeiliche handlung und fragen sich wie weit es mit der demokratie und der trennung von polizei und geheimdienst her ist.
auf der einen seite will wohl die überwiegend große mehrheit der außerparlamentarischen linken in deutschland eine andere gesellschaft und einen komplett anderen, wenn nicht sogar gar keinen staat. auf der anderen seite berufen sich (nicht nur in diesem fall) viele auf die demokratische grundordnung und empören sich ob der staatlichen bespitzelung.
aus sicht des staates, seiner schergen und behörden ist es nur logisch, menschen und gruppen zu überwachen und auszuspionieren, die dessen grundlegende veränderung oder auflösung fordern und sich dafür die ärsche aufreißen.
wenn dann einige sich darüber aufregen, dass hier legale gruppen ohne hinreichenden verdachtsmoment verdeckt überwacht würden, kann ich nur den kopf schütteln. die infiltrierten (kritische initiative heidelberg) und vermeintlich anvisierten (antifaschistische initiative heidelberg) gruppen sind keine „legalen“ gruppen. sie sind nur nicht verboten. und zwar eher weil sie keine wirkliche bedrohung für den staat sind. d.h. aber nicht dass sie staatstragend wären. im gegenteil sind es radikale gruppen, die den staat grundlegend in frage stellen und alternativen zu ihm suchen. die aihd lehnt die herrschaft von menschen über menschen ab und die ki strebt eine gesellschaft ohne hierarchien an. [das gefällt nigra.] wären diese gruppen groß genug und staatszersetzender, wären sie ruckzuck verboten und damit „illegal“.
das vorgehen der polizei soll hier nicht gutgeredet oder heruntergespielt werden. es ist widerlich. auch würde ich nicht dagegen sprechen, dass wir uns selbst der in der tat vorhandenen vorteile bedienen, die ein rechtsstaat bietet. aber wir sollten mal auf dem boden der tatsachen bleiben und dazu stehen, was wir wollen: nämlich eine grundlegende umwälzung der herrschenden verhältnisse. das schließt natürlich die abschaffung des lka’s, der polizeien, geheimdienste, des staates und seiner behörden ein. ob wir uns nun sozialist_innen, kommunist_innen oder anarchist_innen nennen: keinEr von uns steht auf dem boden des grundgesetzes und darum werden wir bespitzelt, überwacht, diffamiert, mit repression genervt, verklagt und oft genug eingesperrt. das ist scheiße, aber realität.
dass bespitzelt zu werden, keine schöne sache ist, ist klar. wenn es um so einen lang angesetzten einsatz wie bei simon brenner geht, dann sind immer entstandene freundschaften, vertrauen und manchmal auch romantische beziehungen im spiel. kommt es zur entarnung, brechen für die betroffenen genoss_innen welten zusammen. das ist traumatisierend und kann soweit gehen, dass mensch seine politische arbeit komplett einstellt. fakt ist, dass diese unfeine art zu den methoden des staates gehört und solange dazugehören wird, bis wir ihn abgeschafft haben werden. wir müssen uns der tatsache bewusst sein, dass es immer simon brenners in unseren zusamenhängen geben kann.
wie gehen wir mit so einer situation um? wir können, wie es teilweise getan wird, uns in selbstmitleid ergehen. wir können uns lähmen lassen. wir können noch paranoider werden. wir können uns noch mehr in unsere netten linken nischen zurückziehen. wir können den ganzen scheiß sein lassen und mitschwimmen.
wir können aber auch, bevor es passiert, offen darüber sprechen und versuchen einen guten umgang mit diesen tatsachen zu entwickeln, der uns handlungsfähig sein lässt. grundlage unseres kampfes ist immer auch vertrauen in unsere genoss_innen. aber auch das willkommenheißen neuer menschen, die mit uns kämpfen wollen, gehört dazu. schließlich wollen wir wachsen und mehr werden. ohne kritische masse wird das nämlich nix mit der umwälzung oder der sozialen revolution. wir dürfen nicht in jedEm neuzugang simon brenner sehen. in den allerwenigsten fällen ist er es. wie viel mehr menschen würden sich in unseren zusamenhängen engagieren, wenn wir nicht so misstrauisch, konspirativ und ablehnend neuen gegenüber wären.
wir brauchen strukturen, die traumatisierte menschen, die opfer einer bespitzelung wurden, auffangen und ihnen hilfestellung leisten.
es gibt die rote hilfe, das abc und andere gruppen, die sich auf antireppressions- und antiknastarbeit „spezialisiert“ haben.
auf camps gibt es immer wieder traumasupport und out of action gruppen, die sich um menschen kümmern, die von polizeigewalt betroffen sind.
so eine „wir wurden bespitzelt! helft uns!“-struktur kann durchaus informell und lokal verankert sein. sie kann einfach das netzwerk von menschen und gruppen vor ort sein, die sich mit den betroffenen öffentlich solidarisieren und sich als menschen treffen und zuhören und die öffentlichkeitsarbeit mittragen. ob wir eine formelle struktur, ein pendant zur roten hilfe, brauchen, ist schwer zu sagen. im moment sieht es nicht danach aus: es werden nicht jeden tag dutzende von simon brenners enttarnt und ganze szenen traumatisiert und zerschlagen. [was natürlich nicht heißt, dass es nicht mehr von diesen merkwürdigen menschen in unseren gruppen gibt.]
die heidelberger szene ist nicht so klein, als dass sie das nicht hinkriegen würde. auch im fall des berufsverbots für den heidelberger lehrer und antifaschisten michael csaszkóczy wurde dort spektrenübergreifend, öffentlickeitswirksam und erfolgreich interveniert.
simon brenner soll flennen.
wir machen weiter.
unverdrossen.
solidarität mit den genoss_innen der ki.
hier findet ihr ein paar linx zu anderen spitzelfällen:
– marc „stone/kennedy“, england
– rob gilchrist, neuseeland
-spätzle stasi, 1992
– grenzüberschreitende spitzel, 29.12.2010 auf heise