der erste weltkrieg feiert seinen hundertsten geburtstag und alle feiern mit. so auch das städtische hanauer museum in kehl. zuletzt hatte ich dieses als grundschüler auf einem ausflug besucht. der provinzmief hielt mich seither von einem erneuten besuch ab. aber da auch ich gerne geburtstag feiere lies ich es mir nicht nehmen, den mief zu ignorieren und einen zweiten versuch zu starten. ich wurde positiv überrascht.
die ausstellung ist in zwei bereiche und räume unterteilt: „heimat“ und „front“. sehe ich mal von der eher enttäuschenden installation der künstlerin ilse teipelke zum thema „front“ ab, ist die ausstellung, die seit dem 26.06.2014 zu sehen ist, gelungen, auch weil sie für mich zwischen den zeilen, eher hintergründig einen hauch von antimilitarismus atmet und eine kritik am patriotismus übt. vielleicht interpretiere ich auch zuviel hinein: vielleicht würde ein*e gestandene*r nazi oder vaterlandsgesell*in das genau anders herum deuten. aber tafeln mit überschriften wie „die langen leben der generäle“, die aufzeigen, dass die generäle durch die bank sehr alt wurden, die normalen soldaten aber allesamt jung und brutal an den fronten zu tode kamen, scheinen mir doch eine kritik am militarismus auszustrahlen. ein anderes schild würdigt erich maria remarque und seinen roman „im westen nichts neues“, der jahre später von den nationalsozialist*innen zu hauf verbrannt wurde.
interessant für mich war an der ausstellung natürlich ihr bezug auf kehl und die umliegenden gemeinden. viele der auftauchenden familiennamen sind mir geläufig und mit den urenkeln der damaligen protagonist*innen ging ich wohl teilweise zur schule.
der „heimat“-raum ist ganz stark den völlig absurden und skurilen „patriotika“ gewidmet. das sind gegenstände die ein patriotisches „branding“ tragen. hier findet sich wirklich so ziemlich jeder alltagsgegenstand, von der schnupftabakdose mit eisernem kreuz und „gott mit uns“ über essteller mit soldatenromantik bis hin zu weihnachtsbaumschmuck in form von 42-mm-granaten der „dicken bertha„. nahezu jedes unternehmen beteiligte sich am patriotischen irrsinn und das sicher nicht nur, weil es sich davon mehr profit erhoffte. parallel dazu fand eine säuberung der deutschen sprache statt: unzählige nichtdeutschsprachige markennamen wurden patriotisiert. das wurde dann im stil von „aus raider wird twix“ beworben. diese lustigen sprachpurist*innen gab es also schon damals. die patriotisierung war allumfassend.
sehr spannend und informativ sind die auszüge aus dem tagebuch des kehlers matthias nückles, der aus der sicht eines einfachen menschen beschreibt, wie sich der alltag verändert und der krieg immer näher rückt. schließlich kommt sogar gegen ende des krieges die revolution nach kehl. nückles beschreibt dies in drei akten (siehe fotos 8., 9. und 10.). dass es in kehl einen arbeiter- und soldatenrat gab, war mir echt neu.
auf einem großformatigen bild ist der damalige kaiser wilhem II (der verkackte kriegstreiber) mit gesenktem kopf vor einem grab eines gefallenen soldaten zu sehen. er wird mit den worten „Ich habe es nicht gewollt.“ zitiert. jahre später sollte der glühende antisemit in einem brief an seinen amerikanischen freund pouitney bigelow, der ein großer verehrer hitlers und mussolinis war, folgenden satz schreiben: „Die Presse, die Juden und Mücken sind eine Pest, von der sich die Menschheit so oder so befreien muß – I believe the best would be gas [„ich glaube, gas wäre die beste lösung“; nigra].“
die ausstellung ist noch bis zum 11.01.2015 zu sehen. hingehen, lachen und weinen.