tja, auch anarchist_innen und veganer_innen werden manchmal krank und stehen dann in der apotheke und warten darauf, dass ihr (hoffentlich veganes) medikament endlich gefunden wird. da das diesmal sehr viel zeit in anspruch nahm, schaute ich mich im medizinladen um und entdeckte ein umfangreich bestücktes info-regal. hauptsächlich werbeflyer und broschüren der pharmaindustrie, so à la „schizophrenie – was nun?“ und „die prostata – aufgaben und erkrankungen“. mir fiel besonders eine flugschrift ins auge, da auf ihr eine flasche milch abgebildet war. da wird der veganer in mir hellhörig und aufmerksam. der titel war ein poetischer hochgenuss: „mit der kuh auf du und du.“ das reimte sich und was sich reimt ist gut, oder?
bei genauerem hinsehn stellte sich der flyer als werbung für ein laktose-intoleranz-mittel heraus. das sind so mittel, die es menschen ermöglichen, kuhmilch zu konsumieren, obwohl sie sie nicht vertragen: sie würden mit blähungen, übelkeit, kotzen, chronischer müdigkeit, schlechter laune, unruhe und vielem mehr reagieren. die ursache ist, dass mit der entwöhnung von der muttermilch auch die produktion des milchzuckerabbauenden enzyms laktase nahezu eingestellt wird. etwa 75 % der erwachsenen menschen weltweit haben eine laktose-intoleranz. wobei das wort „intoleranz“ hier mehr als fehl am platz ist, da es ja gar nicht vorgesehen ist, dass sie artfremde muttermilch nach dem säuglingsalter zu sich nehmen. es spricht ja auch niemand von zyankali-intoleranz oder crack-intoleranz. manche stoffe sollte mensch halt einfach besser meiden. der vollständigkeit halber sei erwähnt, dass vor etwa 7500 jahren im heutigen österreich und ungarn, wo intensiv viehwirtschaft betrieben wurde, eine mutation bei den dort lebenden menschen auftrat: sie führte dazu, dass die laktose-intoleranz abnahm. das scheint was mit den schlechteren sonnenlichteinflüssen und der vitamin-d-versorgung zu tun gehabt zu haben. je weiter südlich wir uns bewegen, desto höher wird die sonneneinstrahlung und die laktose-intoleranz bei menschen (eine ausnahme bilden die nachfahren der sträflingskolonist_innen in australien).
nun halte ich diese laktose-intoleranz-umgehungs-geschichte an sich nicht für weiter verwerflich (abgeshen von ihrem unveganem charakter), schließlich haben wir uns in etlichen anderen bereichen ja auch vom naturzustand entfernt: wir nutzen unzählige errungenschaften der zivilisation, um uns das leben angenehmer zu machen oder unserem puren hedonismus zu fröhnen. das ist nicht immer gesund und die folgen auch nicht.
was mich als vegan lebender mensch an diesem flyer abstößt ist der titel: „mit der kuh auf du und du.“ mit wem bin ich auf „du und du“? normalerweise mit menschen, die mir nahe stehen, die ich mag, mit freunden, bekannten und verwandten. wenn wir uns mal die hiesige milchwirtschaft anschauen, egal ob bio oder konventionell, wird uns schnell klar, dass hier kein platz für ein „du“ ist. auch wenn der biobauer erwin seinen 34 kühen noch namen gibt, dienen sie, genau wie beim industriehof, nur einem zweck: milch zu produzieren, kälber zu gebären und fleisch zu werden. die kuh ist ware wird geld wird kühe werden waren werden geld… zusätzlich zu diesem banalen, aber fatalen kapitalistischen kreislauf muss ich als vegan lebender mensch das leid der kuh in den vordergrund stellen. wo ist hier das persönliche, zärtliche „du“? wo ist hier eine beziehung? sie beruht auf herrschaft, ausbeutung, schmerz und mord. dieses unglaublich zynische herstellen einer netten beziehung überblendet ihren wahren charakter und erinnert mich an die wandbilder an vielen metzgereien: sie zeigen lachende schweine und zufriedene kühe und suggerieren einen zustand, den es nicht gibt: das tier begibt sich gern, freiwillig und fröhlich in den tod. sie kaschieren das leid und die schmerzen der geschändeten individuen. und viele sind zufrieden damit. ich nicht.
die milchflasche steht auf einer blumenwiese, an sie gelehnt ist ein glas mit milch. mit der kuh auf du und du…